Der Bachelorstudiengang schlaucht. Warum eigentlich? Tatsächlich müssen Bachelor nicht mehr lernen als ihre Vorgänger in anderen Modellen und belegen auch nicht mehr Fächer. Die Analyse der zweimal im Jahr durchgeführten Evaluation an der Sektion MINT zeigt, dass der Arbeitsaufwand in den meisten Vorlesungen nicht höher ist als vorgesehen. Doch die Veränderung im empfundenen Stress lässt sich nicht leugnen.

Psychologen an der Uni Heidelberg haben dieses Phänomen untersucht und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Psychologische Rundschau“ veröffentlicht. Unter Leitung von Professorin Monika Sieverding nutzen die Forscher das in der Arbeitspsychologie verbreitete Demand-Control-Modell um herauszufinden, was Studierende nach der Bologna-Reform so unglücklich macht. Das vom Soziologen Robert Karasek entwickelte Demand-Control-Modell stellt die Anforderungen den Handlungsspielräumen eines Jobs gegenüber. Sind Anforderungen und Spielräume hoch (wie es oft in Diplom- und Magisterstudiengängen war), steigert dies die Motivation. Sind jedoch die Spielräume gering, während die Anforderungen gleich bleiben (wie im Bachelorstudiengang), entstehen Stresssymptome. Das Ergebnis der Heidelberger Studie deutet an, dass fehlende Freiheit bei der Auswahl der zu belegenden Fächer sowie die Überzeugung, innerhalb von sechs Semestern das Studium beenden zu müssen, bei dem Gefühl fehlender Spielräume den Ausschlag geben.

Sieverding belässt es allerdings nicht bei der Problemanalyse. In der Lehre haben sie und ihre Kollegen nun begonnen, den Studiengang Psychologie zu korrigieren. Um dem Eindruck fehlender Freiheit entgegenzuwirken wurden unbenotete Wahlfächer wieder eingeführt. Dabei ist es zwar Pflicht eine bestimmte Menge an Fächern zu belegen, doch die Studenten haben die Wahl. Indem alle Fächer unbenotet sind, sogenannte B-Scheine, ist die Auswahl eher vom intrinsischen Lerninteresse als vom Arbeitsaufwand für eine gute Note geleitet. Eine andere Technik eine geringere Anzahl von Klausuren zu erreichen ist mehrere, aufeinander aufbauende Fächer in einer Prüfung enden zu lassen. Manchmal sei es schon hilfreich die Klausuren über einen längeren Zeitraum in die Semesterferien zu strecken anstelle sie in kurzer Zeit abzuwickeln.

Dem Leistungsdruck wirkt Sieverding mit einem subversiven Trick entgegen. Sie entschleunigt künstlich den als Turbo-Studiengang eingeführten Bachelor. Schon im ersten Semester erfahren ihre Studierenden, dass für einen Bachelor auch acht oder mehr Semester angesetzt werden können, dass es keinen Grund gibt so schnell wie möglich zu studieren. Es sei im Sinne einer Hochschule, dass neben dem Studium Zeit sei für Persönlichkeitsentwicklung. Ob ein ausgedehnter Urlaub, ein Freisemester, Hineinschnuppern in einen anderen Studiengang oder ein Hobby: Zeit muss sein, sonst kann das Studium krank machen.

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