StudentenPACKSeitdem die Informatik in Lübeck anzutreffen ist, sind auch Sie auf dem Campus unterwegs. Können Sie sich einmal kurz vorstellen?

Helge Illig: Meine Name ist Helge Illig und ich bin seit 1993 hier auf dem Campus. Ich habe hier in Lübeck im ersten Semester Informatik mit Nebenfach Medizin angefangen und habe das Studium 1999 als erster Absolvent der Informatik mit einem Diplom abgeschlossen. Danach habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Medizinische Informatik (IMI) angefangen, wo ich schon seit 1993 als studentische Hilfskraft tätig war. Ich habe damals hauptsächlich in der Betriebsgruppe für das Krankenhauskommunikationssystem gearbeitet. Nachdem das UKSH eine eigene IT-Abteilung erhielt, wurden die Aufgabenfelder später getrennt, sodass sich dann das Institut für Medizinische Informatik um das Rechenzentrum der Universität gekümmert hat. Nach dem Ausscheiden des Gründungsdekans und Institutsleiters Prof. Pöppl wurde vor ca. sechs Jahren das ITSC gegründet, welches diese Aufgaben übernommen hat. Mit einigen Kollegen, die ebenfalls vom IMI ins ITSC gewechselt sind, haben wir das ITSC aufgebaut, welches ich seitdem als Betriebsleiter leite.

StudentenPACKWas waren Ihre drei prägendsten Ereignisse in Ihrer Zeit hier an der Uni?

Illig: Prägend war natürlich der Studienstart 1993, als wir mit etwa 20 Kommilitonen das Studium begannen. Als Informatiker waren wir damals „Die Neuen“, außer uns gab es schließlich nur die Medizinstudenten, die uns mit einer deutlich größeren Anzahl gegenüber standen. Die Reaktion war eher „Was sind denn das für komische Leute, die nur am Computer sitzen?“. Auch in der Lübecker Bevölkerung wurde die Informatik eher mit der Fachhochschule und nicht mit der Universität verknüpft. 2010 war sicherlich mit „Lübeck kämpft für seine Uni“ auch ein sehr prägendes Ereignis. Als drittes wäre das die aktuelle Umwandlung der Universität in eine Stiftungsuni, was viel aufwirbelt. Momentan bin ich als Vorsitzender im Personalrat für den wissenschaftlichen Bereich tätig und dadurch auch in den entsprechenden Gremien vertreten und kann deshalb auch sagen, dass sich für die Mitarbeiter und auch für die Studenten nicht viel ändern wird. Viel ändern wird sich hingegen auf der Verwaltungsseite. Ich halte das aber auch für sinnvoll und denke, dass die Universität dadurch gestärkt wird. Somit war der 12.12.2012, an dem der Senat den Beschluss für die Stiftungsuni verabschiedete, auch ein sehr bedeutender Moment.

StudentenPACKWas haben Sie von „Lübeck kämpft“ 2010 noch in Erinnerung?

Illig: Ich erinnere mich noch gut daran, dass wirklich alle an einem Strang gezogen haben: Die Studenten, die Mitarbeiter, die Lübecker Bevölkerung und auch Firmen, die durch Sponsoring oder ihre Kontakte in die Politik daran beteiligt waren. Die Unterstützung war einfach überwältigend. Das Superereignis war die große Demonstration in Kiel, als 14.000 Menschen gegen die Schließung demonstriert haben. Man lief durch die Straßen und war umgeben von Gelb. Dann schlossen sich auch noch die Kieler Studenten mit den lilafarbenen Transparenten an. Die Veranstaltung war super, der Anlass war nicht so schön und ich hoffe, dass das nicht nochmal passieren muss. Wir befinden uns aber mit der Stiftungsuni auf einem ganz guten Weg.

StudentenPACK1993 begann mit der Veranstaltung „Einführung Informatik I“ die erste Vorlesung der Informatik in Lübeck mit Prof. Linnemann. Wie war es für Sie damals Informatik zu studieren?

