Es ist allgemein bekannt, dass sich beim weiblichen Geschlecht die Begeisterung für das Studienfach Informatik eher in Grenzen hält. Gemessen am Gesamtfrauenanteil der Neueinschreibungen an der Uni Lübeck der vergangenen Jahre von etwa 55% liegt die Informatik mit 20% weitab vom Rest. Um das Image des zweitgrößten Studiengangs zu verbessern, wurde im vergangenen Sommersemester in Lübeck und Umgebung fleißig geworben. Nun ist natürlich die Frage zu stellen: Wie erfolgreich war die Kampagne?

medieninformatik.de

Vorweg sei gesagt, dass die Kampagne nicht darauf abzielte, Informatiker im Allgemeinen, sondern speziell Medieninformatiker zu werben. Die Finanzierung resultierte aus dem mit 20.000 Euro für Werbeleistung dotierten Marketing-Award 2010 des Marketing-Club Lübeck, welcher an das Softwarehaus MACH verliehen wurde und freundlicherweise an das Institut für Multimediale und Interaktive Systeme weitergereicht wurde. Des Weiteren wurde die Kampagne von Werbefachleuten der Firmen MACH, Stöer, Segelke und Ellerhold in ihrer Umsetzung begleitet.

Es sei das Ziel der Kampagne gewesen, der Öffentlichkeit, insbesondere Eltern und Schülern, zu kommunizieren, “dass das Studium der Medieninformatik etwas sehr Reizvolles ist und viel mit Menschen und nicht nur mit Technik zu tun hat.” Dabei sollte auch darauf hingewiesen werden, dass diese menschen- und sozialzentrierte Medieninformatik, ähnlich wie Lebens- und Sozialwissenschaften, insbesondere auch für junge Frauen interessant sei, so Prof. Michael Herczeg, Leiter des Instituts für Multimediale und Interaktive Systeme und Studiengangsleiter der Medieninformatik.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Plakataktion „Women Wildly Wanted“ ins Leben gerufen. Zeitgleich ist eine Website mit dem Namen „Aktion Medieninformatik“ (http://www.medieninformatik.uni-luebeck.de/) entstanden, welche es sich wahrlich zu besuchen lohnt. Da ich weder weiblich noch an dem Studiengang interessiert bin, gehöre ich definitiv nicht zur Zielgruppe. Dennoch war ich stark verwirrt, als ich das Plakat zum ersten Mal wahr nahm. Es wirkte eher wie eine Werbung für eine Party als für einen Studiengang. Ich brauchte noch einige Anläufe und einen dezenten Hinweis, bis mir der Zusammenhang vollkommen klar war. Die Alliteration der drei W’s ist zwar leicht verständlich, da aber das Logo der Universität in der unteren rechten Ecke zu verschwinden droht und ich nach dem farblichen Fiasko nicht das Bedürfnis hatte, das gesamte Plakat zu lesen, kommt die Botschaft bei mir nicht an. Auch beim zufälligen Ansprechen von Studenten auf die Werbekampagne hat etwa die Hälfte das Plakat noch nie gesehen oder fand es abschreckend, vor allem Kommilitoninnen fühlten sich sogar direkt angegriffen. Als Antwort auf die Ansprache der Website kam nur Kopfschütteln: Ich traf bis jetzt keinen, der den Link schon einmal besucht hatte. Personen, denen ich sie dann gezeigt habe, wunderten sich, dass Medieninformatiker und Werbefachleute dafür verantwortlich waren. Dazu aber später mehr.

Laura-Christin Krebs studiert im ersten Semester Medieninformatik und kommt aus Lübeck. Sie selbst hatte das Plakat vorher nicht gesehen. Sie entschied sich für das Fach Informatik, weil sie Interesse an Mathematik hat und in der Programmierung die Lösung für viele Probleme sieht. Auch die beruflichen Aussichten waren ein entscheidendes Kriterium. Ihr erging es beim ersten Blick auf das Plakat genauso wie mir: Sie verstand den Sinn nicht und hätte es nicht mit der Universität in Verbindung gebracht – und auf keinen Fall mit ihrem gewählten Studienfach. Beim genaueren Betrachten hat sie aber das Konzept verstanden, womit sie wohl doch schon weiter als andere ist – mich eingeschlossen. Ihrer Meinung nach ziehen die Kussmünder die Aufmerksamkeit von Frauen an und durch die Alliteration bekommt das Plakat einen Wiedererkennungswert, welcher dann eventuell beim dritten Betrachten doch mal zur genaueren Google-Analyse des Projekts führt. Zur Website selbst wollte sie sich nicht äußern. Als Verbesserung schlug sie vor, dass der Fokus doch mehr auf die Universität gelenkt werden sollte, damit man das Ganze klarer miteinander in Verbindung bringt.

Nun zum Höhepunkt der Kampagne, der Website: Wenn man den Link aus reiner Neugier dann doch mal besucht, wird man im ersten Moment von den Farben förmlich erschlagen. Es ist ein Bild gezeigt, in welchem ein Gehirn mit aufgesetzter 3D-Brille im grünen Gras liegt, über das eine weiße Ratte huscht. Aus dem Gehirn ragen, an Korkenziehern befestigt, eine Wurst, die der Currywurst aus der Kantine ähnelt, und ein CPU-Chip. Im Hintergrund ist eine Wand von Rechnern aufgebaut und ein junger Mann surft auf einem iPhone durch eine über ihm zusammenbrechende Welle. Es flattern zudem schöne blaue Schmetterlinge durch das Bild. Die Interpretation bleibt dem Betrachter selbst überlassen. Laut Herczeg spiegelt das Bild das Ziel wieder, „indem es emotional und in modernen Farben die Lebenslust junger Menschen in den Vordergrund rückt.“ Des Weiteren sage es aus, dass „die Welt der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien“ stärker durch Frauen mitgestaltet werden sollte. Das Bild wurde aus einer Reihe von „Entwürfen von Studierenden und Schülern, darunter viele junge Frauen, ausgewählt und als ansprechendstes und fröhlichstes Poster angesehen.“ Es ist nicht bekannt wie die anderen Vorschläge aussahen oder wer die auswahl getroffen haben soll. Um es mit den Worten einer Kommilitonin zu sagen: „Auch schlechte Publicity ist Publicity und kann dazu führen, dass man sich doch intensiver mit dem Thema befasst.“

Aber waren wir denn nun erfolgreich mit der Werbung?

Wir haben dieses Semester 16 Medieninformatikerinnen im ersten Semester, was im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 50 Prozent darstellt. Da aber die Zahl der Einschreibungen insgesamt um 75 Prozent gewachsen ist, haben wir ein relatives Wachstum von minus 4 Prozent (Quelle: Studierenden-Service-Center) oder auf „nicht-MINTlerisch“: Die Frauenquote der eingeschriebenen Medieninformatiker ist von 22 auf 18 Prozent gefallen. Dementsprechend würde ich den absoluten Zuwachs an Frauen doch eher den doppelten Abiturjahrgängen zurechnen als der Werbeaktion. Das deckt sich auch mit meinen Beobachtungen als Ersthelfer und mit Laura-Christin Krebs’ Aussage, dass wir beide noch keine Medieninformatikerin getroffen haben, die sich aufgrund der Plakate entschieden hat, Medieninformatik in Lübeck zu studieren.

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