Kunst im öffentlichen Raum ist die nach Behördensprache klingende Bezeichnung für Kunstwerke, die auf Plätzen und an Wänden in der Stadt stehen, Kunst die jeder sehen kann ohne eine Museumskarte zu lösen. Auch der Campus der Uni Lübeck beherbergt einige solche Kunstwerke, die Studenten jeden Tag sehen. Doch wie diese Kunstwerke heißen, wer sie wann erschaffen hat und was sie bedeuten könnten, sind schwer zu beantwortende Fragen, denn Kunst im öffentlichen Raum hat selten eine Plakette, sie spricht üblicherweise für sich selbst. In Lübeck kann man allerdings auch online nach mehr Informationen suchen: Das Kulturbüro der Hansestadt Lübeck hat unter http://www.kunst-luebeck.de Informationen über die Kunstwerke der Hansestadt zusammengetragen.

Ende Oktober 2012 fand die Lichtwand ihr neues Zuhause vor der Bibliothek

Ende Oktober 2012 fand die Lichtwand ihr neues Zuhause vor der Bibliothek.[media-credit id=14 align="aligncenter" width="640"]


Das prominenteste Kunstwerk auf dem Campus der Uni Lübeck ist sicherlich zwischen Mensa und Bibliothek zu finden. Das Kunstwerk aus Metall findet sich an einem zentralen Platz zwischen den von Fachhochschul- und Universitätsstudenten genutzten Gebäuden nicht weit vom Audimax, trägt den Titel „Lichtwand“ und wurde vom aus Leverkusen stammenden Günter Ferdinand Ris geschaffen und 1981 für den Campus angeschafft. Ursprünglich zwischen Mensa und dem Parkplatz an der Marie Curie-Straße angesiedelt zog das Bauwerk zum Bau des Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM, Gebäude 66) an seinen neuen Standort. Ris hat viele solche Lichtwände erschaffen, welche das Umgebungslicht durch unterschiedliche verschwungene Formen und Linien reflektieren und damit je nach Tageszeit dem Platz auf dem sie sich befinden einen anderen Eindruck geben. Viele dieser Lichtwände haben auch eine interne Beleuchtung, so auch die auf dem Campus, allerdings wird sie nicht genutzt. Dies ist übrigens nicht das einzige Kunstwerk von Günter Ferdinand Ris in Lübeck: Am Freizeitzentrum Moislinger Mitte findet sich eine ähnliche Arbeit namens Flächenraum. Das Kunstwerk auf dem Lübecker Campus wurde im Zuge der Bauarbeiten an der Mensa durch das Landesbauamt Lübeck gestiftet. Doch die Lichtwand ist nur eines von sehr vielen öffentlich zugänglichen Kunstwerken auf dem Campus von FH und Uni, insgesamt finden sich 14 Kunstwerke unterschiedlichster Größen.

Von welchem Geld und warum?

Vor dem Atrium der Fachhochschule begegnet uns „Aufsteigende Form“ von Gerhard Brandes. Eine der ältesten Skulpturen auf dem Campus der beiden Hochschulen wurde 1970 geschaffen und ist ein Werk aus der abstrakten Periode des 1923 in Frankfurt geborenen Brandes. Brandes, der eigentlich für naturgetreue Tier und Menschenskulpturen bekannt wurde, schuf in den siebzigern zunehmend abstrakte Werke, die nur noch in ihren Formen an Natürliches erinnern. „Aufsteigende Form“ lässt Züge eines Vogels erkennen, reduziert diese jedoch auf minimale Geometrie.

Ebenfalls auf dem Geländer der FH finden sich die Seezeichen von Rolf Goerler. Sie sind die einzigen Werke aus Holz auf dem Campus und wurden 1972 geschaffen. Sie stehen vor dem Fachbereich Bauwesen (Gebäude 14). Rolf Goerler, der eigentlich Schiffsbauingenieur werden wollte, schuf immer wieder Werke mit Bezug zur See. Von 1977 bis zu seinem Tod 2006 hatte er ein Atelier in Lübeck, die Stadt verdankt ihm über 20 Kunstwerke im öffentlichen Raum, darunter auch der vor der Marienkirche sitzende Teufel.