Illig: Es war irgendwie komisch. Ich musste nach der Schule nicht zur Bundeswehr und habe deshalb gleich mit meinem Studium hier begonnen. In den ersten Vorlesungen war erstmal gar nichts vorbereitet. Es gab Prof. Linnemann, Prof. Pöppl, der das alles hier mit gegründet hat, und Prof. Bernd Fischer, der die Mathematik gehalten hat. Die Vorlesungen selbst waren sehr gut und genau auf uns Informatikstudierende abgestimmt. Wenn wir etwas nicht verstanden hatten, wurde das in der Vorlesung sofort geändert. Das war auch kein Wunder, schließlich waren wir damals die ersten, die das hörten. Es war allerdings eher wie in der Schule und nicht so, wie man sich das von den Erzählungen der Studierenden aus anderen Städten vorgestellt hatte. In Münster hat ein Freund von mir mit 1000 anderen Studenten Jura angefangen, da waren wir mit unseren 20 Leuten natürlich eher übersichtlich. Woanders war es undenkbar mit seinem Professor zu sprechen, hier hingegen war es gut, diesen direkten Kontakt zu den Dozenten zu haben. Ich finde nach wie vor gut, dass sich das trotz der erhöhten Studierendenzahl auch nicht wirklich geändert hat. Man könnte sagen, dass es hier beinahe ein familiäres Verhältnis gibt, auch weil viele Studenten als studentische Hilfskräfte in den Instituten beschäftigt sind. Das ist für den Standort Lübeck echt toll!

StudentenPACKWenn Sie die Wahl hätten heute oder vor 21 Jahren mit einem Informatikstudium hier in Lübeck zu beginnen, wofür würden Sie sich entscheiden?

Illig: Ich würde eher damals noch einmal anfangen, wobei mir einige Sachen vor 21 Jahren auch gefehlt haben. Insbesondere einen Teil, der sich mehr mit der Wirtschaft beschäftigt, hätte ich mir gewünscht. In meiner Zeit im Konvent und im Senatsausschuss MINT hatte ich die Einführung von Wirtschaftsinformatik oder etwas vergleichbarem angeregt, was in diesem Jahr mit Entrepreneurship in Digitalen Technologien hier hinzugekommen ist. Es war zu meiner Studienzeit schwierig, Vorlesungen abseits der Informatik zu hören, mit Ausnahme von Medizinveranstaltungen. Durch das Nebenfach Medizinische Informatik gab es zwar einige Veranstaltungen, die sich mit etwas anderem als Informatik befassten, aber heute wäre das noch ein wenig spannender. Insgesamt war das damals aber auch schon ganz gut.

StudentenPACKIn Ihrer Zeit als Student hier an der Uni haben Sie sich viel in den unterschiedlichen studentischen Gremien engagiert. Was waren damals die großen Themen?

Illig: Als ich anfing war das Meiste Aufbauarbeit. Es gab noch keine Fachschaft, deshalb habe ich die mit ein paar Kommilitonen gegründet und war da auch der erste Sprecher. Ein wenig später wurde die Fachschaft dann noch einmal neu gegründet, warum ist mir jedoch nicht ganz klar gewesen. Zudem war ich im Konvent und in den Berufungskommissionen für die folgenden Professuren der Informatik beteiligt. Es war spannend, als studentisches Mitglied die Uni so mitgestalten zu können. Man ist eben kein kleiner Student, der nichts zu sagen hat. Das, was man sagte, hatte wirklich Gewicht. Diese Möglichkeit der Mitgestaltung fand ich sehr gut. Es war nicht zuletzt auch recht lustig, mal nicht von den Professoren bewertet zu werden, sondern stattdessen ihre Bewerbungen an der Universität entgegen zu nehmen. Zur Abwechslung wollten die dann einmal was von uns!

StudentenPACKEines Tages verkündete der MUFtI, die Zeitschrift der Fachschaft Informatik den Einzug der Modems in die Uni. Was änderte sich damals hier?

