Seit September gibt es Neuigkeiten in der Informatik an der Uni: Prof. Dr. Nicole Jochems ist von der RWTH Aachen an das Institut für Multimediale und Interaktive Systeme (IMIS) gewechselt und bereichert das Institut damit um eine zweite Professur. Zugleich ist sie die erste Professorin des Fachbereichs Informatik an der Universität. Ab dem nächsten Semester wird es an der Uni neben den bereits existierenden Studiengängen zudem noch den Studiengang Medieninformatik geben, der durch das IMIS maßgeblich geprägt werden wird. Anlässe genug also, einmal nach dem Stand der Dinge zu fragen und Frau Jochems hier in Lübeck zu begrüßen.

„Von Printen zu Marzipan.“ Prof. Dr. Nicole Jochems beginnt ihre Arbeit an der Uni.Albina Schütz

„Von Printen zu Marzipan.“ Prof. Dr. Nicole Jochems beginnt ihre Arbeit an der Uni.

StudentenPACK: Viele Studenten wissen noch nicht, dass wir mit Ihnen dieses Semester ein neues Gesicht an der Uni begrüßen dürfen. Können Sie sich einmal in ein paar Sätzen vorstellen?

Prof. Dr. Nicole Jochems: Ich bin 34 Jahre alt und komme ursprünglich aus Aachen. An der dortigen RWTH habe ich Informatik mit dem Nebenfach Psychologie studiert. Ich habe mich schon immer für Mensch-Maschinen-Interaktion interessiert und habe meine Diplomarbeit im Bereich Datenbanken geschrieben. Nachdem ich ein halbes Jahr auch an einem Informatik-Institut gearbeitet habe, bin ich intern von der Informatik zur Fakultät für Maschinenwesen zum Institut für Arbeitswissenschaften gewechselt, wo ich gleichzeitig anfing, zu promovieren. Seit September bin ich hier am Institut für Multimediale und Interaktive Systeme an der Uni Lübeck tätig. Im November bin ich auch mit meiner Familie hierher hin umgezogen.

PACK: Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus?

Jochems: Ganz unterschiedlich. Es kommt darauf an, welche Termine gerade anstehen. Ich habe dieses Jahr hier am Institut die Vorlesung „Mensch-Computer-Interaktion“ übernommen und die auch komplett neu gestaltet. Wenn also eine Vorlesung ansteht, ist am Montagmorgen ein wenig Vorbereitung für die Vorlesung notwendig. Die Medieninformatik soll ab dem nächsten Wintersemester ein eigener, neuer Studiengang werden, wofür es noch viel zu tun gibt. Ich arbeite gerade an Beschreibungen, Studienplänen und Akkreditierungen für die internen Abstimmungen im Senatsausschuss. Ansonsten sind noch Bachelorarbeiten zu betreuen und ich arbeite auch noch daran, mein eigenes Forschungsprojekt einzubinden und daran dann auch hier zu arbeiten.

PACK: Können Sie uns noch etwas zu dem neuen Studiengang sagen? Was wird sich ändern?

Jochems: Der Medieninformatik-Studiengang wird von der Informatik entsprechend entkoppelt. Wir beabsichtigen aber nicht, weg von der Informatik zu gehen, einige Vorlesungen werden also wie bisher gemeinsam mit den anderen Informatikstudenten stattfinden. Geplant sind aber zwei Schwerpunkte: Zum einen wollen wir einen psychologischen Schwerpunkt unterbringen. Wie die medizinische Informatik eine Verknüpfung zwischen Medizin und Informatik ist, wird die Medieninformatik eine Verknüpfung zwischen der Psychologie und der Informatik sein. Bisher war der psychologische Schwerpunkt im Informatikstudiengang mit dem Anwendungsfach Medieninformatik nur wenig vertreten, weil es aufgrund des Mehraufwands gar nicht möglich gewesen wäre, diesen auch noch unterzubringen. Da wir jetzt diesen neuen Schwerpunkt vertiefend behandeln werden, wird auch das ein oder andere Fach in der Informatik wegfallen, damit die Studierenden nicht zu viele Vorlesungen besuchen müssen. Im späteren Master wollen wir uns dann ganz klar auf die Projektarbeit fokussieren. Wir haben dafür einige größer Projekte geplant, in denen die Studenten wirklich zu verschiedenen Themen in Teams arbeiten können. Das sind die wesentlichen Unterschiede zum aktuellen Studienplan.

PACK: Warum haben Sie sich entschieden, sich hier in Lübeck auf die Professur zu bewerben?

Jochems: Ich habe mich beworben, weil diese Professur sehr gut zu meinem aktuellen Arbeitsumfeld passt. Thematisch passt die Arbeit hier sehr gut zu dem, was ich schon in Aachen gemacht habe. Ich gebe zu, ich war noch nie zuvor in Lübeck. Als ich mir Lübeck dann angeschaut habe, haben mir die Stadt und die Uni sehr gut gefallen. Die RWTH Aachen ist mit etwa 40.000 Studenten vergleichsweise groß, hier fand ich den eher familiären Charakter sehr schön. Es bietet die Möglichkeit, Studierende auch mal ein bisschen besser kennen zu lernen, insbesondere hier am Institut. Das entsprach genau meinen Vorstellungen.

PACK: Lübeck ist ja auch für sein Marzipan bekannt, war das vielleicht auch ein Grund?

Jochems: Aachen ist ja bekannt für seine Printen, also bin ich jetzt quasi von Printen zu Marzipan gewechselt. Ist beides okay.

PACK: Was ist Ihr erster Eindruck von der Universität?

