Kneipentour statt Drei-Gänge-Menü: Willkommen in Lübeck!

Kneipentour statt Drei-Gänge-Menü: Willkommen in Lübeck! [media-credit name="Hendrik Wallbaum" align="aligncenter" width="645"]

Lübeck atmet auf. Es ist Ruhe eingekehrt. Die Studentenmassen, die vor ein paar Wochen noch leicht bekleidet und ebenso leicht alkoholisiert in strömendem Regen die Innenstadt in Beschlag nahmen, verbringen ihre Nachmittage wieder in der Bibliothek.

In der Vorwoche ist viel passiert: Durch Kneipentour und Stadtrallye lernten die Studenten Stadt und Leute kennen; beim Grillen & Chillen erholten sie sich von den Anstrengungen der letzten Tage und ließen die Woche mit ganzen zwei Erstiparties ausklingen. Nebenbei wurden sie vormittags natürlich über den Ernst des Studierens informiert. Bevor der Unialltag richtig losgeht und solange die Erinnerungen noch nicht verblasst sind, wagen wir einen Blick über den Tellerrand: Wie funktioniert Vorwoche in anderen Ländern? Studenten aus aller Welt berichten von ihrem Start ins Unileben.

Kolumbien

Juliana Padilla (27) studiert an der Universidad Nacional de Colombia in Cali. Die Vorwoche an ihrer Universität ist sogar ganze zwei Wochen lang. In der ersten Woche werden den Erstsemestern die Einrichtungen der Universität gezeigt. Dazu werden kleine Gruppen von 15 „Primiparos“ – so werden Erstis in Kolumbien genannt – jeweils einem Betreuer zugeordnet. Der Campus mancher kolumbianischer Universitäten ist sehr groß und so kommt es dazu, dass manchmal sogar eine Busfahrt nötig ist, um vom einen Ende zum anderen zu gelangen.

Während in der ersten Einführungswoche noch keine älteren Studenten auf dem Campus sind, wird es in der zweiten Woche bunter. Für die Primiparos sind einige Aktivitäten vorbereitet worden, wie zum Beispiel eine Schnitzeljagd durch die Universitätsgebäude. Am Ende der Woche findet eine von der Universität organisierte Party statt. Auch hier ist die Atmosphäre locker und es wird viel getanzt.

Eine Besonderheit an Julianas Universität ist das Wasserbombenwerfen. Seit Jahren schon haben die Erstsemester immer freitags eine ganz bestimmte Veranstaltung im Hauptgebäude der Universität, die um 17:00 Uhr endet. Studenten aus den höheren Semestern lauern vor dem Gebäude nun mit Wasserbomben ausgestattet den Primiparos auf. Verlassen diese nun das Gebäude – nun ja, den Rest kann man sich denken. Einige der neuen Studenten, die von der Aktion wissen, suchen nach Fluchtwegen, um nicht nass zu werden. „Manche gingen zu den Toiletten, um sich zu verstecken. Andere suchten einen zweiten Ausgang. Manche suchten sogar nach einem Fenster im zweiten Stock, um einen Weg nach draußen zu finden.“

Wirklich stören tut sich an der Wasserbombenaktion allerdings niemand. Manche Primiparos ärgern sich zwar darüber, nass geworden zu sein, die meisten nehmen es aber mit Humor. Vielmehr ist das Wasserbombenwerfen zu einer Tradition geworden, um die Primiparos an der Uni willkommen zu heißen. Als Juliana eine Primipara war, hat sie es klug angestellt. Sie ist damals nicht nass geworden. Der Trick war, gemeinsam mit dem Professor das Gebäude zu verlassen.

Spaß und Kennenlernen garantiert: Vorwoche in Malmö.

Spaß und Kennenlernen garantiert: Vorwoche in Malmö. [media-credit name="Josephin Westerlund" align="aligncenter" width="645"]

Schweden

Josephin Westerlund ist Erstsemester an der Universität in Malmö und für sie und ihre über 980 Kommilitonen wird von den älteren Studenten eine zweiwöchige Einführungszeit organisiert. Zuerst bekommen die Neuen bunte Armbänder und werden dann nach Farben in Teams aufgeteilt. Jedes Team bekommt einen „Kapitän“ an die Seite gestellt und in den nächsten Tagen müssen die Gruppen in Wettkämpfen so viele Punkte wie möglich sammeln.

