Ein Gebäude für alles: Haus 21 war das Logo des "Provisoriums", Lübecks erster Studentenzeitung,außerdem beherbergte es in den 60er Jahren Mensa und Asta der Medizinischen Akademie Lübeck.

Ein Gebäude für alles: Haus 21 war das Logo des “Provisoriums”, Lübecks erster Studentenzeitung,außerdem beherbergte es in den 60er Jahren Mensa und Asta der Medizinischen Akademie Lübeck.[media-credit name="Provisorium" align="aligncenter" width="640"]


„In einer würdigen Feierstunde, an der rund 250 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen, wurde gestern im Audienzsaal des Lübecker Rathauses die in Gründung befindliche Medizinische Akademie Lübeck offiziell eröffnet“, heißt es am 4. November 1964 in den Lübecker Nachrichten. Ministerpräsident, Staatsrat und Kultusminister Schleswig-Holsteins, der gesamte Lehrkörper der Universität Kiel mitsamt neuer Lübecker Kollegen sind am 3. November 1964 nach Lübeck gekommen, um in einem Festakt die Geburtsstunde einer Universität zu begehen, deren Gründung den „Beginn eines neuen Kapitels der Lübecker Geschichte“ markiert, wie Stadtpräsident Gaul es 1964 formuliert. Wie sich die medizinische Akademie, liebevoll aber bestimmt „Tochter“ der Christian-Albrechts-Universität Kiel genannt, entwickeln wird, weiß zu diesem Zeitpunkt keiner der Anwesenden. Nach viereinhalb Jahren umfangreicher Vorbereitungen, die nicht zuletzt als reich an Auseinandersetzungen über die Finanzierung und – vor allem – den Status der Hochschule beschrieben werden, blicken die Redner in stolzer Erwartung auf die Entwicklung des „jüngsten Kindes der CAU” und hoffen, es “möge einst eine strahlende Tochter werden“, lautet es weiter in den Lübecker Nachrichten vom 4. November 1964. Man beglückwünscht sich, den „Standort Lübeck mit Geschick ausgesucht zu haben, zumal diese Stadt eine große Tradition und ein wertvolles kulturelles Erbe aufzuweisen habe.“

Kiel und Lübeck – Alte Liebe

Die Kieler Einwände sind allerdings nicht zu überhören: Wie die Lübecker Nachrichten weiter schreiben, betont der Rektor der CAU Kiel, Prof. Hoffmann, „der Weg zur Gründung sei dornenreich gewesen. Auch in Kiel habe man oftmals gezweifelt, ob er der richtige sei. Nun, da die Würfel gefallen seien, erkenne man es aber an.” Der Kieler Rektor kommt nicht umhin, mit leisem Widerwillen zu bemerken: „Eine gewisse Eigenständigkeit der Lübecker Anstalt sei unverkennbar zu spüren“. Wer hätte gedacht, dass das “jüngste Kind“ der Kieler Universität sich als so eigenständig erweisen würde? Nicht einmal zehn Jahre nach ihrer Gründung wird die “Zweite medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel” zur “Medizinischen Hochschule Lübeck.” Innerhalb der ersten zwanzig Jahre vervierzigfacht sich die Studentenzahl. Nach weiteren zehn Jahren wird die Universität um den Fachbereich Informatik erweitert. Seitdem wachsen Studenten- und Studiengangszahlen exponentiell. Spätestens mit “Lübeck Kämpft” behauptet sich die Universität 2010 entgültig gegenüber der Uni Kiel.

Früher war alles anders

Für die 14 Medizinstudenten, die sich im Wintersemester 64/65 zur klinischen Ausbildung nach Lübeck wagten, ging mit den Eröffnungsfeierlichkeiten das Abenteuer erst richtig los. Wie studierte es sich an einer neugegründeten Universität in den 60ern? Wenn auch provisorisch eingerichtet: die Mensa bot dem guten Dutzend Neuankömmlingen mit 110 Sitzgelegenheiten wesentlich mehr Platz, als die heutige Mensa uns 3704 Studenten plus Fachhochschülern bietet. Das Essen kam vorerst aus der Krankenhausküche. Für den AStA wurden ein Arbeits- und ein Besprechungsraum eingerichtet. Bis 1965 das Jugenddorf Anschützstraße gebaut wurde, fanden die ersten Lübecker Medizinstudenten ein eigens für sie reserviertes Zimmer im Wohnheim der staatlichen Ingenieurschule. Wesentlicher Bestandteil des neuen Lübecker Ausbildungskonzeptes war der Unterricht am Krankenbett. Die Dauer der praktischen Ausbildung während der Semesterferien belief sich auf vier Wochen. Außerdem sollten Arbeitsgemeinschaften aus Studenten und Dozenten gebildet werden – was in Anbetracht der Tatsache, dass es wesentlich mehr Lehrende als Studierende gab, ein Leichtes war. Wer im Klinischen Abschnitt die Fächer der Vorklinik vermisste, der konnte sich darüber freuen, dass die „Fortsetzung der physikalisch-chemischen Ausbildung über das Physikum hinaus“ fest im Curriculum verankert war. Vorlesungen fanden sowohl im damaligen Krankenhaus Süd als auch Ost statt. Innerhalb der 15-minütigen Pausen zwischen den Vorlesungen vom einen Krankenhaus zum anderen zu gelangen, war eine echte Herausforderung. Bis ein Shuttle-Bus der Stadtwerke eingerichtet wurde, nahmen Dozenten die Studenten nicht selten einfach im eigenen Auto mit.

In den letzten 50 Jahren hat sich auf dem Campus Lübeck also einiges getan. Nur der Grundgedanke, den Lübecks Stadtpräsident am 3. November 1964 im Audienzsaal des Rathauses formulierte, ist hoffentlich der gleiche geblieben: „Mögen die jungen Menschen hier in Lübeck erfüllt werden von hoher beruflicher Auffassung und ausgezeichnetem Können und von der schlichten Menschlichkeit zugleich, die sich im Helfen und Dienen an den Mitbürgern erfüllt.”

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