Beweise abschließen mit Stil

[media-credit name="CC BY-NC-SA spikedmath.com" align="aligncenter" width="645"] Beweise abschließen mit Stil

Mindestens einmal im Studium – bei manchen Studiengängen etwas häufiger – kommt ein MINT-Student in den Genuss, mathematische Übungszettel bearbeiten zu dürfen. Was für den einen Routinearbeit und spannende Knobelei ist, ist für den anderen ein allwöchentlicher Kampf.

Nachdem im Idealfall nach einiger Zeit eine Lösung für die Aufgabe gefunden wurde, kostet es meist einige Überwindung, das ganze in eine saubere Form zu bringen. Abgaben, bei denen diese Überwindung nicht stattgefunden hat, landen regelmäßig und in immer größerer Zahl in den Händen der leidtragenden Korrekteure. Halb verzweifelnd versuchen sie, die Gedankengänge der Studenten nachzuvollziehen, um die Punkte verteilen zu können – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber meistens klappt’s dann doch irgendwie.

Warum sich also die Mühe machen, eine saubere, formal und mathematisch korrekte Abgabe zu erstellen?

Der prinzipiell offensichtlichste Grund ist wohl die verbesserte Kommunikation zwischen Student und Tutor. Wenn man sich erst einmal auf eine gemeinsame Sprache (auch Mathematik ist eine Sprache!) geeinigt hat, ist es um ein Vielfaches einfacher, dem Gegenüber seine Gedankengänge und Lösungen mitzuteilen und andererseits die Gedanken Anderer nachzuvollziehen.

Ebenso ist ordentliches und sorgfältiges Arbeiten im universitären Umfeld in sämtlichen anderen Bereichen eine selbstverständliche Pflicht – ein Zellbiologe kippt schließlich auch nicht „einen guten Schuss hiervon“ und „ein bisschen davon“ auf seine Zellkulturen und auch ein Programmierer muss sich genau an die Syntax der Programmiersprache halten, damit seine Programme funktionieren. Warum also nicht dieselbe präzise Genauigkeit in der Mathematik anwenden? Diese Argumente reichen scheinbar in vielen Fällen leider nicht aus.

Hat man nun aber doch den Schluss gefasst, seine Übungen formal korrekt aufzuschreiben, tritt recht schnell wieder Nüchternheit auf – zusammen mit der Frage: „Wie genau stelle ich das überhaupt an?“ Befasst man sich nämlich genauer mit der Sprache der Mathematik, so wird man beinahe erschlagen von Begriffen, die jeder nutzt, aber deren Bedeutung vielen nicht bekannt ist. Ausdrücke wie „wohldefiniert“, „trivial“ oder die mysteriöse Buchstabenkombination „o.B.d.A“, hört man oft beiläufig in den Vorlesungen zu Analysis oder Linearer Algebra.

Gerade diese Begriffe und viele andere Aspekte der mathematischen Sprache werden in dem Buch „Das ist o.B.d.A. trivial“ von Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher vorgestellt und erklärt. Die mittlerweile neunte Auflage des Taschenbuchs ist gefüllt mit Tipps und Erklärungen, mit denen der Autor den Weg zum von ihm gewählten „höchsten Ziel“ – der Klarheit – zu ebnen versucht.

Die Themen sind abschnittsweise gegliedert und strukturiert. Häufig werden Beispiele eingeschoben, die jeweils mit einem Smiley markiert sind: Hat der Beispielsatz einen lächelnden Smiley, so ist er gut definiert; ein Satz mit einem traurigen Smiley ist ein Beispiel, wie man es nicht tun sollte. Durch die zahlreichen Beispiele sieht man direkt angewendet, was es in jedem Abschnitt zu lernen gibt. Am Ende eines jeden solchen Abschnittes, der meist überschaubare zwei bis drei Seiten umfasst, gibt es zusätzlich eine größere Sammlung an Übungen, die dazu einladen, das Gelernte auszuprobieren. Manche der Übungsaufgaben wirken jedoch zu Beginn befremdlich – es gehört eine gute Portion Eigeninitiative dazu, sämtliche Aufgaben auch zu bearbeiten. Das Buch schließt, neben einer Liste mit empfohlener Literatur zu mathematischen Einführungsvorlesungen, mit einer weiteren Reihe an Übungsaufgaben – mit dem Unterschied, dass die Antworten bereits gegeben sind. Mit dem hoffentlich gewonnenen Wissen erkennt man jedoch schnell, dass die Antworten allesamt formal unsauber sind. Aufgabe des Lesers ist es also, selbst den Rotstift anzusetzen.

Inhaltlich werden eine Vielzahl von Themen behandelt. Es beginnt mit grundsätzlichen Fragen, zum Beispiel, wie überhaupt das Bearbeiten eines Übungszettels ablaufen soll. Wie definiere ich meine verwendeten Begriffe? Was ist der Unterschied zwischen Satz, Lemma und Korollar? Wie bezeichne ich meine Variablen richtig, muss ich sie überhaupt bezeichnen? Auf diese Fragen schafft es der Autor gute und präzise Antworten zu liefern.

Ein weiterer Themenblock widmet sich verwendeten Symbolen im Text. Es wird geklärt, wann und ob man Symbole wie ⇒ oder ∞ nutzen darf und sollte. Auf die in der formalen Mathematik häufig vorkommenden Quantoren ∀ („Für alle“) und ∃ („Es existiert mindestens ein“), die häufig falsch verwendet werden, wird besonders eingegangen. Die Bedeutung von Begriffen wie „trivial“, „notwendig und hinreichend“ oder „eineindeutig“ wird in einer leicht verständlichen Sprache erklärt.

Mit seinen knapp 100 Seiten ist das Buch trotz seiner vielen Tipps und Tricks angenehm dünn und lässt sich gut innerhalb von einer Woche durcharbeiten. Die verwendete Zeit lohnt sich definitiv: Nimmt man die Anregungen mit und versucht sie auf seine Abgaben anzuwenden, wird man selbst schnell merken, um wie viel besser das Ergebnis ist – und ein paar mehr Punkte werden definitiv bei den Abgaben drin sein. Auch die Korrekteure werden dann etwas weniger verzweifeln und es euch herzlich danken.

Das Buch erschien in seiner aktuellen neunten Auflage 2009 im Vieweg+Teubner Verlag. Es kostet 17,99€ und ist gebraucht häufig für unter zehn Euro zu bekommen – eine lohnende Investition!

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