Doch warum steht eigentlich so viel Kunst auf dem Campus? Die Investitionen das Landesbauamts sind mitnichten freiwillig. Tatsächlich gibt es eine Richtlinie, die besagt dass alle Bauträger, die mit Geldern des Landes bauen, 0,5 bis 1,7 Prozent der Kosten in Kunst investieren sollen. Auf dem Campus wird üblicherweise mit Landesgeldern gebaut. Der Bund und andere Länder haben ähnliche Richtlinien erlassen. Eine 2004 angefertigte und im Internet veröffentlichte Analyse des Stralsunder Künstlers Frank Raendchen zeigt aber, dass die tatsächlichen Ausgaben für Kunst meist deutlich geringer sind. Wie wichtig die Einhaltung der Richtlinie der Landesregierung ist, merkt man eventuell daran, dass die aktuelle Fassung des Erlasses „Kunst im öffentlichen Raum“, die 2012 in Kraft trat, auf der Website des Landes noch in D-Mark ausweist, wie viel Geld in Kunst zu gehen hat.

Ein Krankenhaus und seine Kunst

Neben dem Personalcasiono des UKSH kann der geneigte Student „Kreis – Halbkreis extern“ des 1925 in München geborenen Alf Lechner finden. Wie die Lichtwand ist auch dieses Kunstwerk aus Stahl, neben Beton ein beliebtes, weil wetterfestes, Material für öffentliche Kunstwerke. Lechner begann 1957 mit dem Fertigen von abstrakten Stahlskulpturen, für die er in den Folgejahren immer wieder ausgezeichnet wurde. Das auf dem Campus befindliche Werk schuf er 1989. „Kreis – Halbkreis extern“ ist in seiner Struktur vielen Lechner-Werken, die sich auch in Hannover, Ingolstadt, Berlin oder Kiel finden, ähnlich. Kreise und Halbkreise, oft gepaart mit geraden Linien, gefertigt aus Stahl, finden sich immer wieder. Oft setzt Lechner sie auf Wiesen inmitten der Natur eines Parks ein und kontrastiert die strikte Geometrie mit ihrer Umgebung. Lechner selbst sagt, er möchte „durch planmäßige Zerlegung, Verbiegung und Neuordnung der Teile einer einfachen Form systematisch geordnetes Denken […] sinnlich wahrnehmbar machen.“

Wer von Lechners Werk aus ins Klinikum, die Treppe hinauf- und den langen Hauptgang des Klinikums entlanggeht, trifft auf Hans Pierre Schumanns „Architektonischer Vogelturm“. Schumann wurde 1919 geboren, lernte Steinmetz und wurde nach dem zweiten Weltkrieg Künstler. Auf der Internationalen Biennale in Carrara erhielt er 1969 den ersten Preis für eine Marmorskulptur namens „Madonna Nera“. Zu seinen zentralen Themen gehört die Aneinanderreihung von geometrischen Formen zu abstrakten Gebilden sowie die Tierdarstellung. Beides findet sich in seinem Vogelturm von 1988. Die Bronze zeigt einen Turm aus geometrischen Formen, auf dessen Spitze zwei Vögel, bereit zum Abflug, die Flügel ausstrecken.

Der Vogelturm ist nur eines von mehreren im Zentralgang des Klinikums präsentierten Werken. „Eingriff“ von Ben Siebenrock, „Menschengruppe“ von Heinrich Brand, „Spiegelprisma“ von Hans-Martin Ihme und „Fließender Schwerpunkt“ von Walter Arno sind weitere, zu denen sich ebenfalls auf der Lübecker Kunstwebsite Informationen finden lassen.

Hans Pierre Schuman ist auf dem Campus noch ein zweites Mal vertreten, vor dem Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften (Gebäude 13) der Fachhochschule steht sein Werk „Freiplastik“, welches er 1977 schuf.

Freiplastik von Hans Pierre Schuman auf dem Campus der Fachhochschule

Freiplastik von Hans Pierre Schuman auf dem Campus der Fachhochschule.[media-credit id=14 align="aligncenter" width="640"]

Nur eine einzige Künstlerin

Etwas versteckt, nahe des Stadtbäckers hinter dem Frisörsalon findet sich das Einzige Kunstwerk auf dem Campus von FH und Uni, das eine Frau geschaffen hat. „Tänzerin“ von Jutta Reichelt ist im Lichthof des Klinikums zu finden, der im Sommer mit Stühlen und Tischen zum entspannen einlädt. Die Bildhauerin Jutta Reichelt wurde 1955 in Gifhorn geboren, heute lebt sie in Boklund und arbeitet bevorzugt an Bildern oder Skulpturen zu den Themen Akte, Pferdedarstellungen und Sumo-Ringer. Die „Tänzerin“ ist ersteres.

