Nur noch wenige Tage, dann ist es wieder so weit: Am 6. Mai 2012 steht die 18. Wahl des Schleswig-Holsteinischen Landtages an. Und die Vorbereitungen dafür laufen bereits auf Hochtouren. Schließlich soll dieses Mal alles perfekt laufen.

Wer hat an der Uhr gedreht…?

Diejenigen unter euch, die die vergangenen Monate und Jahre auf das politische Treiben in Schleswig-Holstein mit nur einem Auge geschielt haben, wundern sich vielleicht darüber, schon wieder einen Wahlschein in ihrem Briefkasten vorzufinden. Und das zu Recht. Weniger als drei Jahre liegt die letzte Landtagswahl in Schleswig-Holstein zurück. Normalerweise dauert eine Legislaturperiode bei uns im Norden jedoch ganze fünf Jahre. Normalerweise. Doch die 17. Landtagswahl in Schleswig-Holstein, am 27. September 2009, war mit Sicherheit vieles – aber nicht normal.

Auch schon damals, im Jahr 2009, fand die Wahl verfrüht statt. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen von der CDU hatte die Vertrauensfrage gestellt und verloren. Neuwahlen waren die unausweichliche Konsequenz. Doch anstatt Klärung brachten die nur neue Konflikte und endlose Diskussionen mit sich.

Eigentlich hätte alles so einfach sein können: Die Einwohner Schleswig-Holsteins wählen und die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt die Wahl. Sie sucht sich einen Koalitionspartner aus, bildet damit eine Regierung, die restlichen Parteien wandern in die Opposition und für die nächsten fünf Jahre kann endlich mal wieder regiert werden. So die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Zunächst einmal muss zwischen Erst- und Zweitstimme unterschieden werden. Die Erststimme entscheidet über die so genannten Direktmandate. Für jeden der damals noch 40 Wahlkreise in Schleswig-Holstein nominieren die zur Wahl stehenden Parteien einen Kandidaten. Der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis zieht automatisch in den Landtag ein. Doch auch über die Zweitstimme hat eine Partei potentiell noch die Chance, richtig abzuräumen. So wie zuletzt die CDU. Mit der Zweitstimme wird kein spezieller Kandidat, sondern generell eine Partei gewählt. In dieser Verhältniswahl wird die Anzahl der insgesamt 69 regulären Sitze im Landesparlament bestimmt, die jeder Partei zusteht. Ergattert eine Partei über die Zweitstimme mehr Plätze im Landesparlament, als sie per Erststimme Direktmandate erhalten hat, dürfen Parteimitglieder von der so genannten Landesliste nachrücken. Im anderen Fall, wenn eine Partei durch Direktmandate mehr Politiker im Parlament in Kiel unterbringen darf, als ihr der Zweitstimme nach eigentlich zustehen, dann werden diese zusätzlichen Abgeordnetensitze als Überhangsmandate bezeichnet. Da durch dieses Wahlsystem jedoch Parteien benachteiligt werden, die keine Überhangsmandate bekommen haben, gibt es zusätzlich auch noch Ausgleichsmandate. Diese zusätzlichen Sitze im Parlament sollen letztlich für Gerechtigkeit sorgen. Wie genau die Anzahl der Ausgleichsmandate bestimmt wird, ist allerdings sehr unterschiedlich und war 2009 im Wahlgesetz unseres Bundeslandes nicht eindeutig geregelt.

Damals bekamen CDU und FDP nur 46,4%. SPD, Grüne, Linke und SSW lagen dagegen bei 48,1%. Durch die Überhangsmandate standen der CDU elf zusätzliche Sitze im Parlament zu. Soweit so gut. Doch die Diskussion trat mit dem Thema der Ausgleichsmandate auf. 14 oder 20? Das Gesetz war nicht eindeutig. Die Entscheidung jedoch von oberster Bedeutung. Schließlich hing die Mehrheit der schwarz-gelben Koalition davon ab.

Die Entscheidung fiel: Schwarz-gelb siegte. 49 der 95 Sitze im 17. Schleswig-Holsteinischen Parlament besetzten Politiker der CDU und der FDP. Damit konnten sie eine hauchdünne Mehrheit verbuchen und der Alternative einer großen Koalition aus dem Weg gehen. Doch lange währte der Sieg nicht: Die Grünen und SSW zogen vor das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein. Die Linken schlossen sich an. Gemeinsam reichten die Parteien gegen die Verteilung der Mandate Klage ein. Und sie bekamen Recht. Das Wahlgesetz wurde für verfassungswidrig erklärt, Neuwahlen bis zum 30. September 2012 veranschlagt. Bis dahin sollte die Zusammensetzung des Parlaments zwar bestehen bleiben, doch an den Neuwahlen würde kein Weg vorbeiführen.

