Wenn wir mit unserem Studium fertig sind – woran werden wir uns erinnern? 
Sicher werden die großen politischen Ereignisse, die unsere Uni zu unserer Studienzeit bewegt haben, einen großen Teil unserer Erinnerung einnehmen. 
Hauptsächlich werden wir uns aber an unsere persönlichen Erfahrungen erinnern.

Hinter diesem Häuschen wartet ein Obstgarten auf die Ernte.

“Gaudi-Med” – Fastnachtsparty im Zentrum in der Alfstraße.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="640"]


Wir werden uns an unsere Ankunft in Lübeck erinnern: An unsere Vorwoche und die Wohnungssuche – unzählige WG-Castings, Stress mit dem Studentenwohnheim und endlose Renovierungsarbeiten. 
Auch Johannes Hoffmann, der 1973 für den klinischen Abschnitt seines Medizinstudiums von Mainz nach Lübeck kam, erinnert sich an Wohnungsprobleme: “Einige von uns Neuen sind dann in Räumlichkeiten des damaligen Lysia-Hotels untergekommen. Aber als wir dort dann anfingen, mit unseren Tauchsiedern auf den Tischen zu kochen, wurden wir vorsichtig hinauskomplimentiert. Für uns war das natürlich trotzdem eine tolle Unterkunft – und das kostenlos.”

“Als wir uns dann etwas anderes suchen müssten, haben wir bei einer Großfamilie mit vier Kindern und zwei Hunden gewohnt. Die Familie war finanziell in Bedrängnis geraten und musste Zimmer vermieten […]. Wir gehörten dort wirklich zur Familie. Diese sehr herzliche Aufnahme hat uns gut gefallen, das hat schon Eindruck auf uns gemacht! Die beiden Eltern gingen dann morgens früh zur Arbeit und wir haben uns um Frühstück und Schulbrote für die Kinder gekümmert, dafür hat die Mutter unsere Wäsche gewaschen. Noch dazu hatte die Familie einen Pool, das war super – besonders weil unser erster Sommer in Lübeck ein Jahrhundertsommer war. Nach dem Frühstück am Pool haben wir uns dann so gegen zwölf auf den Weg in die Mensa gemacht…”

Eckart de Bary, der gemeinsam mit Johannes Hoffmann nach Lübeck kam, erinnert sich an eine noch bemerkenswertere Wohnsituation: “Als ich nach dem Studium in der Kinderklinik gearbeitet habe, da wohnte ein junger Mann in der Neuropädiatrie. Der wohnte da – in einem Patientenzimmer. Er war der Sohn eines Lübecker Gesundheitssenators oder über andere Ecken mit diesem verbandelt; jedenfalls war er dort zur Berufsfindung aufgenommen worden. Er ging morgens weg, machte mal hier und mal dort ein Praktikum, kam abends wieder und schlief dann da. Das ging mindestens ein Dreivierteljahr so. Das muss man sich mal vorstellen.”

Wir werden uns auch an die kleinen Dinge erinnern, die uns den Uni-Alltag versüßt haben – daran, wie wir uns im Sommer immer mit einem Eis aus der Mensa, natürlich mit viel Streuseln, in den Carlebachpark gesetzt haben oder im Winter gemeinsam Kakao getrunken haben. 
Dr. Eggers, der im Oktober 1974 hierher kam, erinnert sich: “Eine Sache fand ich für uns Studenten sehr schön. Und zwar gab es in der Mensa, die damals noch in der Baracke, die jetzt gerade abgerissen worden ist, untergebracht war, zwei große Kannen mit Buttermilch zur freien Verfügung. Man konnte sich dort hinsetzen, Zeitung lesen und dazu kostenlos Buttermilch trinken. Das habe ich sehr gerne gemacht, denn Durst hatte ich immer. Ich fand es gemütlich, konnte mich dort mit den Kommilitonen treffen, in Ruhe lesen oder klönen und dazu Buttermilch trinken.”

Johannes Hoffmann erzählt zu seinem Studentenausweis: "Ich hielt mich damals in Istanbul auf (daher der türkische Studentenausweis) und war unterwegs nach Indien. Die Haar- und Bartpracht war durchaus von Vorteil, im Nahen und Mittleren Osten fiel ich nicht als Ausländer auf."