Direkt vor dem Eingang des Zentralklinikums findet sich eine der neusten Anschaffungen des Universitätscampus. „Miteinander“ von Jo Kley, der 1964 in Ulm geboren wurde, ist eine Granitskulptur, welche zwei Delfine auf einer Welle zeigt. Der extra aus Norwegen importierte Granitblock, aus dem die beiden Delfine auf der Welle entstanden, soll das Wesen der Darstellung widerspiegeln. Miteinander, wie die Delfine, sollen auch die Betrachter handeln.

Freiplastik von Hans Pierre Schuman auf dem Campus der Fachhochschule

Freiplastik von Hans Pierre Schuman auf dem Campus der Fachhochschule.[media-credit id=14 align="aligncenter" width="640"]

Beton-Tomografie

Verlässt man das Klinikum, folgt dem Weg geradeaus und biegt beim Transitorium ab in Richtung Haupteingang des Universitätscampuses, findet sich dort „Creare“, das 1977 geschaffene Werk der Künstler Gerhard Backschat und Erich Lethgau. Dem Namen entsprechend zeigt das aus Beton geschaffene Werk 19 wachsende Schichten, die in ihrer Form an die Bilder einer Tomografie erinnern sollen. Das Werk steht zwischen Transitorium und dem Hörsaal T1. Das Hörsaalgebäude wurde zum Kunstwerk hin mit Farben und Formen bemalt, welche sich im Kunstwerk wiederfinden. „Creare“ wurde, wie auch die Lichtwand, vom Landesbauamt gestiftet.

Das älteste öffentliche Kunstwerk findet sich übrigens an der Fassade der Hamburger Häuser, der Stadtbäckerei gegenüber. Die Portalplastiken an Haus 12 und Haus 13 wurden vom 1880 geborenen Richard Emil Kuöhl zum Bau der Häuser 1929 geschaffen. Kuöhl, der in den 20er und 30er Jahren zu den meistbeschäftigten Künstlern Hamburgs gehörte, dürfte auch einer der umstrittensten der auf dem Campus vertretenen Künstler sein. In der NS-Zeit arbeitete er für die Machthaber und schuf monumentale Kunstwerke, darunter das Kriegerdenkmal am Dammtorbahnhof in Hamburg. Trotz seiner Anpassung gelang ihm nach 1945 ein Neuanfang in Deutschland. Bis zu seinem Tod 1961 schuf er größtenteils christlich inspirierte Kriegsdenkmäler. Auch sein Grabmal auf dem Friedhof in Bad Oldesloe gestaltete er selbst.

Natürlich gibt es auf dem Campus mehr Kunst zu entdecken als die Website ausweist. Da wäre das große Steinwappen der Universität im Eingang des Transitorium-Hörsalgebäudes oder das stilisierte Pixel-Auge über dem Eingang der Mensa. Nahe des Stadtbäckers findet sich eine Sammlung historischer Grenzsteine, die an unterschiedlichen Stellen des Geländes gefunden wurden. So etwas wie ein Naturdenkmal ist der Findling am See hinter Gebäude 84. Nicht zu vergessen ist auch die leider nur temporäre Pac-Man-Straßenmalerei vor der Mensa. Das derzeit neuste Kunstwerk steht neben dem AStA der Uni Lübeck: der Ersti-Wochen-Totempfahl. Als ein Kunstwerk in der Entstehung soll es über die nächsten Jahre von allen Ersti-Wochen-Kerngruppen erweitert werden und ein öffentliches Dokument der Ereignisse rund um die wildeste Woche des Jahres darstellen.

Street Art auf dem Campus. Pac-Man und der temporäre Zebrastreifen.

Street Art auf dem Campus. Pac-Man und der temporäre Zebrastreifen.[media-credit id=51 align="aligncenter" width="640"]

Interessiert?

Wer nun Interesse an Kunst im öffentlichen Raum hat, kann auf kunst-luebeck.de Informationen zu über 400 öffentlichen Kunstwerken finden, dazu einige Spaziergänge mit Audio-Touren und Informationen zu weiterführender Literatur. Eines verrät auch die Website allerdings nicht: Wie viel die Kunstwerke die jeweiligen Stifter oder Käufer gekostet haben.

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