Noch bis zum 8. September kann man das "Archiv des Untoten" im Lübeck besuchen.

Noch bis zum 8. September kann man das “Archiv des Untoten” im Lübeck besuchen.

Lukas Ruge | StudentenPACK.

Was passiert mit eingefrorenen Frühembryonen, die nach einer erfolgreichen In-Vitro-Fertilisation übrigbleiben? Ist es Kunst, wenn man Zellverbände so züchtet, dass sie in Form einer Figur wachsen? Was ist der Hirntod für eine Todesdefinition, bei der intuitiv als Lebenszeichen Bewertetes – Puls, rosige Hautfarbe, Schwitzen – ignoriert und stattdessen Todeszeichen gesucht werden?

Mit Fragen wie diesen haben sich im Frühling 2011 auf dem Kampnagel in Hamburg, wo sonst Musik-, Tanz- und Theaterveranstaltungen die Menschen in die ehemaligen Fabrikhallen locken, Künstler und Wissenschaftler verschiedenster Ansichten auf dem inszenierten Kongress „Die Untoten – Life Sciences & Pulp Fiction“ befasst. Aus den mitgeschnittenen Diskussionen und Vorträgen ist ein umfangreiches Filmarchiv entstanden, das derzeit in Lübeck zu sehen ist – das „Archiv des Untoten“.

Als Aufhänger für die Vielzahl an Perspektiven zum Thema „Untot“ dient dabei das Jahr 1968 mit drei größeren, in diesem Zusammenhang relevanten Ereignissen: In Kapstadt findet die erste erfolgreiche Herztransplantation statt, die eine Umdefinition des Todes zur Folge hat: Zuvor war ein Mensch gestorben, wenn sein Herz-Kreislauf-System dauerhaft stillstand. Die neue Definition erklärt auch all die für tot, deren Hirnfunktionen – Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm – irreversibel erloschen sind. Dies ermöglicht bei per Definition Toten die Organentnahme, was ethisch natürlich vertretbarer ist als die Transplantation von Organen, die von einem Lebenden stammen. Welche schwierigen Aufgaben und Probleme sich dadurch ergeben, bedenkt man normalerweise nicht. Das „Archiv des Untoten“ präsentiert seinen Besuchern Gedanken, Erlebnisse und Forschungsthemen von Menschen, die sich täglich – sei es aus der Perspektive der Medizin, Biotechnologie, Philosophie oder ähnlichem – mit der Grauzone zwischen tot und lebendig befassen, und regt an, die eigenen Ansichten noch einmal zu hinterfragen.

Doch die Ausstellung bietet noch mehr als Diskussionen von Fachleuten: Auch der Umgang mit dem Untoten in verschiedensten Formen der Kunst kommt nicht zu kurz. So erzählen bekannte Persönlichkeiten wie beispielsweise Bela B. Horrorfilme nach, Theaterstücke zeigen Gerichtsshows, in denen die Belange von „anderen Lebensformen“ verhandelt werden, und immer wieder tauchen Zombies auf: Auch die Veränderungen des Zombiefilm-Genres wie durch den Film „Night of the Living Dead“ von Romero, der 1968 in die Kinos kam, werden im „Archiv des Untoten“ thematisiert.

Zeitgleich werden dabei auf sechs Kanälen wechselnde Filmsequenzen gezeigt; zu welcher davon die Besucher auch den Audiokommentar hören möchten, entscheidet jeder mittels Schalter am Kopfhörer für sich. Wer einen sogar kostenlosen Blick ins aufrüttelnde „Archiv des Untoten“ werfen möchte, kann dies noch bis zum 8. September tun, wochentags von 12 bis 20 Uhr und am Sonntag bei der Abschlussveranstaltung von 15 bis 18 Uhr. Es lohnt sich, ein bisschen Zeit mitzubringen, da die einzelnen Präsentationen teilweise fast eine Stunde dauern und es mehr als einen sehenswerten Vortrag gibt. Wer es diese Woche nicht ins Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (Königstraße 42, IMGWF) schafft, kann auch online im Filmarchiv stöbern oder sich über die nächsten Stationen der mobilen Installation informieren: www.untot.info

Noch keine Kommentare, sei der Erste!