Bis die Personaldiskussion zu Ende ist, bleibt auf dem Schild erstmal alles beim Alten.

Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Psychologie ist ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung. Jeder Patient ist anders, jeder geht anders mit seinen Krankheiten und Leiden um und so sollte es für Ärzte essentiell sein, darauf eingehen zu können. Dennoch kommt die psychologische Ausbildung im vorklinischen Abschnitt des Studiums häufig zu kurz – auch wenn dieses Fach knapp ein Sechstel der Fragen im Physikum ausmacht.

Die Medizinische Psychologie wurde in Lübeck einige Zeit lang lediglich notdürftig gelehrt. Erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelte sich ein Unterrichtssystem, wie es sein sollte: gestaffelte Ausbildung über mehr als ein Semester, Vorlesungen und Seminare aufeinander abgestimmt, Kurse in Gesprächsführung und schließlich eine gezielte Vorbereitung auf die Beantwortung der IMPP-Fragen des Physikums. Komplettiert wurde dieses Angebot durch weitere Kurse über Arzt-Patienten-Gespräche im Rahmen des Untersuchungskurses zu Beginn der klinischen Semester.

Doch die Umbrüche in der Lehre waren nicht die einzigen für die Psychologie. Mit der Emeritierung von Prof. Fritz Schmielau im vergangenen Herbst verloren die Psychologen den Status eines eigenständigen Instituts. Zunächst war der Plan, die Psychologie als Lehrbereich an die Neuroendokrinologie unter Prof. Jan Born anzugliedern. Nachdem dieser aber während Lübecks kämpferischer Turbulenzen die Uni Richtung Tübingen verließ, war der Lehrbereich herrenlos und wurde im Folgenden Prof. Thomas Münte, dem Chef der Neurologischen Klinik, untergeordnet.

Begründet wurde die Zusammenlegung mit dem Mangel an W3-Professuren, die das Land zu vergeben hat; somit konnte das Institut nicht unter einer neuen Leitung weiter bestehen. Während mit Born schon alle Absprachen getroffen waren und der Lehrbetrieb unangetastet weitergehen sollte, mussten kurzfristig neue Pläne geschmiedet und Bedürfnisse von Neurologen und Psychologen aneinander angepasst werden.

Einiges änderte sich und so kam in das kleine, familiäre Institut im Dachgeschoss von Haus 73 neues Leben, als ein Großteil der zuvor frei stehenden Arbeitsplätze mit wissenschaftlichen Mitarbeitern der Neurologie besetzt wurde. Auch personelle Änderungen gab es: Eine Mitarbeiterin der Psychologen, die zuvor Schmielaus Assistentin war, wurde in die Poliklinik der Neurologie versetzt, wo sie sich in neuen Forschungsgebieten einbringen kann. Die psychologisch-technische Assistentin, die zudem als Sekretärin des Instituts gearbeitet hatte, wird vermehrt auch für neuropsychologische Testungen bei Demenz-Patienten eingesetzt. Einer der Dozenten soll nun neben seiner Lehrtätigkeit mit Schmerzpatienten arbeiten, was ihm zudem neue Einblicke in einen psychologischen Teilbereich bringen kann.

Die wohl einschneidendste personelle Änderung wurde Mitte Juni bekannt: Prof. Erich Kasten soll gehen. Der Psychologe ist seit bald vier Jahren an der Universität angestellt. Dabei ist er jedoch kein berufener Professor, sondern streng genommen wissenschaftlicher Mitarbeiter mit außerplanmäßiger Professur auf einer 2/3-Stelle. Und als solcher ist er nur befristet angestellt. Sein Vertrag läuft Ende September aus und Klinikleiter Münte hat nun signalisiert, dass er diesen nicht verlängern wird. Eine Verlängerung käme in diesem Falle aus arbeitsrechtlichen Gründen einer Entfristung des Vertrages gleich, gegen die sich Münte nun entschieden hat.

Ein herber Schlag für die Psychologen, spielt Kasten doch eine wichtige Rolle in der Lehre: Er hält einen großen Teil der Vorlesungen und Seminare, hat mit der Schwarzen Reihe für Medizinische Psychologie eines der wichtigsten Lehrbücher für das Physikum geschrieben und kann nach rund 20 Jahren Lehre sowie langjähriger eigener psychotherapeutischer Praxis, die er nach wie vor mit halber Zulassung betreibt, wichtige Akzente setzen.

Für Kasten kam Müntes Entscheidung zunächst völlig unerwartet: „Münte hat am Semesteranfang mir gegenüber meine wissenschaftlichen Leistungen und die guten Vorlesungen gelobt.“ So war es auch überraschend, dass der Klinikleiter bei einem Personalgespräch Anfang April erklärte, er müsse über die Verlängerung noch nachdenken. Dieser Prozess zog sich knapp zwei Monate hin. Wie die Mitarbeiter der Medizinischen Psychologie bemängelten, fielen in dieser Zeit die sonst wöchentlichen Dienstbesprechungen aus. Aus Müntes Sicht war dies schlicht die Verkettung von verschiedenen Abwesenheiten der beteiligten Professoren. Zudem wollte Münte prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung Kastens ohne damit einhergehende Entfristung möglich sei. Nach dessen letzter Vorlesung verkündete er seine Entscheidung.