Also hat man sich zusammengesetzt und weiter diskutiert und am Ende – im März vergangenen Jahres – kam endlich ein neues überarbeitetes Landeswahlgesetz dabei heraus. Aus 40 Wahlkreisen wurden 35, abgesehen davon änderte sich jedoch wenig. Zukünftig sollten mit dem neuen Wahlgesetz allerdings keine Diskussionen mehr um die korrekte Verteilung der Mandate aufkommen. Jedenfalls theoretisch. Als Termin für die Neuwahlen wurde der 6. Mai dieses Jahres auserkoren. Darum finden in diesen Tagen die Wahlbenachrichtigungen ihren Weg in eure Briefkästen.

Klein, kleiner, kleinstkariert

Wir Deutschen sind ja bekannt dafür, es in manchen Belangen ein wenig übergenau zu nehmen. Alles muss perfekt organisiert und geplant sein. Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein stellt da keine Ausnahme dar.

Zunächst einmal gibt es ein klares hierarchisches System der Wahlorgane. An der Spitze steht seit 2006 die Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler. Auf unbestimmte Zeit wurde ihr die Verantwortung auferlegt, die Europa-, Bundestags- und Landtagswahl in Schleswig-Holstein vorzubereiten und letztlich auch durchzuführen. Zu ihrer Unterstützung bei der Landtagswahl hat Söller-Winkler vor einigen Monaten einen sechsköpfigen Landeswahlausschuss ernannt. Gemeinsam mit diesem entscheidet sie über die Zulassung der Landeslisten der verschiedenen Parteien und stellt auch das offizielle Wahlergebnis fest.

Weil sieben Leute jedoch nicht genug Hände haben, um sich um die 35 Wahlkreise in Schleswig-Holstein zu kümmern, hat unser Innenministerium 35 Kreiswahlleiter und –leiterinnen ernannt. Jeder von diesen beruft erneut sechs Personen in den Kreiswahlausschuss – die sogenannten Besitzer. Gemeinsam verwalten sie die Kreiswahlvorschläge, also die Personen, die sich um ein Direktmandat in einem Kreis bewerben. Weiterhin ist der Kreiswahlausschuss auch für die Beschaffung der Stimmzettel verantwortlich, sowie auch für die Feststellung des offiziellen Wahlergebnisses in ihrem Wahlkreis.

Doch auch damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Lübeck zum Beispiel ist wahltechnisch gesehen eine geteilte Stadt. Am 27. Mai vergangenen Jahres hat uns der Wahlkreisausschuss entzweit – in Lübeck-Ost und Lübeck-West. Aber keine Sorge. Im Prinzip machen wir nämlich schon Fortschritte. Früher, als es noch 40 Wahlkreise in Schleswig-Holstein gab, wurde Lübeck sogar noch eiskalt gedrittelt. Doch heute, wo es nur noch 35 Wahlkreise gibt, ist es zu einer Neueinteilung gekommen.

Jeder Wahlkreis wird nun in eine bestimmte Anzahl von Wahlbezirken eingeteilt, sodass jedem Bezirk maximal 2500 Wähler zugeteilt werden. Insgesamt kommen so rund 2600 Wahlbezirke zusammen. Die Räumlichkeiten, in denen die Wahl letztlich stattfindet, darf dabei frei ausgewählt werden. Einziges Kriterium: Es darf keine Videoüberwachung geben. Es gibt im Übrigen, neben den normalen Wahlbezirken, auch noch Sonderwahlbezirke. Diese dienen dazu, Menschen, die zum Beispiel in Altenwohnheimen oder Pflegeheimen wohnen oder am Wahlsonntag im Krankenhaus liegen, den Urnengang zu ermöglichen.

Für jeden Wahlbezirk ist nun wieder ein Wahlvorsteher und ein von ihm ernannter Wahlvorstand aus einer gewissen Anzahl von Beisitzern verantwortlich. Sie sind es, die nach 18 Uhr die etwas undankbare Aufgabe haben, alle Stimmzettel öffentlich und von Hand auszuzählen, doch dazu später mehr.

