Die Zeit des Weihnachtsmarktes ist gekommen und Lübecks Altstadt verwandelt sich, in alljährlicher Tradition, in einen überbevölkerten Hüttenwald. Alles begann ganz unscheinbar: Langsam zogen sich Lichterketten über den Marktplatz und bald erschien unter diesem leuchtenden Spinnennetz ein überdimensionaler Weihnachtsbaum und ein paar einzelne Hütten aus Holz begannen, wie von Geisterhand zu entstehen. Unter ihnen findet man die Hütten, durch die man sich durchschlängeln muss am Anfang vom zweiten Gang, die Hütten diverser alkoholischer Warmgetränke am Ende des Platzes wo die Toiletten stehen und die vielen Wurstbuden einfach überall.

Also alles wie immer. Und wie auch schon die Jahre zuvor begannen die Hütten sich langsam auszubreiten. Einige von ihnen tauchten in der Fußgängerzone auf, zwangen allmählich die übliche Menge von Passanten, welche Tag und Nacht, sieben Tage die Woche die Breite Straße in einen Ort des Lärms verwandeln, sich nun noch gedrängter voran zu schieben. Ein Ort, welcher seit kurzem direkt vor meiner neuen Haustür liegt. Einmal umfallen und schon bin ich auf dem Weihnachtsmarkt. Zuerst fand ich es ganz schön. Als Besucher ist der Weihnachtsmarkt angenehm, diese besinnliche Atmosphäre, weihnachtliche Gerüche und Menschen, die wie jedes Jahr Glühwein nippen. Doch als Anwohner, der jeden Tag mit seinem Rad durch das ganze Gewühl will, um zur Uni oder einem anderen Ort zu gelangen, wird das Ganze ab dem Moment unangenehm, da die Hütten den Menschenstrom verengen und die sonst schon volle Straße zu einer träge dahinfließenden, undurchdringlichen Masse von Menschen werden lassen.
Und dann fallen sie mir auf. Rote, kubische Säulen mit Display, vor denen sich mehr und mehr asiatische Touristen sammeln. Bei genauerem Betrachten stellen sie sich als eine geniale Neuerung heraus: es sind Foto-Säulen. Nichtsahnende Touristen stellen sich davor, nehmen ein paar Bilder von sich und ihrem besten Freund auf, wählen anschließend das Beste aus, werfen Geld ein und schon kommt unten ein Bild raus, wie die Automaten im Rossmann, nur mit eingebauter Kamera. Ein genialer Streich, alle haben etwas davon: Asiatische Touristen müssen ihre qualitativ hochwertigen Kameras nicht mehr auspacken, denn es gibt schließlich eine Minderwertige direkt vor Ort, Besucher bekommen ein hochwertiges und qualitatives Andenken für die ganze Gruppe und irgendjemand verdient Geld damit.
Schließlich beginnt der Weihnachtsmarkt und die Hütten fangen langsam an zu öffnen, erst nur ein paar Einzelne ganz verzagt und viel zu früh, noch Tage vor dem offiziellen Start des Marktes, und die Fußgängerzone fing mehr und mehr an zu einer unüberwindbaren Mauer für Fahrradfahrer zu werden. Gab es vorher noch einen trägen Strom, so fingen die Menschen nun an stehen zu bleiben und als Einzelkämpfer hätte ich mich wohl noch mit einem Zehntel meiner Gehgeschwindigkeit hindurch winden können, doch mit einem Rad bewaffnet? Damit ist hier kein Durchkommen mehr.
So fängt es also an, mein Leben auf dem Weihnachtsmarkt.

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