Zeitdruck, Klausurenstress, Erfolgsdruck – Zeit, Bilanz zu ziehen. Viele Studenten haben kaum noch Zeit, sich mit der Stadt oder der Umgebung, in der sie studieren, zu beschäftigen. Wie oft habt ihr schon die Sätze „Keine Zeit“ oder „Ich muss lernen“ gehört?

Zwischen dem Weg zur Uni und dem Zuhause liegt häufig die allbekannte Lübecker Innenstadt. Doch dieser Ort verbirgt um einiges mehr, als sich die unaufmerksamen Neulübecker (und dazu gehören auch die Leute, die schon seit einigen Semestern studieren) vorstellen. Jeder hat bereits die vielen nummerierten Schilder über schummrigen Gassen gesehen, die scheinbar im Nichts verschwinden. Die Rede ist vom Lübecker Gang- und Gassensystem. Diese verwirrenden Hinterhöfe und Schleichwege verbergen einen längst vergangenen Zeitgeist vor dem Beobachter.

Ich beschloss also trotz Zeitmangel, die Gänge zu erforschen und mir selbst einen Eindruck dieser faszinierenden Parallelgesellschaft direkt hinter den Einkaufsfassaden und Wohnhäusern zu schaffen. Ich musste mich ducken, als ich den „Durchgang“, eine winzige Gasse, welche die Aegidienstraße mit der Wahmstraße verbindet, betrat. Der von Graffiti bedeckte etwa 1,70 hohe Gang sollte mein Eingang sein.
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Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wäscheleinen überspannten den Hof und der Lärm der gerade einmal 50 Meter entfernten Bushaltestelle brach abrupt ab. Andere, natürliche Geräusche füllten die Luft. Plötzlich stoben die Spatzen, welche sich in einem Busch vor mir niedergelassen hatten, auseinander und neben mir landete eine nebelgraue fauchende Katze. Ich schreckte zurück. Über mir schloss sich ein Fenster. Ungläubig starrte ich erst auf den Schatten der Katze, die vor mir um eine Ecke verschwand und dann wieder hoch zum Fenster.

Ein paar Gassen weiter stritten zwei ältere Damen mit Bollerwagen um Fische. Das Sprichwort „Schreien wie auf dem Fischmarkt“ war mir noch nie so einleuchtend vorgekommen. Die Zeit schien still zu stehen. Überall hing Kleidung aus den Fenstern. Federn von ausgeschüttelten Kissen rieselten aus Fenstern und ein Mann im Karohemd hackte Holz.

Ein paar Schritte weiter – und ich stand wieder auf der Straße. Als ob ich eine Barriere durchtreten hätte, dröhnten von allen Seiten wieder die Geräusche des Alltags. Ich schaute mich um und sah in den Gang, der wie eine andere Welt vor mir lag. Eine Seite von Lübeck, die den meisten verschlossen bleibt. Eine Seite, in der noch eigene Regeln gelten.

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