Wer darf ran?

Einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes zufolge gibt es in ganz Schleswig-Holstein etwa 2,2 Millionen Wahlberechtigte, die am 6. Mai ihren Stimmzettel in eine Urne werfen dürfen. Im nationalen Vergleich gehören wir damit zu den eher kleineren Kalibern.

Jeder von euch, sofern er denn Schleswig-Holstein seit mindestens drei Monaten als seinen ersten Wohnsitz angegeben hat, ist in einem Wählerverzeichnis aufgeführt und somit wahlberechtigt. Damit seid ihr außerdem einem Wahlbezirk eindeutig zugeordnet. Wer ganz besonders neugierig ist, der bekommt zwischen dem 16. und 20. April übrigens die einmalige Gelegenheit, Einsicht in das Wählerverzeichnis zu erhalten. Dort könnt ihr eure Daten überprüfen oder eurer Gemeindewahlbehörde einfach nur mal einen Besuch abstatten. Die Übrigen unter euch werden vermutlich mit der Wahlbenachrichtigung, die spätestens 21 Tage vor der Wahl – also dieses Mal am 15. April – in eure Briefkästen flattern sollte, zufrieden sein.

Natürlich gibt es auch bei den Landtagswahlen für alle Wahlberechtigten generell die Möglichkeit, Unterlagen für eine Briefwahl zu beantragen. Doch die Regel sollte das nicht sein. Laut der Landeswahlordnung gilt eine so genannte „Vorrangigkeit der Urnenwahl“. Grundsätzlich soll nämlich alles daran gesetzt werden, allen Bewohnern von Schleswig-Holstein den Urnengang zu ermöglichen. Und dabei sind wirklich alle gemeint.

Zu jeder Wahl werden spezielle „barrierefreie Wahlräume“ eingerichtet. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Im Internet werden sie spätestens sechs Tage vor der Wahl bekannt gegeben. Doch auch für Blinde und Sehbehinderte ist bei der Landtagswahl gesorgt. Auch wenn es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, engagiert sich unser Land doch dafür, blinden Menschen den Gang zur Urne zu erleichtern. Daher werden eure Wahlbenachrichtigungen in diesem Jahr einen Hinweis darauf erhalten, dass der BSVSH, der Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein e.V., sogenannte Stimmzettelschablonen zur Verfügung stellt. Mit ihrer Hilfe können Blinde eigenständig und geheim wählen. Eine Neuerung, die es erst seit 2009 gibt. Achtet mal darauf, aber wenn ihr wählen geht, wird euer Stimmzettel in der oberen rechten Ecke ein Loch oder eine abgeschnittene Ecke enthalten. Dies dient dazu, die Schablone richtig zu justieren, damit das Kreuz am Ende nicht beim falschen Kandidaten landet.

Alternativ gibt es übrigens auch Hilfspersonen, die behinderten Menschen sowie auch Analphabeten bei ihrer Wahl helfen können. In anderen Ländern, wie zuletzt zum Beispiel in Ägypten, verwendeten Parteien und Kandidaten übrigens Symbole, um Analphabeten die Wahl zu ermöglichen.

Wer bekommt ein Ticket nach Kiel?

Für jede Wahl gibt es Wahlvorschläge. So auch für die Landtagswahl. Jede Partei darf für jeden der aktuell 35 Wahlkreise einen Kandidaten nominieren, der um ein Direktmandat kämpft. Doch auch parteilose Einzelbewerber dürfen antreten, müssen jedoch mindestens 100 Unterschriften von Wahlberechtigten sammeln, um zu belegen, dass sie wenigstens eine theoretische Chance auf einen Wahlsieg in ihrem Wahlkreis haben. Alle anderen Politiker einer Partei, die die nächsten fünf Jahre gerne in Kiel verbringen würden, können sich auf der Landesliste aufstellen lassen und müssen darauf hoffen, dass ihre Partei reichlich Zweitstimmen bekommt. Übrigens dürfen auch eher kleinere Parteien Landeslisten aufstellen. Sie müssen in diesem Fall jedoch mindestens 1000 Unterschriften vorweisen können.