Während der erste Tag zum Kennenlernen dient, geht es am nächsten Tag auf eine Schnitzeljagd quer durch die Stadt: Jede Gruppe bekommt eine Karte mit 25 Herausforderungen, von denen möglichst viele gelöst werden müssen. „Wir mussten auf einem Bein stehend fünf Seniors die Hand reichen, einem Fremden unseren Namen zuschreien oder uns von zehn Jungs gleichzeitig die Haare verwuscheln lassen und dabei ein Foto machen“, erzählt Josephin. Und genauso verrückt geht es weiter in Schweden: Die Studenten müssen durch den Kanal schwimmen oder versuchen 24 Stunden lang wach zu bleiben.

Und natürlich wird auch in Malmö während der Vorwoche viel getrunken und gefeiert: Jeden Abend wird im Team oder mit allen Teams gemeinsam Party gemacht! Die Krönung und Belohnung für zwei harte Feierwochen ist eine von Studenten organisierte Gala mit einem Drei-Gänge-Menü für die Erstis, gefolgt von einer weiteren wilden Partynacht. Jospehin ist überzeugt von dieser Art der Begrüßung: „Es geht darum ein gutes Gefühl für die Neulinge zu schaffen, alle zusammenzukommen, Spaß zu haben und sich kennenzulernen.“

Polen

Aleksandra Ziaja (23) studiert Jura an der Universität Breslau. Die Aktivitäten, die in Breslau in der Vorwoche angeboten werden, sind meistens von älteren Studenten organisiert, die auch in den Gremien sehr aktiv sind. Die Veranstaltungen beschreibt Alex folgendermaßen: „Sie haben einen recht akademischen Charakter. Allerdings ist die Darstellung meistens interessant und sogar witzig.“ In diesem Jahr veranstalteten die älteren Jurastudenten eine Simulation eines Gerichtsverfahrens mit einem Richter aus einer bekannten polnischen Fernsehsendung. In der Einführungswoche finden auch Parties für die Erstsemester in den Clubs der Stadt statt.

Zusätzlich zur Vorwoche hat Alex an einem Erstsemester-Camp teilgenommen. „Manche sind ein Mix aus Fachlichem und Parties, während andere hauptsächlich auf Unterhaltung ausgelegt sind.“; so beschreibt Alex diese Veranstaltung. Das Camp, an dem sie selbst teilgenommen hat, war ein Angebot der ELSA – der European Law Student‘s Organisation. Tagsüber gab es viele Veranstaltungen mit juristischen Inhalten, aber auch über das Studieren im Allgemeinen und abends wurde dann gefeiert. Obwohl in der polnischen Vorwoche vergleichsweise viel Fachliches eingebunden ist, empfand Alex sie nicht als anstrengend. Es sei „mehr Spaß als Challenge“ gewesen.

In Spanien gehen die „Novatos“, sehr zur Freude der „Veteranos“, auf Tuchfühlung.

In Spanien gehen die „Novatos“, sehr zur Freude der „Veteranos“, auf Tuchfühlung. [media-credit name="Beatriz Vila" align="aligncenter" width="645"]

