Sebastian ist 24 Jahre alt und absolviert in Berlin ein Brautechnisches Fachstudium an der Technischen Universität. Er studiert seit 2 Jahren und im Oktober wird er sein Diplom als Braumeister machen.

StudentenPACK: Brauereiwesen ist ein ungewöhnlicher Studiengang. Wie bist Du darauf gekommen, das studieren zu wollen?

Sebastian Hartmann: Darauf gekommen bin ich, wie viele andere auch, auf Umwegen. Eigentlich hatte ich zu Beginn überhaupt nicht vor, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen, sondern wollte lieber einen schönen ruhigen Bürojob. Ich hatte mich allerdings damals zu spät entschieden, die Schule zu verlassen und daher waren die Bewerbungsfristen der meisten Ausbildungen bereits verstrichen. Ich stand also mit meinem auf dem Gymnasium erworbenen Realschulabschluss und ohne Ausbildung da, dafür allerdings mit einem Haufen Absagen auf meine Bewerbungen. Etwas entmutigend war die ganze Sache damals schon. Eher spaßeshalber und mangels Alternativen hatte ich mich dann bei Brauereien im Umland beworben. Für die Idee wäre ich beinahe bei einem bekannten deutschen Privatsender in einer Realityshow zu sehen gewesen… Die Eichbaum Brauerei in Mannheim gab mir dann letztendlich die Zusage und ich war plötzlich Auszubildender zum Brauer & Mälzer. Ob das so wirklich ein Job für mich war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht so recht und ich entschloss, mich überraschen zu lassen. Mittlerweile denke ich, dass es eine der besten Entscheidungen bisher war. Die Ausbildung hat meistens auch viel Spaß gemacht und war sehr abwechslungsreich. Vieles davon kann ich heute noch außerhalb des Berufs im Privatleben gut gebrauchen. Ich hatte das Glück, in einen Betrieb zu kommen, dem die Ausbildung seiner Azubis sehr wichtig ist und in dem ich viel lernen konnte für das Studium. Schon von Anfang an war mir allerdings klar, dass ich nicht als einfacher Geselle die nächsten 40 Jahre arbeiten möchte, sondern auch selbst Verantwortung über größere Aufgaben übernehmen will. Von meinen Mitauszubildenden erfuhr ich damals dann, dass man so etwas auch studieren kann, unter anderem in Berlin und Freising bei München. Da in Berlin als Besonderheit bei diesem Studiengang eine abgeschlossene Ausbildung und ein Realschulabschluss als Hochschulzugangsberechtigung ausreicht, war mir schnell klar, wohin der Weg gehen soll. Ich zog also direkt nach dem Ende meiner Ausbildung ins knapp 700km entfernte Berlin und schrieb mich an der Uni ein. Ich wusste damals nicht so genau, was mich erwarten würde. Es war also eher, wie schon bei der Ausbildung, ein Schuss ins Blaue. Aber Bisher bereue ich das nicht.

PACK: Wer „Bier brauen“ studiert, hat sicher mit dem einen oder anderen Vorurteil zu kämpfen oder?

Sebastian: Zum Glück lernt man noch etwas mehr als nur Bier brauen. Viele von uns sind bereits gelernte Brauer und nur wenige haben ohne Ausbildung das Studium angefangen. Wenn ich erzähle, was ich gelernt habe beziehungsweise gerade studiere, dann sind die Reaktionen meist ganz unterschiedlich. Von Vorurteil bis Anerkennung. Oft ist das Vorurteil des einen der Grund für die Anerkennung des anderen. Oft sind die Reaktionen auf meinen Beruf auch geschlechts- und herkunftsabhängig. Gerade viele Männer sehen den Beruf als reine ur-männliche Domäne und sind öfters auch mal neidisch auf das erlaubte Probieren während der Arbeit und den sogenannten Haustrunk. Ein Job um Frauen zu imponieren ist es allerdings wohl eher nicht. Des Öfteren hört man die üblichen Aussagen und Vorurteile wie „Ihr trinkt doch den ganzen Tag nur Bier“, die dauernd ungläubige Nachfrage „Was? Sowas kann man studieren?“ oder „Das kann doch nichts Gescheites sein“. Natürlich besonders beliebt ist auch die Frage, ob man nicht mal einen Kasten Bier mitbringen könnte. Aber ich denke, solche Vorurteile gibt es in jedem Beruf und ich versuche, diese immer bestmöglich auszuräumen. Denn natürlich trinken wir nicht den ganzen Tag auf Arbeit Bier, allerdings liegt unser Bierkonsum sicher weit über dem Durchschnitt. Brauen ist auch ganz bestimmt keine ur-männliche Angelegenheit. Eher im Gegenteil. Brauen war seit eh und je bis ins Mittelalter die Arbeit von Frauen und auch heute gibt es Brauerinnen, wenn auch nicht ganz so viele wie Brauer.