Dürfte ich mich auch wählen lassen? Theoretisch schon. Laut Grundgesetz ist die Gründung von Parteien frei. Allerdings hätte ich meine Kandidatur spätestens bis zum 48. Tag vor der Wahl um genau 18 Uhr mit allem Drum und Dran einreichen müssen. Im Gegensatz zu mir haben einige andere Parteien diesen Termin jedoch nicht verschlafen. Und somit habt ihr am 6. Mai nicht nur die Qual der Wahl euch zwischen CDU, SPD, FDP, den Grünen, der Linken und dem Südschleswigschen Wählerverband zu entscheiden. Nein, dieses Jahr werden noch die Namen von fünf weiteren Parteien auf euren Wahlscheinen auftauchen: Die Familien-Partei Deutschlands, Die Freien Wähler Schleswig-Holstein, die Maritime Union Deutschland, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands und auch die Piratenpartei Deutschland.

Sie alle, der SSW ausgenommen, müssen sich jedoch an der Fünf-Prozent-Hürde messen. Diese Sperrklausel gibt es schon seit über 70 Jahren und ist auch im Rest der Welt weit verbreitet. Allerdings reicht sie dort von gerade einmal 0,667% in Holland bis hin zu 10% in der Türkei. Generell soll sie eine Zersplitterung des Parlamentes verhindern. Die regionale Partei SSW ist von dieser Regel jedoch ausgenommen. Als Partei der in Deutschland wohnhaften dänischen Minderheit hat sie die Möglichkeit, in den Landtag, aber auch in den Bundestag einzuziehen, sofern ihr relativer Stimmanteil denn mindestens einem Sitz im Parlament entspricht. Seit ihrer Gründung im Jahr 1948 waren sie, abgesehen von einer einzigen Wahlperiode, stets im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertreten. In das Bundesparlament hat es bisher jedoch nur ein einziger SSWler geschafft und das im allerersten deutschen Bundestag.

Ein „Ja!“ ist ein Kreuz

Wer bis hierhin geglaubt hat, dass unser ganzes Wahlsystem sehr kleinkariert erscheint, der sei an dieser Stelle vorgewarnt: Die Karos werden noch kleiner. Viel kleiner.

In einem Runderlass zur „Vorbereitung und Durchführung der Landtagswahl 2012“ gibt Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler beispielsweise Tipps zur Herstellung von Stimmzetteln. Neben der Verwendung von Recycling-Papier, wird sogar die farbliche Ausführung der Zettel genauestens vorgeschrieben. Die jeweiligen Kreiswahlleiter entscheiden über die Stimmzettelfarbe in ihrem Wahlkreis. In jedem Wahlkreis darf es nur eine Farbe geben. Bei geteilten Städten, wie zum Beispiel Lübeck, werden jedoch „unterschiedliche Farbgestaltungen“ für die zwei Wahlkreise, Lübeck-Ost und Lübeck-West, empfohlen.

Keine bloße Empfehlung ist dagegen die verwendete Schriftfarbe. Alle Angaben zur Erststimme müssen in schwarz, alle zur Zweitstimme in blau gedruckt werden. Weiterhin – und das ist kein Witz – verbietet die Landeswahlordnung von Schleswig-Holstein durchsichtige Wahlzettel. Wer’s nicht glaubt: §33, Absatz 2.

Doch auch vor der Briefwahl macht diese leichte Normierungswut keinen Halt. Der Wahlumschlag, in den der Stimmzettel gehört, hat eine vorgeschriebene Farbe (blau), einen vorgeschriebenen Aufdruck (im Internet herunterzuladen) und natürlich auch vorgeschriebene Maße (11,4 x 16,2 cm). Ebenso ergeht es dem Wahlbriefumschlag, der „von hellroter Farbe“ sein muss und in den Wahlumschlag und Wahlschein gehören.

Wirklich einfach erscheint eine Wahl bis hierhin also nicht zu sein. Und das, obwohl sogar noch ein ganz entscheidender Punkt fehlt, oder besser gesagt, ein entscheidendes Kreuz. Ganze vier Seiten hat Wahlleiterin Söller-Winkler dazu veröffentlicht, wie über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmen zu entscheiden ist. Von mehreren Stimmzetteln in einem einzigen Wahlumschlag (ungültig) bis hin zu einem „Ja!“ an Stelle eines Kreuzes (gültig) – hier werden so gut wie alle Eventualitäten abgehandelt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass „Meinungsäußerungen und Gefühlsäußerungen“, wie zum Beispiel „doof“, auf einem Stimmzettel zu dessen Ungültigkeit führen.

