Bald Realität?

Bald Realität? [media-credit id=1 align="aligncenter" width="645"]

Ab 22:01 Uhr bliebe die Kasse bei Bier und Schnaps stumm. Zumindest, wenn es nach den Forderungen des Städtebündnisses Kriminalprävention ginge, zu dem neben Lübeck noch sechzehn andere Großstädte und das deutsche Forum für Kriminalprävention in Wiesbaden gehören. Bis zum nächsten Morgen dürften dann keine alkoholischen Getränke mehr an Tankstellen und Supermarktkassen verkauft werden.

Dadurch sollen vor allem übermäßiger Alkoholkonsum, nächtliche Ruhestörungen durch Trinkgelage und alkoholbedingte Straftaten eingedämmt werden. Seit dreieinhalb Jahren gibt es ein ähnliches Verbot in Baden-Württemberg, das sich nach Ansicht des dortigen Innenministeriums durchaus bewährt hat. „Tankstellen waren landesweit zu Treffs zum Vorglühen für abendliche Partygänge und dadurch auch zu einem polizeilichen Einsatzschwerpunkt geworden. Jetzt gibt es mehr lebenswerten Raum im Umfeld von Tankstellen und eine wesentliche Entlastung der Polizei und für die Menschen, die an Tankstellen wohnen“, berichtet der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD). Selten seien die Auswirkungen eines Gesetzes so deutlich nachzuweisen, stellt CDU-Politiker Thomas Blenke fest, denn an Tankstellen würden seitdem wieder Autos statt Jugendliche betankt.

Zu dieser Zeit hatte bereits die Lübecker Linke ein Verkaufsverbot für Alkohol zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr in einer Resolution an die schleswig-holsteinische Landesregierung gefordert, was aber mit großer Mehrheit im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung abgelehnt wurde. Auf die Frage, ob sich die Einstellung im Ausschuss durch die Entwicklung in Baden-Württemberg geändert habe, antwortet Hans-Jürgen Martens, der Sicherheitspolitische Sprecher der Lübecker Linken: „Leider befürchte ich, dass sich die Einstellung der Rathausmehrheit in Lübeck noch nicht geändert hat. Auch wenn von Experten der Suchtprävention eine gegenteilige Meinung vertreten wird. Alkohol wird bei der Mehrheit der Bevölkerung als Kulturgut verstanden. Ein Eingriff des Staates in die Verfügbarkeit von Alkohol wird von vielen als einen Eingriff in ihre Freiheitsrechte verstanden.“

Ein weiteres Hindernis sieht er in der Lobby des Einzelhandels, die gegen den Vorschlag angeht. Sie vertritt beispielsweise die Tankstellenpächter, die sich auf den zusätzlichen Umsatz, den sie mit dem Verkauf von Alkohol – vor allem, wenn die Supermärkte schon geschlossen haben – erwirtschaften, angewiesen sehen. Eine Tankstellenpächterin aus Konstanz reichte vor drei Jahren eine Klage gegen das Verbot beim Bundesverfassungsgericht ein, da sie ihre Berufsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verletzt sah. Die monatlichen Umsatzeinbußen bezifferte sie auf rund tausend Euro. Das Gericht wies ihre Klage jedoch ebenso zurück wie die einer Privatperson, die sich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt sah. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Schutz von Gesundheit und Sicherheit die Beschränkungen rechtfertige. Hans-Jürgen Martens sieht das ähnlich. Der Umsatzschutz dürfe nicht auf Kosten jüngerer, unerfahrener Menschen gehen, die die Folgeschäden des übermäßigen Alkoholkonsums oftmals nicht überblicken können.

Nun ist es sicherlich nicht schwer, Möglichkeiten zu finden, trotz eines solchen Gesetzes nachts Alkohol zu trinken, seien es Vorratskäufe oder der Einkauf in Läden mit Gaststättenerlaubnis, wie sie etwa Tankstellen mit Bistro erhalten würden. Würden dadurch also die Trinkgelage nicht nur verschoben? Ein Umgehen des Verkaufsverbotes sei ebenso möglich wie der Kauf durch Volljährige für Jugendliche, meint Martens. Er sei dennoch davon überzeugt, dass sich so der Gesamtkonsum verringern ließe, da die nächtliche Verfügbarkeit von günstigem Alkohol nicht mehr gegeben sei. Aufklärung und andere Präventionsmaßnahmen blieben aber weiterhin wichtig. Das Meinungsspektrum zu dem Vorschlag ist bei Lübecker Studenten breit gefächert. Von strikter Ablehnung im Hinblick auf Bevormundung und Verbotswut bis hin zu Zustimmung mit der Aussicht, beim nächtlichen Einkauf nicht mehr angepöbelt zu werden ist alles dabei. Nach 22:00 Uhr noch Alkohol zu kaufen ist bei fast allen aber vielmehr die Ausnahme als die Regel. Vorerst vom Tisch ist offenbar die im letzten Jahr geführte Diskussion um die Einführung einer Sperrstunde für Kneipen und Clubs in Schleswig-Holstein, die vor allem in Kiel für mehr Ruhe in der Innenstadt sorgen sollte.

Ob Lübeck dem baden-württembergischen Beispiel folgt bleibt abzuwarten, fürs Erste wird man hier aber auch weiterhin nachts Alkohol kaufen können. Selbst wenn der Vorschlag des Städtebündnisses Kriminalprävention dieses Mal nicht auf taube Ohren stößt, ist es an den im Landtag vertretenen Parteien, eine mehrheitsfähige Gesetzesinitiative einzubringen. Der gesamte Prozess mit allen Anhörungen und Lesungen bis zum fertigen Gesetz könne laut Hans-Jürgen Martens durchaus über ein Jahr dauern.

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