Gebäude 64: Ein neuer Arbeitsplatz an der Uni Lübeck.Lukas Ruge

Gebäude 64: Ein neuer Arbeitsplatz an der Uni Lübeck.

Jochems: Mir gefällt das Familiäre sehr gut, man kennt sich schnell untereinander, man findet sehr schnell die richtigen Ansprechpartner. Auch sehr schön sind die kleinen Kurse. Es ist ein großer Vorteil, da man so besser mit den Studierenden arbeiten und die Veranstaltung interaktiver gestalten kann.

PACK: Ihre bisherigen Arbeiten befassten sich ja mit der „altersdifferenzierten Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen“. Ist das weiterhin Ihr Schwerpunkt oder haben Sie noch etwas ganz anderes geplant?

Jochems: Es wird auf jeden Fall ein Schwerpunkt bleiben, da es thematisch auch gerade ein ganz wichtiges Thema ist. Der demographische Wandel ist in aller Munde, weshalb dieses Thema auch zukunftsweisend sein wird. Ich habe in diesem Schwerpunkt bereits promoviert und auch mehrere Projekte geleitet. Der Plan ist, auch hier am Institut dafür eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen, also eine kleine Forschergruppe. Natürlich heißt das nicht, dass damit kein anderes Thema behandelt werden wird, wir werden da forschungstechnisch also weiterhin auch in die Breite gehen.

PACK: Was interessiert Sie so an diesem Thema?

Jochems: Ich finde es spannend. Es hat einen großen Anwendungsbezug, gerade weil es auch immer mehr ältere Menschen gibt. Manche Menschen sagen: „Okay, die können dann jetzt mit dem System nicht umgehen.“ Ich sehe das nicht so. Ich denke eher, dass solche Systeme dann einfach nicht richtig konzipiert worden sind. Ich finde es einfach spannend, die komplette Benutzergruppe zu betrachten, nicht nur die Älteren. Die sind zwar der Ausgangspunkt, aber genau so müssen auch andere Benutzergruppen wie Erwachsene und Kinder und die Unterschiede zwischen ihnen betrachtet werden. Man kann das optimieren und da kommen dann manchmal auch sehr spannende Ergebnisse raus, die nicht nur für die älteren Benutzer gut sind. Auch jüngere können davon profitieren, wenn man alles einmal ergonomischer anpasst.

PACK: Nach 20 Jahren sind Sie die erste Professorin für Informatik hier an der Uni Lübeck.

Jochems: Ja, ist mir auch schon aufgefallen.

PACK: Woran glauben Sie liegt es, dass Informatik noch immer so eine starke Männerdomäne ist?

Jochems: Dass ich jetzt die erste Informatikprofessorin bin, kann ich mir auch nicht so wirklich erklären. Es ist aber ganz klar, dass weniger Frauen anfangen, Informatik zu studieren, und damit die Quote derjenigen, die dann weitermachen insgesamt geringer ist. Und natürlich dann auch die Anzahl derer, die den Weg zu einer Professur einschlagen. In Aachen habe ich damals mit 700 Studenten angefangen und wir waren fünf Studentinnen. Im Hauptstudium waren wir später nur noch zu zweit und wenn nur eine davon sagt, „ich möchte in die Wissenschaft gehen“, dann sind das ja schon 50 Prozent. Wenn ich das damals nicht gemacht hätte, wäre aus meinem Jahrgang keiner mehr gewesen, der in die Wissenschaft gegangen wäre. Selbst von den ganzen Wissenschaftlern an den Instituten, die da promovieren, gehen auch eher wenige noch einen Schritt weiter. Demnach gibt es natürlich am Ende auch weniger Frauen, die diesen Schritt noch machen. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass mir irgendwelche Steine in den Weg gelegt werden. Ich denke, wenn man das machen will, auch als Frau, geht das.

PACK: Was war Ihre Motivation, Informatik zu studieren?

Jochems: Die kam eigentlich eher aus der mathematischen Richtung. Mathematik hat mir in der Schule schon sehr gelegen und viel Spaß gemacht, fand es dann aber ein bisschen zu langweilig, um es als Hauptfach zu studieren. Deshalb habe ich mich dann für Informatik entschieden.

PACK: Waren Sie eine gute Schülerin?

Jochems: In den Naturwissenschaften war ich gut, in den anderen Fächern normal.

PACK: Eine Frage zur Medieninformatik: Es gibt eine Menge Studenten, die das Bild haben: „Medieninformatik ist doch eigentlich nur ein Laberfach“. Was würden Sie diesen Menschen antworten?

Jochems: Ich würde denen antworten, dass das Problem an der Medieninformatik für die Studenten teilweise ist, dass sie denken, es leicht verstehen zu können, im Vergleich zur Mathematik zum Beispiel. Wenn ich das in den Vorlesungen vortrage denkt man relativ schnell, dass das alles klar ist, es wird aber häufig nicht richtig verstanden, was wirklich dahinter steckt und dass die Medieninformatik auch wirklich zum Einsatz kommt. Die Studenten können die Medieninformatik erst richtig einsetzen, wenn sie in Projekten nutzen können, was sie gelernt haben. Ich versuche gerade auch deshalb, in der Mensch-Computer-Interaktion-Vorlesung Beispiele zu machen, damit man das theoretische Wissen auch ein bisschen anwenden kann. Und ich denke, dass gerade in den Bachelorarbeiten für die, die Medieninformatik für ein Laberfach halten, der große Knall kommt, weil sie die Inhalte der Medieninformatik nicht verstanden haben. Durch den neuen Studiengang soll insbesondere im Master durch die Projektarbeit dieses Wissen vermittelt und vertieft werden. So kann man den Studierenden dann auch besser klarmachen, was Medieninformatik ist.

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