Illig: Genau, damals gab es noch Modems! Zwei Stück um genau zu sein, über die wir als Studenten erstmals von zu Hause aus auf das Netz hier in der Uni zugreifen konnten. Davor gab es in der alten Seefahrtsschule einen Rechnerraum mit zehn Arbeitsplätzen, in dem wir arbeiten konnten. Das reichte also noch nicht einmal für alle Studenten. Heute sieht das alles ein wenig größer aus. Mittlerweile kann man sich von überall über das SSL-Gate anmelden oder die großen PC-Pools mit insgesamt 150 Rechnerarbeitsplätzen nutzen. Auch der Funktionsumfang der Rechner ist angewachsen. Auf das Internet mit Suchmaschinen wie Google oder eine Lernplattform wie die Moodle konnte damals nicht zurückgegriffen werden. Wir haben an den Rechnern einfach C oder Cobol programmiert. Es war eher so, wie man es aus der Schule kannte, wenn man einfache Programmiersprachen gelernt hat. Wir haben uns immer sehr gefreut, wenn wir ein einfaches Programm geschrieben hatten. Heute haben die Studenten Software wie MatLab und andere Tools zur Verfügung, die einen vollkommen anderen Umgang mit den Rechnern ermöglichen.

StudentenPACKEiner der Meilensteine der Informatik war der Neubau des Informatik-Gebäudes „Gebäude 64“. Seit dem ersten Einzug in das Gebäude haben Sie hier gearbeitet. Was können Sie über die Bauzeit berichten?

Illig: Herr Pöppl war der Gründungsdekan der Informatik hier an der Uni und er war auch derjenige, der das Gebäude 64 mit zu verantworten und geplant hat. Ich war als Hiwi und anschließend als Mitarbeiter in der Medizininformatik tätig und habe den ganzen Umzug vom Zentralklinikum hierher miterlebt. Zuerst waren alle Institute der Informatik weit verstreut. In der Seefahrtsschule saßen Herr Linnemann (Informationssysteme) und Herr Reischuk (Theoretische Informatik) und im Technikzentrum waren die Softwaretechnik von Herrn Dosch und Herr Herczeg mit dem IMIS untergebracht. Die große Frage war nun, wie alle zusammen auf dem Campus untergebracht werden könnten. Als wir dann mit der Planung der Infrastruktur beginnen wollten, stellte sich heraus, dass man in der Bauplanung ein Bürogebäude entworfen hatte. Dass auch ein Datennetz benötigt wurde, wurde hierbei komplett vergessen. Da mussten wir erstmal überlegen, wie sich das wieder gerade biegen ließ. Und das Ergebnis dieser Korrekturen kann man heute noch überall im Gebäude sehen, weil viele Büroräume mit Netzwerkschränken zugebaut sind. Durch den Lärm der Switche kann man da drinnen auch nicht mehr arbeiten. Es ist sehr verwunderlich, wie so etwas bei der Planung einfach vergessen werden konnte. Wenn man im Gebäude einmal die Flure entlang geht, sieht man überall schwarze Glasplatten, hinter denen die Versorgungsschächte liegen. Hätte man die einen halben Meter breiter gebaut, hätte man da die Serverschränke unterbringen können. Da haben wir viel „Spaß“ mit gehabt. Die Einrichtung des Datennetzes haben dann wieder wir vom Institut für Medizininformatik gemacht.

StudentenPACKEin berühmtes Zitat bei den Baumaßnahmen am nicht nur am Gebäude 64 waren die Worte „Baulärm ist der schönste Lärm“ von Herrn Dominiak. Können Sie sich dem als jemand, der hier bei den Baumaßnahmen zugegen war, anschließen?

