Bei Qualitätsicherung entsteht ein Haufen Papier.Flickr Foto "DSC_3799" von Plashing Vole unter einer Creative Commons ( BY-NC ) Lizenz

Bei Qualitätsicherung entsteht ein Haufen Papier.

An unserer Uni erblicken nun fast jährlich neue Studiengänge das Licht der Welt. Vor zwei Jahren war es die Medizinische Informatik, im vergangenen Semester Infection Biology und in diesem Jahr ist es Psychologie. Auch wenn Erstellen von Studiengängen nicht nur an dieser Universität scheinbar als Sport betrieben wird, ist der damit verbundene bürokratische Aufwand für alle Beteiligten nicht zu unterschätzen. Die Studiengänge müssen konzipiert, dokumentiert und akkreditiert werden. Besonders die Akkreditierung steht des Öfteren in der Kritik der Hochschulen, wird als zu aufwendig erachtet und steht dabei unter Verdacht nicht zielführend zu sein. Aber was bedeutet Akkreditierung eigentlich im Rahmen des Hochschulwesens?

Ein Rat, der Agenturen akkreditiert, die Studiengänge akkreditieren…

Im Groben ist die Akkreditierung ein Qualitätssicherungsverfahren, bei welchem eine externe unabhängige Kommission aus Experten die Studiengänge auf verschiedene Kriterien untersucht. Das Verfahren wurde im Zuge des Bologna-Prozesses eingeführt um Bachelor- und Masterstudiengänge qualifiziert evaluieren zu lassen.

Wie vieles am Bologna-Prozess auf guten Ideen beruht, ist auch hier die Umsetzung doch zu hinterfragen. Die allgemeinen Ziele sind neben Qualitätssicherung in Lehre und Studium, die Erhöhung der Mobilität der Studierenden und eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Universitäten im In- und Ausland zu schaffen. Dafür wurde im Dezember 1998 der Akkreditierungsrat gegründet, der wiederum die Akkreditierungsagenturen akkreditiert. 2011 gab es dabei zehn akkreditierte Agenturen, welche sich mit unterschiedlichen Themengebieten beschäftigen und an verschiedenen Standorten im deutschsprachigen Raum ansiedeln. Für die Universität zu Lübeck ist die wichtigste die Akkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Naturwissenschaften und der Mathematik – kurz ASIIN genannt. Die ASIIN hat so ziemlich alle Studiengänge der Sektionen MINT, bis auf Psychologie, akkreditiert.

Es werden generell im Hochschulwesen dabei zwei verschiedene Arten der Akkreditierung unterschieden. Zum einen die Programmakkreditierung, bei welcher einzelne Studiengänge beurteilt werden. Hierbei spielt der Grad der Zielerreichung, das Erreichen angestrebter Lernergebnisse eine entscheidende Rolle. Die zweite Form ist die System- oder institutionelle Akkreditierung. Dabei wird das hochschulinterne Qualitätssicherungssystem beurteilt. Der Vorteil der Systemakkreditierung ist, dass Hochschulen mit diesem Gütesiegel Studiengänge nicht mehr extern akkreditieren müssen, da diese bereits das Akkreditierungssiegel erhalten, wenn sie das interne Qualitätssicherungssystem durchlaufen haben. Die Systemakkreditierung entstand, nachdem die Kritik an der Programmakkreditierung laut wurde und es bei den Agenturen aufgrund starker Überlastung zum Stau kam. An der Universität zu Lübeck wurden alle Studiengänge einzeln programmakkreditiert.

20.000 Seiten für zehn Studiengänge

Wenn ein Studiengang zum ersten Mal erstellt wird und es an der Hochschule noch keine Studenten oder Absolventen gibt, wird eine Konzeptakkreditierung durchgeführt. Dabei wird das Konzept des Studiengangs auf Plausibilität überprüft. Somit sind die qualitätssichernden Aspekte der Akkreditierung wenig aussagekräftig. Häufig wird bei Beginn des Studiengangs eine Erstakkreditierung angestrebt, da somit durch die kritische Selbstbewertung der Hochschule und die faktischen Realisierung des Studiengangs eine bessere Beurteilung erfolgen kann. Wie bei jeder qualitätssichernden Maßnahme wird auch bei der Hochschulakkreditierung eine erneute Prüfung fällig, wenn der Studiengang in seinem Bestehen stark verändert wurde oder das Prüfsiegel abgelaufen ist. Nach dem Ablauf des Siegels wird dabei eine erneute Akkreditierung nötig, wobei auch vorangegangene Akkreditierungen als Datenlage für Veränderungen und Fortschritt hinzugezogen werden. Bei einer Reakkreditierung gilt dafür dann das vergebene Prüfsiegel länger als bei einer Erstakkreditierung. Für jede Akkreditierung werden dabei dieselben Standards zu Grunde gelegt, die ein Studiengang zu erfüllen hat. Diese sind sowohl inhaltlicher Form als auch struktureller. Außerdem werden Anforderungen an die Ressourcen der Universität, das Qualitätsmanagement und die Prüfungsverfahrensordnung gestellt.