Wenn die Tore öffnen

Sonntagmorgen, 8 Uhr in Schleswig-Holstein. Zu diesem Zeitpunkt werden am 6. Mai 2012 die Wahllokale öffnen und erst um 18 Uhr ihre Pforten wieder schließen. Ganz ähnlich wird es auch den Wahlurnen ergehen. Nur ein einziges Mal, vor der Wahl, darf diese vom Wahlvorstand geöffnet werden, um sich davon zu überzeugen, dass diese auch wirklich leer ist. Danach muss die Urne bis zum Ende der Wahl verschlossen bleiben.

Während der Wahl kann sich der Wahlvorstand noch ein wenig zurücklehnen. Sie müssen lediglich Wahlbenachrichtigungen der Wähler gegen Stimmzettel eintauschen und aufpassen, dass alle Wähler nur einen einzigen, ordentlich gefalteten Stimmzettel in die Urne werfen. Wenn euch im Wahlraum übrigens noch die plötzliche Erleuchtung treffen sollte, dass ihr euren Stimmzettel „versehentlich falsch gekennzeichnet“ habt, dürft ihr einen neuen verlangen, wenn ihr den alten zerreißt.

Nach 18 Uhr geht es für die Wahlvorstände jedoch rund. Alle Wahlbriefe, die danach eintreffen, werden ungeöffnet verpackt, versiegelt und bis zur Vernichtung sicher verwahrt – sodass niemand jemals herausfindet, ob sie das offizielle Wahlergebnis noch verändert hätten. Die übrigen Briefe werden jedoch geöffnet, Wahlschein vom Wahlumschlag getrennt und letztere in die Urnen geworfen.

Dann beginnt die Stimmzählung. Es klingt vielleicht ein wenig nach „Kinder-Kartenmischen“, aber es ist in der Landesverordnung tatsächlich vorgeschrieben, dass die Stimmzettel aus den Wahlumschlägen zuerst entnommen werden müssen und „in gefaltetem Zustand mit den Stimmzetteln der Urnenwählerinnen und Urnenwähler vermengt“ werden müssen. Das Wahlgeheimnis ist schließlich oberste Priorität. Die Auszählung selbst, die immer von Hand geschieht, findet dagegen in der Öffentlichkeit statt. Ihr könnt, wenn es euch ganz besonders interessiert, also überprüfen, ob das strenge Protokoll zur Stimmauszählung auch tatsächlich eingehalten wird. „Mal eben zählen“ ist hier nämlich definitiv nicht angesagt. Jeder Schritt ist in der Landesverordnung genauestens vorgeschrieben. Wann welche Stapel gebildet werden müssen, wann wer was sagen oder schreiben muss – alles ist rechtlich vorgeschrieben. Weiterhin warnt auch Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler vor „ungebotener Eile“. Ihrer Meinung nach „geht in jedem Falle Sorgfalt vor Schnelligkeit“. Und ganz unbegründet ist diese Meinung nicht. Jede wahlberechtigte Person kann noch bis zu zwei Wochen nach der Wahl Einspruch gegen das Wahlergebnis einlegen. Der neu gewählte Landtag hat dann zu entscheiden, ob der Zweifel an der Richtigkeit des Wahlergebnisses begründet ist. Letztlich kann es hierdurch jedoch zu einer Stimmnachzählung kommen. Erst bei der vergangenen Wahl ist es im Wahlbezirk Husum 3 zu einer Neuauszählung der Stimmen gekommen. Das Ergebnis: Die Linke erzielte tatsächlich mehr Zweistimmen, als bisher angenommen (41 statt neun) und konnte der FDP und somit der ganzen Regierung ein Landtagsmandat abluchsen.

Auch daher ist es besonders wichtig, dass alle Stimmen genau ausgewertet werden. Zuerst werden von den Beisitzern des Wahlvorstands stets Stapel gebildet. Stapel für Stimmzettel mit derselben Erst- und Zweitstimme. Stapel für Stimmzettel mit unterschiedlicher Erst- und Zweitstimme. Und Stapel mit ungültigen Stimmzetteln. Als nächstes ist es die Aufgabe des Wahlvorstehers diese Ordnung zu überprüfen. Dann endlich wird gezählt – und zwar gleich zweimal. Aber zu diesem Zeitpunkt ist die Wahl selbst noch egal. Denn erst einmal wird nur die Anzahl der sortierten Stimmzettel festgestellt. Ist ein Stimmzettel ungültig muss der Wahlvorsteher dies übrigens klar und deutlich ansagen – so will es das Gesetz.

