„Man will mich mit allen Mitteln als Verfassungsfeind darstellen und ich kann nichts dagegen tun.“ So beschreibt Reinhard Fröschlin das Gefühl, als er sich nach dem Abschluss seines Studiums mit einem drohenden Berufsverbot auseinandersetzen musste. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied in einer zugelassenen Partei – der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) – zu sein.

Jahrelang waren Berufsverbote für die Studenten ein Thema - 1981 gab es dann auch in Lübeck einen hohe Wellen schlagenden Fall.

Jahrelang waren Berufsverbote für die Studenten ein Thema – 1981 gab es dann auch in Lübeck einen hohe Wellen schlagenden Fall.[media-credit name="Der Springende Punkt" align="aligncenter" width="640"]


Der heute als Leitender Oberarzt arbeitende Dr. Reinhard Fröschlin erinnert sich noch gut daran, wie er damals davon erfahren hat, dass er nicht im öffentlichen Dienst arbeiten darf: „Ich hatte mich ganz ordentlich hier in Lübeck in der Anästhesie beworben, wurde auch zum Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt mündlich die Zusage des Professors. ‚Der Antrag läuft‘, sagte er und meine Bewerbungsunterlagen gingen an die zuständigen Gremien. Unter der Hand erfuhr ich dann von einem sozialdemokratisch orientierten Verwaltungsbeamten der MHL, dass es Schwierigkeiten gebe.“

Ursache war die damals übliche „Regelanfrage“ des Arbeitgebers an den Verfassungsschutz, ob der Bewerber sich etwas habe zu Schulden kommen lassen. War der Betreffende ein unbeschriebenes Blatt, stand einer Einstellung nichts im Wege, anderenfalls folgte eine Befragung. Fröschlin beschreibt seine Befragung im Rektorat als einem Verhör ähnlich, erzählt von gesammelten Unterlagen und Fotos, die bei Demonstrationen geschossen und ihm bei dieser Gelegenheit vorgelegt wurden.

Völlig überraschend kam das drohende Berufsverbot für Reinhard Fröschlin jedoch nicht: Die DKP war bei ihrer Gründung 1968 zwar nicht als verfassungsfeindlich verboten worden, doch, um eine Unterwanderung des Systems zu verhindern, galten seit 1972 die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst”. Sie waren auch unter der Bezeichnung „Extremistenbeschluss“ bekannt und sollten „Verfassungsfeinde“ aus dem öffentlichen Dienst fernhalten, sodass die Mitgliedschaft in einer am Rande des Parteienspektrums angesiedelten Partei hochverdächtig war. Berufsverbote gegen Rechtsextremisten waren dabei eher selten, während das linke Spektrum wegen der Nähe zur DDR besonders unter Beobachtung stand.

Allein die Mitgliedschaft in Gruppen der DKP oder des MSB Spartakus war Grund genug, einen Bewerber nicht in den öffentlichen Dienst aufzunehmen. Eine gegen die Verfassung gerichtete Handlung stellte zwar ebenfalls einen Grund für ein Berufsverbot dar, war aber bei nachgewiesener Mitgliedschaft kein notwendiges Kriterium. Was kleinere „Delikte“ als eine Mitgliedschaft betraf, herrschte unter den Studierenden eher Unsicherheit darüber, was erlaubt war: „Wenn man in der Stadt auf der Straße irgendwas unterschrieben hatt, dann konnte das schon bedeuten, dass man damit auf die schwarze Liste kam“, berichtet Johannes Hoffmann über die damalige Zeit.

Reinhard Fröschlin war sich als DKP-Mitglied im Klaren darüber, dass er wahrscheinlich fotografiert und abgehört wurde. In Kiel hatte er sogar zusammen mit einem Spitzel in einer WG gewohnt, was sich aber erst im Laufe des Prozesses am Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht anhand der gegen ihn verwendeten mitgeschnittenen Telefonate herausstellte. Von Verfahren gegen Angehörige anderer Berufsgruppen wie beispielsweise Lehrer oder Postboten hatte Fröschlin vorher schon etwas mitbekommen, doch er hatte nicht erwartet, als Arzt genauso betroffen zu sein. „Wir haben damals sicher einiges Unrecht in der DDR oder Russland nicht sehen wollen“, sagt er heute und betont, dass er zwar mit der DDR sympathisiert hatte, die Verfassung der Bundesrepublik aber gut und wichtig fand und sich deswegen nie als „Verfassungsfeind“ gesehen hätte. Doch diese Position teilten zumindest die Richter nicht, sodass es für Reinhard Fröschlin durch den endgültigen Verfahrensspruch 1981 beim Berufsverbot im öffentlichen Dienst blieb.

Für ihn als Vater von drei Kindern war das keine einfache Situation: „Meine Frau und ich, wir haben uns gefragt, was wir ertragen können und was nicht. Inwieweit würde das Berufsverbot wirtschaftliche Folgen für uns als Familie haben? Und müssen unsere Kinder im Verlauf mit Konsequenzen rechnen?“

Als die Ablehnung der Aufnahme in den öffentlichen Dienst drohte, machte Fröschlin seine Situation sofort öffentlich. Im Folgenden wurde ihm viel Solidarität entgegengebracht, auch von Menschen mit einer vollkommen anderen politischen Einstellung: Berufsverbote auszusprechen wurde von vielen als Angriff auf grundgesetzlich verbriefte Rechte und somit anti-demokratisch empfunden, sodass sein Fall den Anstoß zu zahlreichen Protesten gab. So wurde in Lübeck eine Bürgerinitiative gegen die Verhängung von Berufsverboten gegründet und auch der AStA engagierte sich; Peter Delius, der damals in den studentischen Gremien aktiv war, erinnert sich an die Berufsverbote als eines der wichtigsten Themen dieser Zeit. Im „Springenden Punkt“, der Lübecker Studentenzeitung, erschienen Artikel und auch der NDR berichtete.

Letztlich hat Reinhard Fröschlin aber Glück gehabt: Auf den Tipp eines Kollegen hin bewarb er sich in einer privaten Klinik und wurde eingestellt, sodass das Berufsverbot für ihn nicht zu der existenziellen Bedrohung wurde, die es für manch anderen gewesen sein mag.

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