Dass sich bei der Dokumentation aller Daten und Fakten so einiges ansammelt, ist verständlich. So benötigte die Fakultät Ingenieurswissenschaften und Informatik der Universität Ulm 20.000 Seiten für zehn Studiengänge, welche sie aufgrund der Ähnlichkeiten direkt als Cluster akkreditieren ließ. Dafür zahlte die Uni etwa 30.000 Euro an die ASIIN. Für einen einzelnen Studiengang werden meist zwischen 10.000 und 15.000 Euro berechnet, welche, sofern sie nicht im Landeshaushalt untergebracht sind, die Universität von ihrem Budget für die Lehre zu zahlen hat. Zusätzlich zu der direkten finanziellen Belastung entfallen auf die Universität noch etliche andere Kosten, wie Druck- und Personalkosten.

Die Phasen einer Akkreditierung

Das Verfahren zur Akkreditierung kann man in drei wesentliche Schritte unterteilen. Die ASIIN benennt diese mit Vorbereitung, Prüfung und Entscheidung. In jedem Schritt hat sowohl die Hochschule als auch die ASIIN verschiedene Aufgaben zu erfüllen. In der Vorbereitungsphase stellt die Hochschule eine Anfrage, in der sie wichtige Rahmenbedingungen wie Name, Abschlussart, Anzahl der Semester und ein vorläufiges Curriculum einreicht. Die ASIIN prüft dann im Anschluss, welche Fachausschüsse und Verfahrensvariante zum Einsatz kommt. Bei Vertragsabschluss zwischen der ASIIN und der Hochschule geht es dann in die Phase der Prüfung. In dieser Phase reicht die Hochschule einen kritischen Selbstbericht ein. Sofern dieser formal korrekt ist, beruft die ASIIN eine Gutachtergruppe zusätzlich zu den Fachausschüssen ein. Nach erster Prüfung des Selbstberichtes kommt es zur Begehung der Hochschule mit den Gutachtern und den Verfahrensbetreuern. Im Anschluss wird ein erster Bericht erstellt und der Hochschule zugesandt. Nach Stellungnahme der Hochschule zum Akkreditierungsbericht beginnt die Entscheidungsphase. In dieser Phase erfolgt eine abschließende Stellungnahme der Gutachter mit Beschlussempfehlung sowie eine Beurteilung durch die zuständigen Fachausschüsse, welche ebenfalls eine Beschlussempfehlung umfasst. Daraufhin entscheidet die Agentur über die Vergabe des gewünschten Siegels oder eine Empfehlung an zuständige dritte mit einem umfassenden Bericht. Abschließend wird der Bericht an die Hochschule und den Eigner des beantragten Siegels, zum Beispiel den Akkreditierungsrat, versandt.

Was bleibt?

2009 gab der Deutsche Hochschulverband (DHV) eine Pressemitteilung heraus, in welcher gefordert wurde, die Programmakkreditierung komplett abzuschaffen, da sie „teuer, bürokratisch, langsam, ineffizient, rechtlich zweifelhaft und autonomiefeindlich“ sei. Außerdem wurde angemerkt, dass durch die regelmäßige Reakkreditierung dieses „Unwesen“ auf absehbare Zeit nicht enden würde. Der DHV behauptete dabei, dass „die Universitäten […] selbst in der Lage [sind], Studieninhalte und -programme festzulegen“ und forderte von dem Gesetzgeber, ein Qualitätsmanagementsystem für Hochschulen gesetzlich vorzuschreiben. Dabei weiß jeder Student, dass nicht alles, was die Uni macht, komplett ausgereift ist und es manchmal ganz gut ist, wenn sie von außerhalb kontrolliert wird. Dennoch bleibt der Kostenpunkt einer der Hauptkritikpunkte, welcher auch nicht wegzudiskutieren ist. Außerdem wird oft hinterfragt, ob durch ein Akkreditierungsverfahren wirklich eine Verbesserung der Lehre erfolgt.

Die Ziele, die damit für die Studenten verbunden waren, wurden zum großen Teil verfehlt. So gelten zwar für die Hochschulen gleiche Mindeststandards, doch ist damit die Mobilität der Studenten nicht erhöht worden. Die Stundenpläne sind oftmals so knapp gesteckt, dass während des Studiums kaum die Möglichkeit gegeben ist, ohne Nachteile Auslandserfahrung zu sammeln. Außerdem werden oftmals immer noch viele Auflagen für einen Wechsel nach dem Bachelor an eine andere Hochschule erteilt. Wer während des laufenden Studiums wechseln möchte, kann sich dank einem Kultusministerkonferenzbeschluss sogar nur einen Teil der erbrachten Leistungen anrechnen lassen. Somit kochen die Universitäten auch weiterhin alle ihr eigenes Süppchen, nun aber mit anerkanntem Siegel.

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