Irgendwann kommt er im Leben eines jeden Medizinstudenten: Der Moment, in dem der Patient nicht mehr kalt und gelb auf dem Präpariertisch liegt, sondern im besten Fall rosig und ansprechbar im Patientenbett. Während es im Pflegepraktikum zumeist noch etwas lockerer zugeht, müssen die meisten Studenten bereits in ihrer ersten Famulatur funktionieren. Wer in Lübeck studiert, hat den Vorteil, einen recht guten und umfassenden Untersuchungskurs zu besuchen und im TÜFTL üben zu können. Doch irgendwann ist man eingebunden in den Stationsalltag und plötzlich ist die ganze schöne Theorie dahin.

Für diesen Fall gibt es haufenweise einschlägige Literatur. Ein Buch heißt „Medical Skills – Für PJ und Famulatur“. Es wurde von Markus Vieten und Claudia Heckrath geschrieben und wurde mittlerweile schon zum vierten Mal aufgelegt.

Das Buch ist ein wenig aufgebaut wie der Aufenthalt des Patienten in der Klinik. Es beginnt mit Tipps für die Aufnahme: Wie wird eine umfassende Anamnese erhoben, wie wird körperlich untersucht, welche weiteren Schritte müssen eingeleitet werden? Im zweiten Kapitel gehen die Autoren auf das ärztliche Gespräch ein. Hier geht es nicht nur um den komplikationslosen Standardpatienten, sondern auch um Schwerkranke, um Suizidgefährdete und psychosomatisch Kranke. Zudem wird erläutert, worauf es in Aufklärungsgesprächen ankommt und wie man mit Angehörigen umgehen sollte.

Doch das Buch befasst sich nicht nur mit Reden. Auch auf die Praxis wird eingegangen: Dabei wird dem Anfänger wohl mit den Kapiteln „Blutentnahmen und Injektionen“ und „Infusionen und Transfusionen“ am meisten gedient. Hier wird dezidiert darauf eingegangen, wie man den Patienten vorzubereiten hat, wie man desinfiziert, wie man zusticht. Für die Fortgeschrittenen wird das Mysterium ZVK und die richtige Handhabung einer arteriellen Punktion erläutert sowie der Sonderfall der Punktion bei Säuglingen erklärt.

Anspruchsvoller und sicher nicht für jeden Famulanten geeignet geht es da schon im Kapitel Sonden und Katheter zu: Magensonde und Blasenkatheter sind da zwar noch einfachere Übungen, aber mal ehrlich: Wer hat schon eine PEG-Anlage durchgeführt oder einen suprapubischen Blasenkatheter gestochen?

Weiter geht es mit dem richtigen Befunden von nicht-invasiven Verfahren, etwa dem Auswerten eines EKGs oder eines Röntgenbildes und dem Durchführen von invasiven Verfahren: Angefangen beim Anpieksen der Fingerbeere zur Blutzuckerbestimmung über Lumbal- und Pleurapunktionen bis hin zur Knochenmarkstanze wird fast jedes Thema einmal angerissen.

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit dem richtigen Verhalten im OP. Vom richtigen Umziehen, zum richtigen Waschen und eingekleidet werden. Welche Haken muss man kennen und wie hält man sie am besten? Und wie vermeidet man einen Kollaps? Fragen wie diese werden beantwortet.

Dann fehlt für den groben Überblick nur noch ein Fach: Die Anästhesie mit der Notfallmedizin. Und so geht das letzte Kapitel auf das richtige Halten einer Beatmungsmaske, auf Intubationen und Reanimationsalgorithmen ein – leider noch nicht nach neuen Leitlinien.

Alles in allem geht „Medical Skills“ auf alles ein, was einen Klinikneuling aus dem Takt bringen könnte. Dabei gehen die Autoren immer vom Allgemeinen zum Speziellen vor und führen so recht gut durch die einzelnen Kapitel. Wer sich nun jedoch denkt, er könne mit dem Werk von Vieten und Heckrath lesenswerte Sachliteratur erwerben, dem sei gesagt, dass der Lesefluss nicht immer angenehm ist. Die vielen Auflistungen machen die Lektüre teilweise schwierig, ebenso wie die schmalen Spalten und die kleine Schrift, mit denen gearbeitet wird. Und auch sprachlich ist wohl kein Literaturnobelpreis zu erwarten. Was das Buch aber auf jeden Fall liefert – und seine Größe lässt dahingehend eine gewisse Intention vermuten – ist ein umfassendes Nachschlagewerk für die Kitteltasche: Wer es bei sich trägt, kann vor dem ersten Patientenkontakt noch eben einen Blick riskieren und geht dann bestimmt etwas ruhiger in die Untersuchung.

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