Spanien

Beginn und Höhepunkt der Erstiwoche zugleich markieren in Spanien die „Novatadas”. Ein ganzes Wochenende widmen die „Veteranos“, die alteingesessenen und erfahrenen Drittsemester den Begrüßungsspielen für die Neuankömmlinge. Kennenlernen kann sich nur, wer sich gemeinsam blamiert und danach bis zum Abwinken gefeiert hat. Davon sind die „Veteranos“ überzeugt. Beatriz Vila, seit zwei Jahren Pharmaziestudentin an der Universidad de Granada, blickt wehmütig auf ihre Vorwoche zurück: Nie wieder hat es so viel Spaß gemacht, sich während der traditionellen Kennenlernspiele mit Eiern und Mehl zu beschmieren und, nachdem man sich drei Kommilitonen auf den Rücken gebunden hatte, ein Wettrennen zu veranstalten. Ganz nebenbei macht man sich mit den Einwohnern der neuen Heimatstadt bekannt: „Weit verbreitet ist bei uns die Aufgabe, mit frisch gebackenen Torten umherzulaufen und Passanten zu bitten, sie uns ins Gesicht zu klatschen.“ Nachdem den Unbekannten diese Ehre zu Teil wurde, führen die Erstis ihnen dann einstudierte Tänze vor – maximal mit Unterwäsche bekleidet. Auf den Spielemarathon bei gleißender Hitze folgen ebenso heiße Nächte in den Clubs der Stadt, die für die feierwütigen Studenten nur zu gern täglich ihre Pforten öffnen. Schließlich ist man in Spanien.

Doch unumstritten ist, dass auch in Granada manch ein „Veterano“ seine Aufgabe, den „Novatos“ unvergessliche erste Tage zu bereiten, zu ernst nimmt. „Es gibt Drittsemester, die verpflichten Erstis, mit denen sie in einem Wohnheim wohnen, dazu, ihnen während der gesamten Zeit der Einführungskurse jeden Morgen Frühstück zuzubereiten. Andere finden es lustig, alle „Novatos“ zusammen unter die kalte Dusche zu stellen.“ Gerade den Erstis, die sich für ein Leben im Wohnheim entschieden haben, kann die eine oder andere Überraschung zum Verhängnis werden. Etwa wenn sie nach einem langen, partyreichen Tag betrunken zu ihrem Zimmer torkeln und feststellen, dass ihre Zimmertür geklaut wurde. „Da hört bei vielen der Spaß auf und am nächsten Tag beschweren sich die Eltern“, erinnert sich die 23-jährige Beatriz, die selber zwei Jahre in einer sogenannten „Residencia“ gewohnt hat.

Wenigstens können die Erstis nach den Novatadas sicher sein, sich so gut kennengelernt zu haben, wie es in so kurzer Zeit nur eben geht.

Ein ruhiger Start ins Studentenleben ist in China üblich.

Ein ruhiger Start ins Stdentenleben ist in China üblich. [media-credit name="Linh Wang" align="aligncenter" width="600"]

China

So sehr die Erstsemester in Spanien gefordert werden, so sehr werden sie in China behütet. „Gleich am ersten Tag wird uns ein Senior Student als Tutor zur Seite gestellt, der uns hilft, unser Wohnheimzimmer zu finden, und uns alle Fragen über das Campusleben beantwortet“, berichtet die 22-jährige Linh Wang, die an der East China University in Shanghai studiert. Zu den ersten gemeinsamen Aktivitäten gehören ein „Round-Table“ mit allen Studenten einer Tutorengruppe und gegenseitige Besuche in den Wohnheimzimmern. Den großen Abschluss der „Erstiwoche“ stellt ein gemeinsamer Abend mit Erstsemestern, Tutoren und Professoren dar, den die Erstis zum Dank für die fürsorgliche Begrüßung gestalten. Linh ist eine eifrige Verfechterin dieser eher ruhigen Einführungswoche: „Wir sind während unserer ersten Tage an der neuen Universität sehr schüchtern, da hilft es uns, dass die Senior Students und die Professoren so um eine warme und einladende Atmosphäre bemüht sind.“ Alkohol und Partys ohne Ende seien an chinesischen Universitäten nicht üblich. „Das haben wir gar nicht nötig. Saft, Wasser und Soda tun es auch.“

Von Galas und Drei-Gänge-Menüs können wir Lübecker nur träumen. Auch Torten hat hier noch niemand extra für uns gebacken. Doch wer würde all das ernsthaft der einmaligen Gelegenheit vorziehen, morgens um neun bei Flunky Ball gut gekühltes Pennerglück zu genießen und danach ein erfrischendes Bad im Krähenteich zu nehmen? Ohne Kleidung versteht sich.

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