Quantenmechanik. Was gibt es in der Physik, das komplizierter und verwirrender ist? Die Professoren Michael Haugk und Lothar Fritsche haben ein kompaktes Buch geschrieben, das die größten Irrtümer und Fragen aus dem Weg räumen soll. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die mysteriöse Quantenmechanik einfach und bodenständig zu erklären. Bereits im Vorwort kündigen die beiden Absolventen der TU Clausthal an, nicht der „Religion ‚vom Himmel fallender‘ Gleichungen“ zu folgen. „Quantenmechanik für Ahnungslose“ heißt das Buch und soll die Mysterien von Einstein, Heisenberg, Schrödinger und all den anderen schlauen Köpfen kurz und kompakt verständlich machen.

In der Einführung geben die Autoren einen Überblick über die Phänomene, die üblicherweise der Quantenmechanik zugeordnet werden: Vom Planckschen Strahlungsgesetz, über den photoelektrischen Effekt, die Schrödingergleichung bis hin zur Heisenbergschen Unschärferelation, werden alle relevanten Themen in zeitlicher Abfolge kurz beleuchtet. Im zweiten Kapitel werden einige Grundannahmen erklärt. Eine davon ist die Aussage: „Das Vakuum ist nicht leer, sondern ‚full of stuff‘“. Hierauf bauen Haugk und Fritsche ihre gesamte quantenmechanische Erklärung auf. Ihnen zufolge besteht der „stuff“ im Vakuum aus virtuellen Teilchen, die kurzzeitig an einem Ort auftauchen, unter Verletzung jeglicher Energieerhaltungsgesetze, und wieder verschwinden. Diese virtuellen Teilchen erzeugen Energiefluktuationen, welche beispielsweise dafür sorgen, dass ein Elektron seine Flugbahn verlässt. Auf die Grundannahmen folgt ein kleiner Ausflug in die Statistik. In diesem Kapitel werden Begriffe, wie „Wahrscheinlichkeitsdichte“ und „Wahrscheinlichkeitsfunktion“ definiert und anhand von Beispielen erklärt.

An dieser Stelle wird das Mysterium um eine gewisse, sehr bekannte Katze gelüftet und aus der Welt geräumt. Schrödingers Katze – wer hat noch nicht von ihr gehört? Spätestens seitdem das Experiment in einer bekannten amerikanischen Fernsehserie zitiert wurde, weiß fast jeder, dass diese spezielle Katze es irgendwie schafft, gleichzeitig tot und lebendig zu sein. Das Experiment sieht folgendermaßen aus: Man nehme eine Katze und sperre diese in eine Kiste, in die man von außen nicht hineinschauen kann. In dieser Kiste befinden sich ebenfalls ein instabiles Atom und eine Giftgasflasche. Letztere öffnet sich, sobald das Atom zerfallen ist, daraufhin stirbt die Katze. Die Autoren nehmen dem Experiment jede Grundlage, denn in ihrer Vorstellung existiert die Welt auch ohne Beobachter, das bedeutet, sobald die Katze in der Kiste stirbt, ist sie tot, obwohl es niemand gesehen hat. Die allgemeine Interpretation dieses Gedankenexperiments geht davon aus, dass der „Zustand“ der Katze erst feststeht, wenn jemand nachschaut, was passiert ist. Daher befindet sich die Katze in einer Überlagerung zweier Zustände, nämlich „tot“ oder „lebendig“, sobald die Halbwertzeit des Atoms abgelaufen ist, denn dann befindet sich auch dieses in der Überlagerung der Zustände „zerfallen“ und „nicht zerfallen“.

Genug von Katzen: „Quantenmechanik!“, denkt der interessierte Leser an dieser Stelle und wird noch etwas auf die Folter gespannt. Erst einmal beschäftigen sich die beiden Autoren mit weiteren mathematischen Begebenheiten, mit denen sie die Quantenmechanik für den Ahnungslosen zugänglich machen wollen. Ihr Ansatz besteht einerseits aus der Existenz von virtuellen Teilchen und andererseits aus stochastischen Bewegungsgleichungen. Letztere werden im vierten Kapitel hergeleitet. Das fünfte Kapitel trägt den sonderbaren Namen „Noch nicht Quantenmechanik“. Hier werden die Heisenbergsche Unschärferelation, das Doppelspaltexperiment und andere Phänomene, die viele schon der Quantenmechanik zuschreiben, mit Hilfe der bis dahin hergeleiteten und eingeführten Formeln beschrieben und erklärt.

Ab dem sechsten Kapitel geht es dann ans Eingemachte. „Der Übergang zur Quantenmechanik“ greift nochmal die Eigenschaften des Vakuums, die bereits zum Anfang definiert wurden, auf und nutzt weiterhin die bereits hergeleiteten Gleichungen zur Aufstellung der Schrödingergleichung. Weiterhin werden Operatoren eingeführt und weitere Grundsätze der Quantenmechanik besprochen. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Spin. Die Autoren erklären sich den Spin, wie so vieles, über die Energiefluktuationen im Vakuum, welche durch die virtuellen Teilchen ausgelöst wurden. Da dies nicht der Standardansatz zur Erklärung der Quantenmechanik ist, unterscheidet sich diese Theorie von der herkömmlichen. Die Autoren leiten allerdings jede Gleichung aus einer bereits bekannten her, sodass sie zu der Überzeugung kommen, ihr Ansatz sei richtig. In den nächsten Kapiteln gehen die Autoren noch kurz auf Verschränkung von quantenmechanischen Zuständen ein und die Lichtemission, hierbei wird das Wasserstoffmolekül quantenmechanisch betrachtet. Im vorletzten Kapitel schreiben Haugk und Fritsche über die Berechnung von Mehr-Teilchen-Systemen, dem Konzept der Fermionen und Bosonen. Das letzte Kapitel ist ein Ausblick über die restlichen Phänomene, die auf den 91 Seiten nicht behandelt wurden. Auch diese seien mit dem von den Autoren gewählten Ansatz herleitbar.

Das Buch „Quantenmechanik für Ahnungslose“ ist aus meiner Sicht nicht für vollkommen „Ahnungslose“ geschrieben. Der Leser sollte ein gewisses Maß an Wissen über Physik und Mathematik mitbringen, denn sonst ist man bei den eher kurzen Erklärungen schnell aufgeschmissen. Eine gute Eigenschaft der Autoren ist es, dass an vielen der kritischen, eher schwer zu verstehenden Stellen blaue Kästen mit Erklärungen und Berechnungen einiges verständlicher machen. Weiterhin fällt auf, dass sehr häufig auf andere Literatur verwiesen wird. Insgesamt 29 Nachweise stehen im Literaturverzeichnis und im Text wird des Öfteren darauf hingewiesen, dass es zu diesem oder jenem Thema ein Buch gibt, das tiefgründigere Erklärungen parat hält. Negativ ist mir persönlich aufgefallen, dass die Autoren in jedem Kapitel mindestens einmal erwähnen, dass ihr Ansatz sich von der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik abhebt und eigentlich aus ihrer Sicht viel logischer und einleuchtender sei. Insgesamt ist das Buch definitiv nicht zur Klausurvorbereitung geeignet, da es viel zu kurze Erklärungen liefert. Wer allerdings schon immer einmal wissen wollte, wer dieser Heisenberg eigentlich war und warum Schrödinger nicht nur eine Katze hatte, sondern auch eine Gleichung aufgestellt hat, der kann sich die 91 Seiten mit Sicherheit antun, oder im Internet nachschauen. Denn die fast 25 Euro, die Amazon für das Heftchen haben will, sind dann doch nicht nötig.

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