Simone Weigel | StudentenPACK.

Wovon ich rede? Von der Sexualmedizin, besser gesagt, von der nicht mehr vorhandenen Lehre der Sexualmedizin an der Universität in Kiel!

Da die Uni Sexualmedizin scheinbar als Nischenthema ansieht, beschloss man, das Lehrangebot einfach auszusetzen. Aber ist es nicht eine Schande, eine Sektion, die seit 1973 existiert und national und sogar international anerkannt ist, einzustampfen? Die Medizinische Fakultät rangiert beim nationalen Ranking im untersten Bereich und hätte mit der Sexualmedizin ein Alleinstellungsmerkmal halten können, da sexualmedizinische Forschung und Lehre nur an vier (in Zahlen: 4!!) Universitäten in der Bundesrepublik angeboten wird!

Als Wahlpflichtfach für Psychologie- und Rechtswissenschaftsstudenten waren die Seminare von Prof. Dr. med. Bosinski (Leiter der Sektion für Sexualmedizin) bereits meist für mehrere Semester im Voraus ausgebucht und die Evaluation war regelmäßig exzellent! Doch da Sexualmedizin in der Approbationsordnung für Ärzte nicht vorgesehen ist (aber Bestandteil der Ärztlichen Prüfung) und nebenbei auch nicht zu den fünf langfristig angelegten Forschungsschwerpunkten der Medizinischen Fakultät der CAU gehört, wurde die Weiterfinanzierung als nicht wichtig genug angesehen.

Im Raum steht also primär die Frage der Finanzierung, die immer noch unklar ist. Bisher trug das UKSH die Kosten großteilig, obwohl dieses eigentlich nur für die Patientenversorgung zuständig ist. Doch wer soll zukünftig die Forschung und Lehre in dem Gebiet der Sexualmedizin bezahlen? Die formale Ebene war für die Studierendenschaft schnell geklärt: Unsere Uni und das Wissenschaftsministerium sind dafür zuständig! Offensichtlich ist das diesen beiden Parteien nicht bewusst, da die Sektion seit dem 1. Januar 2012 um die Hälfte der Mitarbeiter reduziert wurde.

Der Großteil der Politik hat dieses Bewusstsein scheinbar auch noch nicht erlangt, sorgte doch die Regierung des Landes Schleswig-Holstein dafür, dass ein Antrag der Finanzierung durch das Land abgelehnt und einem Änderungsantrag, diese Thematik im Bildungsausschuss erneut, zum X-ten Male, zu diskutieren, zugestimmt wurde.

Darum fehlen eigentlich nur 150.000€ im Jahr, um den Erhalt zu sichern, doch die Mitarbeiter, die Drittmittel (die über diesem Wert stehen) akquirierten, mussten gehen oder sind gegangen, da die Zukunft ihrer Anstellung unsicher war. Wie soll man seine Arbeit fortsetzen, wenn einem die Logistik entzogen wird? Anstatt sich dem Problem zu stellen, welches seit Oktober 2011 bereits im Raume steht, wird der „Schwarze Peter“ der Zuständigkeit von Einem zum Anderen geschoben.

Das Präsidium der Uni Kiel reagierte bisher einzig auf dieses Problem damit, dass die Stelle für die Lehre über die Psychologie neu ausgeschrieben wurde. Da kommt doch die Frage auf, warum es scheinbar Mittel für die Bezahlung eines neuen Lehrbeauftragten gibt, nicht aber Geld für die ja schon vorhandenen Mitarbeiter der Sektion, die nun finanziell nicht mehr zu halten waren?!

Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Sektion wichtig ist, trotz allem muss Herr Prof. Bosinski seit über zehn Jahren um den Erhalt kämpfen! Es gab einige Lösungsvorschläge, zum Beispiel den, die Sektion für Sexualmedizin als eigenständige Struktur im Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) anzusiedeln, doch das wurde vom Unipräsidium abgelehnt. Prof. Bosinski stellte mehrfach Anträge, die Sexualmedizin als Wahlfach anzunehmen, was an anderen Universitäten möglich ist. Zumal Sexualmedizin im Bereich der Neurowissenschaften angesiedelt ist und diese zu den Forschungsschwerpunkten des UKSH gehören. Auch das wurde abgelehnt! Schaut man sich diese Fakten an, bleibt einzig die Annahme, dass die Universität und das Wissenschaftsministerium diese Sektion einfach nicht weiterführen wollen!

Dabei ist ihr Erhalt so wichtig, denn diese Sektion am UKSH ist die einzige Einrichtung, die sowohl Forschung, Lehre, als auch Patientenversorgung (Prävention, Diagnose, Therapie) bei Opfern und Tätern anbieten kann. Forschungen zu Ursachen, Verlauf, Diagnostik, Begutachtung und Therapie von sexuell gestörtem und übergriffigem Verhalten (kurz: Sexualdelinquenz und Paraphilien) wurden vorangetrieben und besonders hervorzuheben ist ebenfalls das bundesweit einzige sexualphysiologische Forschungslabor! Es gab sogar Forschung zur effizienten Gestaltung einer Therapie, die durch Drittmittel des Landesministeriums für Justiz unterstützt wurde.

Die Politik hatte genau dies schon einmal begriffen, denn ab 1996 begann man sich ein Zentrum zu leisten, welches Beratung und Therapie in diesem Bereich anbietet und das, obwohl Schleswig-Holstein schon damals zu den armen Bundesländern gehörte! Das Verständnis für diese Thematik war also da, doch wo ist sie nun hin? Oder liegt es vielmehr daran, dass da jemand von oben Ansagen macht? Denn erst seit andere Bundesländer ebenfalls Zentren aufbauen, wird das Zentrum in Schleswig-Holstein abgebaut!

Das Thema Sexualmedizin scheint mittlerweile ein heikles zu sein, gerade deshalb haben wir die Verpflichtung aufzuklären und zu helfen! Intersexualität und Homosexualität ist noch heute in unserer Gesellschaft nicht vollends akzeptiert. Paraphilie und Pädophilie wird häufig totgeschwiegen.Und obwohl Alle sexuelle Gewalt verteufeln, engagiert sich kaum einer für die Therapien der Opfer und Täter! In Bezug dazu steht, dass ca. 35% der Bevölkerung an einer sexuellen Störung leidet! Gerade deshalb sollten sexuelle Themen nicht weiter ausgeblendet werden!

Und noch etwas Anderes wird deutlich und das ist erschreckend: Die Universität kann einfach, ohne Ausweichangebote anzubieten, die Lehre von einem zum anderen Semester einstellen und zwar in jedem beliebigen Fach!

Noch keine Kommentare, sei der Erste!