PACK: Der Studiengang heißt offiziell „Brauerei- und Getränketechnologie“, es geht also um viel mehr als Bier, was denn noch so?

Sebastian: Genau. Es geht nicht nur um Bier. Die Zeiten, in denen Brauereien ausschließlich nur Bier produzierten, gehören schon länger der Vergangenheit an. Mit diesem Konzept können heute nur noch wenige Brauereien überleben. Denn heute ist es in Deutschland leider so, dass immer weniger Bier getrunken wird. Wir haben schon lange unsere Spitzenposition im pro-Kopf-Verbrauch abgeben müssen. Auch der Anspruch der Verbraucher hat sich stark gewandelt. Immer weniger Menschen wollen ein bitteres Bier trinken. Dafür geht der Trend der letzten Jahre immer mehr zu Biermischgetränken. Heute produzieren Brauereien daher von A wie Apfelsaft bis Z wie Zitronenlimonade. Das Studium dreht sich aber im Großen und Ganzen um Bier, Biermischgetränke, alkoholfreie Getränke und deren Rohstoffe. Wein und Spirituosen gehören nicht dazu. Es wird aber auch immer mal wieder der Blick ins Ausland schweifen gelassen und erklärt, wie dort andere Verfahren zur Anwendung kommen dürfen, die in Deutschland auf Grund des Reinheitsgebots nicht erlaubt sind. In einigen Vorlesungen geht es natürlich aber mehr um den Gesamtüberblick, um Grundlagen. Man lernt die biologischen Zusammenhänge und physikalischen Hintergründe zu verstehen, die dann natürlich auch außerhalb der Brauerei gelten. Während des Studiums erhält man auch Einblicke in Fachbereiche, die man nicht sofort mit Bierbrauen verbinden würde. Man wird ermutigt, in diesem doch so traditionsbewussten Handwerk auch neue Dinge einzubinden.

Generell ist man nach dem Studium nicht auf die Brauerei als Arbeitsplatz beschränkt. Man kann sich auch für einen Job in der Zulieferindustrie, in Laboren, in der Pharmaindustrie oder in der Getränkebranche entscheiden. Möglichkeiten gibt es genug, denn die erlernten Kenntnisse kommen dort ähnlich zur Anwendung.

PACK: Wie viele Erstsemester fangen denn in Berlin jedes Jahr mit diesem Studiengang an?

Sebastian: Im Techniker-Studiengang, also mit Abschluss Diplom Braumeister, mehr als im Bachelor-Studiengang. In den letzten Jahren waren es jeweils so um die 40 Studenten. Also eine sehr überschaubare Anzahl.

PACK: Schaut man sich den Lehrplan an, so sieht man viel Mathe (Lineare Algebra, Analysis) und technische Fächer, auch Chemie. Wird im Studium auch mal wirklich Bier gebraut?

Sebastian: Man findet einige Fächer, die auf den ersten Blick nicht direkt Bezug haben zum Brauen. Sie bilden allerdings die Grundlage für das Verständnis der relevanten Themen auch im Brauereibereich. Die VLB Berlin verfügt über eine eigene Studienbrauerei und bildet dort auch aus. In ihr dürfen auch Studenten brauen. So findet einmal pro Jahr ein Seminar statt, in dem gemälzt und gebraut wird. Dies allerdings nicht zum Spaß sondern durchaus mit dem Hintergrund, aktuelle Forschungsstände zu vermitteln. Darüber muss dann auch eine Seminararbeit geschrieben werden, wobei es natürlich gerade uns Brauern Spaß macht, auch mal während des Studiums brauen zu dürfen.

PACK: Was ist denn das Beste an Deinem Studiengang?

Sebastian: Das Beste ist wohl der kollegiale Zusammenhang der Studenten. Es gibt zum Beispiel jede Woche einen Stammtisch, zu dem jeder eingeladen ist, und man hilft sich sehr viel untereinander. Man könnte teilweise schon von einer kleinen Ersatzfamilie sprechen. Gerade aus dem Grund, dass es ein eher seltener Studiengang mit wenigen Studenten ist, wächst man sehr schnell zusammen.

PACK: Vielen Dank.

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