Ihr Untergang gehört zu den größten Tragödien der Schifffahrtsgeschichte und ist doch weitgehend unbekannt: Vor 70 Jahren, am 3. Mai 1945, wurden in der Lübecker Bucht die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ versenkt. Bei dem Angriff britischer Jagdbomber in den letzten Tagen des Krieges kamen mehr als 7000 Menschen ums Leben. An Bord waren jedoch nicht etwa Soldaten oder hochrangige Nazi-Anführer, sondern größtenteils Häftlinge aus dem Hamburger Konzentrationslager Neuengamme.

Neustadt-in-holstein-ehrenfriedhof-cap-arcona-gedenken-70-jahre-gesamtWikipedia-User: Wikimedia Foto "Memorial Stone at Ehrenfriedhof (cemetery) Cap Arcona in Neustadt in Holstein to remember the 7000 killed victims. 70 years passed. Whole picture." von Roland.h.bueb unter einer Creative Commons ( BY) Lizenz "

Bereits Wochen zuvor waren diese auf Befehl Heinrich Himmlers, wohl um die Verbrechen des Nazi-Regimes zu vertuschen und die Inhaftierten nicht in die Hände der auf Hamburg vorrückenden Alliierten fallen zu lassen, auf die vor Neustadt vor Anker liegenden Schiffe deportiert worden. Mehr als 10.000 Häftlinge, viele davon Widerstandskämpfer und andere politische Gefangene, wurden auf Todesmärschen nach Lübeck getrieben und mittels Zubringerschiffen auf die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ gebracht, bis sich zeitweise über 7000 Menschen allein auf der „Cap Arcona“ befanden. Viele starben bereits auf dem Weg oder an den unmenschlichen Zuständen auf dem Schiff, ihre Leichen wurden einfach liegen gelassen. Die Kapitäne der beiden Schiffe, Heinrich Bertram und John Jacobsen, weigerten sich zunächst entschieden dem Befehl der SS, die KZ-Insassen aufzunehmen, Folge zur leisten, beugten sich dann aber unter Androhung der Erschießung dem Druck.

Bevor sie als „schwimmendes Konzentrationslager“ missbraucht wurde, war die „Cap Arcona“ ein Luxusdampfer und stellte das Flaggschiff der Hamburg-Südamerika-Linie dar, die bis Rio de Janeiro verkehrte. Zu Kriegsbeginn wurde sie der Kriegsmarine unterstellt und diente dann als Kaserne, bis sie 1945 wegen eines Maschinenschadens manövrierunfähig vor Neustadt lag und dem Befehl des „Reichskommissars für die Seefahrt“ Karl Kaufmann unterstellt wurde. Um seinem grausamen Verwendungszweck gerecht werden zu können, wurde das Schiff von der SS umgebaut. Fluchtmöglichkeiten wurden entfernt, die Rettungsboote untauglich gemacht, der Rumpf grau angestrichen, um es nicht wie ein Zivilschiff aussehen zu lassen.

Als die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ am 3. Mai 1945 angegriffen werden, wissen die Briten von schweizerischen Informanten über die Vorgänge in der Lübecker Bucht Bescheid, es gelingt ihnen jedoch nicht, die Royal Air Force zurückzubeordern. Die 200 Kampfflugzeuge versenken insgesamt 23 Schiffe in der Ostsee und beschädigen über 100 weitere. Während die SS sich zum größten Teil von Bord retten kann, werden die Gefangenen weiter unter Deck festgehalten. Die beiden Schiffe sinken innerhalb von einer Viertelstunde. Wer nicht zu den knapp 400 Überlebenden gehört, ertrinkt oder stirbt in den Flammen.

Es gibt mehrere Spekulationen darüber, warum die KZ-Häftlinge auf die Schiffe gebracht wurden. Die am häufigsten angenommene ist, dass es sich um eine geplante Massentötung der Gefangenen in der Ostsee handelte. Die Schiffe wurden bewusst so präpariert, dass sie nicht von den echten Kriegsschiffen unterscheidbar waren. Es wurden keine weißen Fahnen gehisst und die Treibstoffmenge reichte nur zur Brandbeschleunigung aus. Laut Wilhelm Lange, dem Stadtarchivar Neustadts, stellten die Nationalsozialisten den Briten letztendlich eine Falle zur geplanten Vernichtung der Gefangenen ohne eigenes Zutun. Diese scheinbare Schuldlosigkeit führten die SS-Anführer später auch in Verhören an. Ihnen zufolge sollte die „Cap Arcona“ nach Schweden übersetzen. Auf Grund ihrer technischen Defekte wäre sie dazu jedoch wohl nicht in der Lage gewesen.

Juristisch wurde die Tatverantwortlichkeit am Untergang der KZ-Schiffe nie aufgearbeitet. Die Schiffe wurden erst Jahre später Stück für Stück geborgen, bis weit in die 60er-Jahre fanden Strandurlauber angespülte Überreste der Opfer. Noch immer ruht etwa die Hälfte der Opfer unbestattet in der Ostsee. Die übrigen liegen in Massengräbern entlang der Ostseeküste. Einer der bedeutendsten Gedenkfriedhöfe liegt in Neustadt nahe der Schön-Klinik. Noch immer finden hier jährlich am 3. Mai Gedenkveranstaltungen statt.

Wer mehr über die Tragödie erfahren möchte, dem sei das „Museum Cap Arcona“ in Neustadt ans Herz gelegt. Detailliertere Berichte über die Geschehnisse sowie Biografien einzelner Inhaftierter findet ihr außerdem in einem Artikel unserer Vorgängerzeitung, der „Bauchpresse“ vom Juli 1999 in unserem Online-Archiv.

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