Die eigentliche Stimmauszählung beginnt erst im Anschluss. Der Wahlvorsteher nimmt sich einen der drei Stapel nach dem nächsten vor und sortiert ihn nach den vergebenen Zweitstimmen. Laut Gesetzt „sagt [er] zu jedem Stimmzettel an, für welche Landesliste die Zweitstimme lautet“. Doch damit noch nicht genug. Nach dem ganzen Sortieren und Ansagen werden die Stimmzettel gezählt. Dieses Mal auch endlich nach den wirklichen Stimmen. Doch im Anschluss daran beginnt der ganze Spuk wieder von vorne. Die Stimmzettel werden erneut sortiert – dieses Mal jedoch nach ihrer Erststimme. Erneut wird die Verteilung angesagt und letztlich gezählt.

Steht das Ergebnis fest, werden die Zahlen durch den Wahlvorsteher zuerst mündlich bekannt gegeben und dann direkt weitergeleitet. Und zwar an den Kreiswahlleiter. Dieser hat dann die Möglichkeit, wenn ihm alle Wahlergebnisse seiner Wahlbezirke vorliegen, das Wahlergebnis in seinem Wahlkreis festzustellen und Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler mitzuteilen, die dann das amtliche Wahlergebnis der Landtagswahl ermittelt.

The morning after

Doch was passiert eigentlich nach der Wahl? Wenn alles vorbei ist? Nun, für die gewählten Parteien fängt es dann erst richtig an. Die via Erststimme gewählten Politiker haben eine Woche Zeit, um zu entscheiden, ob sie ihr Mandat annehmen oder nicht. Lehnt ein Politiker ab, rückt ein anderer von der Landesliste nach. Die übrigen Plätze im neuen Parlament, die per Zweitstimme vergeben werden, werden entsprechend der Rangordnung auf der Landesliste besetzt.

Als nächstes wird verhandelt: Wer bildet die neue Regierung, wer die Opposition? Spätestens 30 Tage nach der Wahl ist damit jedoch Schluss. Zu diesem Zeitpunkt muss ein neuer Landtag feststehen und mit dessen erster Sitzung beginnt nun auch ganz offiziell die neue Wahlperiode.

Doch wie sieht es mit den Stimmzetteln aus? Bei einer jeden Wahl wird eine Menge Papiermüll produziert. Dieser wird jedoch nicht einfach bis zum nächsten Osterfeuer aufgehoben. Nein, sämtliche gut sortierte Stimmzettel werden fein säuberlich verpackt und versiegelt. Die Pakete bekommen dann noch eine Inhaltsangabe aufgedruckt und werden der Gemeindewahlbehörde zur vorübergehenden Aufbewahrung anvertraut. Vernichtet werden die Wahlunterlagen jedoch erst 60 Tage, bevor ein neuer Landtag gewählt wird. Nur in Ausnahmefällen kann Landeswahlleiterin Söller-Winkler eine frühere Vernichtung anordnen.

Ihr seht also, mit was für einem enormen Aufwand eine „einfache Landtagswahl“ verbunden ist. Über die genauen Kosten einer solchen Wahl möchte Claus-Peter Steinweg von der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin zwar keine Auskunft geben, doch mit einem siebenstelligen Betrag muss wohl gerechnet werden. Zum Vergleich, die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hat im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Euro gekostet. Zwar bemüht sich die Landeswahlleitung, die Kosten so gering wie möglich zu halten – zum Beispiel gibt es eine Ausschreibung für den Druck von Stimmzetteln, Wahlbriefumschlägen und Co. – doch gewisse Fixkosten sind unvermeidlich. So zahlen, nach Angaben von Claus-Peter Steinweg, die „Gemeindewahlbehörden […] Erfrischungsgelder an die ehrenamtlichen Wahlvorstände“, das so genannte „IT-Wahlverfahren“ muss angeschafft und gepflegt werden, bei Bedarf müssen öffentliche Gebäude angemietet werden, die neben den frei zur Verfügung gestellten Gemeindegebäuden als zusätzliche Wahlräume genutzt werden und letztlich müssen so viele Stimmzettel beschafft werden, „dass alle Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können“. Wahlbeteiligung hin oder her.

Da bleibt nun eigentlich nur noch zu hoffen, dass die neue Regierung es schaffen wird, eine volle Legislaturperiode durchzuhalten.

Noch keine Kommentare, sei der Erste!