Johannes Hoffmann erzählt zu seinem Studentenausweis: “Ich hielt mich damals in Istanbul auf (daher der türkische Studentenausweis) und war unterwegs nach Indien. Die Haar- und Bartpracht war durchaus von Vorteil, im Nahen und Mittleren Osten fiel ich nicht als Ausländer auf.”[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="640"]


Dass wirklich immer Durst da war, kann Johannes Hoffmann nachvollziehen: “Oh ja, im Zolln, da waren wir immer nach dem Sport. Direkt gegenüber ist ja die Turnhalle – und im Zolln konnte man danach die verlorene Flüssigkeit wieder auffüllen. Das war damals schon ein wichtiger Ort der Kommunikation.” Zu seiner Zeit gab es in der Innenstadt auch noch einen anderen studentischen Kommunikationsort. De Bary erzählt: “Das Zentrum war ein Studentenzentrum in der Alfstraße, finanziert von den Freunden und Förderern der MAL. Im Grunde war es eine kaum genutzte Kneipe mit einer kleinen Küche und einem Probenraum zum Musikmachen. Als wir `73 gekommen sind, hieß es, das Zentrum solle zugemacht werden, weil es zu teuer sei. Der Besitzer hatte wohl die Miete erhöht, das war alles ziemlich undurchsichtig. Das Studentenwerk kam schließlich mit ins Boot und hat die Nebenkosten übernommen, die höhere Miete sollte dadurch wieder reinkommen, dass wir mehr Leute auf das Zentrum aufmerksam machten, die dort hinkommen sollten. Wir haben dann auch an der Fachhochschule und der Musikhochschule Reklame gemacht, damit das Zentrum kein ‘elitärer Medizinerclub‘ war, sondern ein wirklich breites Besucherspektrum hatte. Freitags und samstags spielten dort Bands, dann wurde es richtig voll. Manchmal gab es auch Events wie das ‘Gaudi-Met‘, das Fastnachtsfest. Das ging von Freitag Abend bis Montag Früh – es war durchgehend geöffnet. Da war es wirklich so, dass, wenn neue Leute ins Gebäude wollten, woanders vorher welche rausgehen mussten. Beim ersten Mal, als wir das richtig groß aufgezogen haben, da mussten wir Sonntag Morgen noch losfahren, unseren Bierlieferanten rausklingeln und noch ein paar Fässer Bier nachholen. Das war das Zentrum. Als wir 76 mit dem Studium aufgehört haben, lief das noch ein, zwei Jahre weiter, doch dann wurde es dichtgemacht.”

Heute haben wir ja zum Glück den ,Engel‘ mit mindestens genau so gut besuchten Konzerten wie damals im Zentrum. Nach langen Semesterferien außerhalb von Lübeck treffen wir dort unsere Kommilitonen wieder, tauschen Praktikums- und Urlaubserfahrungen aus und trinken literweise Mexikaner.

Wir werden uns nach dem Studium auch an unsere Ausflüge und Auslandserfahrungen erinnern – an Fachschaftsfahrten, Medimeisterschaften und unsere Erasmus-Zeit. Dr. Peter Delius, der 1980 für den klinischen Abschnitt seines Medizinstudiums nach Lübeck kam, erinnert sich an “eine Fahrt nach Bergen als Studienvertreter, eingeladen von der dortigen Universität im Rahmen der bestehenden Partnerschaft.” Er erzählt: “Wir waren ungefähr 20 Studierende und wurden dort empfangen wie die Könige, wie die Vertreter der Hanse in einer Hansekolonie. Wir waren sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft und all dem, was unsere Gastgeber uns geboten haben, und sehr beschämt, als sich später herausstellte, dass die norwegischen Studenten ein halbes Jahr vorher da gewesen waren und keiner sie beachtet hatte. Sie waren in einer Jugendherberge untergebracht worden und hatten große Schwierigkeiten, überhaupt Anschluss zu finden. Das spiegelte – historisch gesehen – vielleicht ein bisschen das Verhältnis von Lübeck, der Königin der Hanse, zu seiner kleinen norwegischen Kolonie in Bergen wider. Das war jedenfalls etwas, was mir bleibend in Erinnerung geblieben ist.”

Studieren war also schon immer etwas besonderes – und manchmal lernt man dabei auch was.

Noch keine Kommentare, sei der Erste!