Illig: Ich habe den Spruch gehasst und da war ich auch nicht der einzige. Man kann das gut sagen, wenn man weit weg sitzt. Herr Dominiak war zuerst als Lehrstuhlinhaber in der Pharmakologie und später als Präsident im Herrenhaus oder im Haus 1 und 2 schließlich immer weit weg von der Baustelle. Ich glaube er hätte den Spruch nicht gesagt, wenn er hier im Gebäude gesessen hätte. Als das Gebäude gebaut wurde, hat da noch keiner drin gearbeitet. Dadurch, dass das Gebäude auf großen Säulen ruht, die in die Erde gerammt wurden, waren allenfalls die Erschütterungen ein wenig nervig, insgesamt aber okay. Schlimm war die Aufstockung des Gebäudes, nachdem es bereits in Betrieb genommen war. Das war wirklich nicht in Ordnung. Man konnte nicht telefonieren, man konnte keine Besprechungen machen, man konnte bei dem Lärm auch keine Klausuren schreiben, weil es fast unmöglich war sein eigenes Wort zu verstehen, geschweige denn sich zu konzentrieren. Auch wurde während der Aufstockung für das Einsetzen einer neuen Treppe das Dach am Freitagnachmittag teilweise abgenommen, bevor es am Wochenende zu einem starken Unwetter kam. Kein Wunder, wenn dann der ganze Keller schwimmt! Also Baulärm finde ich nicht so gut. Und ich glaube jeder, der hier im Gebäude gesessen hat, sieht das ähnlich. Dennoch ist es natürlich schön, wenn man neue Gebäude bekommt. Seit 1993 hat sich das Gesicht des Campus völlig verändert, mehr natürlich der Universitätsteil mit dem Gebäude 64 und dem schicken neuen CBBM nebenan. Auch die geplante Verlängerung des CBBM durch das BMF und das neue Fraunhofer-Gebäude sind schöne Vorhaben, insbesondere, dass die Gebäude neu sind, ist von Vorteil. Wenn man sich im Vergleich dazu die Kieler Universität ansieht, besteht der Campus da überwiegend aus alten Gebäuden. Gebäude wie die Seefahrtsschule hier hatten zwar einen eigenen Charme, aber wirklich toll war das eigentlich nicht.

StudentenPACKWenn Sie ein Bild vom Campus in 20 Jahren malen würden, was wäre darauf zu sehen?

Illig: Ich glaube, dass die Uni Lübeck dann noch deutlich größer sein wird, sowohl in der Fläche als auch in der Anzahl der Studienfächer. Die Schritte für diese Erweiterungen insbesondere im Life Science Sektor werden durch die bereits vorgenommene Gründung des BioMedTech-Campus und die Kooperation mit der Fachhochschule weiter voran getrieben. Die Uni wird damit noch weiter aufblühen. Nicht zuletzt unterstützt auch die Stiftungsuni diesen Weg, indem von außen Stifter hinzukommen und Förderungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Ich denke, dass wir in Zukunft gestärkter und besser dastehen werden als heute.

StudentenPACKIn diesem Jahr wurde Frau Annette Schavan die Ehrendoktorwürde der Universität verliehen. Wie stehen Sie zu dieser Verleihung?

Illig: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich war damals in der Senatssitzung dabei, in der über die Verleihung entschieden wurde. Es gab Abwägungen, ob ihr der Titel verliehen werden sollte oder eher nicht. Ich persönlich finde es schwierig Personen Ehrendoktortitel zu verleihen, die noch in Amt und Würden stehen. Als Frau Schavan dann wie Herr Guttenberg und andere von der Plagiatsaffäre eingeholt wurde, stand im Raum, wie mit der ganzen Situation umgegangen werden sollte. Ich finde es ehrlich gesagt ein wenig schwierig, die Promotionsarbeiten, die vor 20 oder 30 Jahren geschrieben wurden, mit den heutigen Mitteln darauf zu überprüfen, wo vielleicht etwas abgeschrieben wurde. Es ist sogar ein wenig unfair. Was in den Arbeiten fehlt, sind zudem nur die Verweise auf die ursprünglichen Texte. Dass man sich bei seiner Arbeit mit Sekundärliteratur darüber informiert, wo oder wie andere auf dem Gebiet bereits gearbeitet haben, ist normal. Man muss es eben nur zitieren, Wenn Sie jetzt geschrieben hätte, aus welchem Werk die Texte kamen, hätte niemand etwas gesagt. Mit den damaligen Mitteln ist es natürlich nicht so einfach wie mit den Mitteln von heute, mit denen man auf elektronischem Wege schnell etwas findet. Im Senat haben wir uns am Ende einstimmig für die Verleihung entschieden. Durch die Plagiatsaffäre wurde das dann verschoben und erneut diskutiert, aber daraufhin in einem weiteren Beschluss auch erneut bestätigt. Dann sollte man sich daran auch halten. Oft lässt man sich auch von außen durch die Presse lenken. Was die heute erzählt, muss man schließlich auch nicht alles glauben. Das ist manchmal sehr stark in eine Richtung gedrängt, und ich finde es schwierig, wenn man sich dadurch selbst in eine Richtung drängen lässt.

StudentenPACKVielen Dank für dieses Interview!

Noch keine Kommentare, sei der Erste!