Für Kasten ist klar: „Die Kontinuität der Lehre in der Psychologie ist sowohl in der Vorklinik als auch in der Klinik akut gefährdet.“ Nach Kastens Weggang wären mit Dr. Reinhard Eder und Ann Catrin Arndt nur noch 1,5 Psychologen mit Lehre befasst, die eigentlich nebenbei noch forschen beziehungsweise ihren Einsatz in der Klinik finden sollten. An anderen deutschen Universitäten seien vergleichbare Institute mit fünf oder sechs vollen Stellen besetzt, so Kasten. „Bereits in den letzten Semestern hätte keiner von uns krank werden dürfen“, fügt er hinzu.

Diese Sorge kann Thomas Münte entkräften. Kastens 2/3-Stelle solle mit einer ganzen Stelle von einem jungen Neuro-Psychologen neu besetzt werden. Ziel sei es nun, die begonnenen Umbrüche in der Lehre fortzusetzen und das klinische Kommunikationsangebot sogar noch weiter auszubauen. Dafür, so Münte, sei streng genommen noch eine weitere Stelle notwendig, die jedoch nicht bis zum Wintersemester geschaffen werden könne – langfristig aber noch entstehen solle, nachdem die Sektion Medizin weiteres Personal zugewiesen hat. Mit dem Kontakt zur Neurologie sieht Münte außerdem eine Möglichkeit, schon früh für die Studenten eine Brücke zur Klinik zu schlagen, wovon diese nur profitieren könnten. Zudem möchte sich der Klinik-Direktor auch weiter selbst in die Vorlesung einbringen.

Kastens Nachfolger soll Dr. Daniel Wiswede sein, der derzeit in der Abteilung für Allgemeine Psychologie der Universität Jena tätig ist. Zuvor habe er laut Münte die Lehre der Medizinischen Psychologie der Uni Ulm mitgestaltet. Münte und Wiswede kennen sich jedoch schon seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Neuropsychologie an der Uni Magdeburg, wo Wiswede bei Münte promovierte.

Die Lehre scheint also gesichert. Für Erich Kasten ist es jedoch unverständlich, warum er gehen soll, wenn die Lehre doch aufgestockt wird. Auch seine Befürchtung, die ausgewiesene Lehrstelle könnte zu Gunsten einer Forschungsstelle geopfert werden, bleibe weiter bestehen, so sagt er. Doch hier kann der Klinikdirektor beruhigen: An der Uni Jena ist der junge Psychologe Wiswede derzeit als Dozent in diversen Vorlesungen und Seminaren involviert und weist somit durchaus fachliche Erfahrungen auf, die er auch in Lübeck einbringen kann.

Hier kommt zudem der Studiengangsleiter Prof. Jürgen Westermann ins Spiel. Zwar kann dieser nicht in die Personalentscheidungen der Kliniken eingreifen, als Bereichsleiter der Medizinerausbildung hat er jedoch ein strenges Auge auf alle Entwicklungen der Lehre. Ein Weggang sei immer mit Veränderungen verbunden, so Westermann, der die momentane Entwicklung jedoch positiv sieht. Für ihn stünden in erster Linie die personelle Verbesserung im Vordergrund. Zwar sieht Westermann auch die Erfahrung, die Kasten mitbringt, er hofft jedoch auch, dass ein Neuro-Psychologe neue Aspekte mit einbringen kann. Doch Westermann macht auch klar: Wenn nur noch geforscht werden sollte, wird darüber gesprochen werden müssen – und seinem Tonfall nach meint er damit kein Kaffeekränzchen!

Die Lehre – und das war die größte Angst der Verbliebenen in der Medizinischen Psychologie – scheint also tatsächlich gesichert und sogar aufgewertet. Was bleibt, ist jedoch ein schlechtes Gefühl bei den Betroffenen. Kasten ärgert sich in erster Linie darüber, dass seine Mühen der letzten Jahre, die Medizinerausbildung zu verbessern, in „keiner Weise gewürdigt würden“. Zudem könne er nicht verstehen, dass er trotz seiner hohen Qualifikation seinen Platz „zu Gunsten eines jüngeren, unerfahreneren Kollegen“ aufgeben muss.

Neben dem „Vitamin B“, das – wie Kasten bemängelt – möglicherweise Wiswede zu seiner neuen Stelle bei seinem alten Chef verholfen habe, scheinen hier auch persönliche Ansichten im Spiel zu sein. Denn anders ist die Aussage Müntes nicht zu deuten, dass ihm auch die Forschung wichtig sei, die er in einem funktionierenden Team durchführen möchte, und er fügt an: „Forschung ist kein Ein-Mann-Betrieb“. Dass er damit wohl auf Kasten anspielt, wird dann klar, wenn man sich mit dessen Forschungsgebieten auseinander setzt. Er befasst sich insbesondere mit Body Modifications – Piercings, Tattoos oder Entfernung von Extremitäten – und ist damit zwar erfolgreich und häufig in diversen Medien zitiert, aber recht allein auf weiter Forscher-Flur. Dass dies nicht in Müntes neurologisches Forschungskonzept passen mag, ist zwar spekulativ, aber dennoch recht offensichtlich. Zudem steht Münte offen zu der Beschäftigung seines ehemaligen Doktoranden: Er greife mit Wiswede auf einen ihm bekannten Mitarbeiter zurück, von dem er wisse, dass er gut mit ihm zusammen arbeiten kann.

Wie es weiter geht, gilt abzuwarten. Die Personalentscheidung scheint definitiv. Bleibt aus studentischer Sicht nur zu hoffen, dass die Lehre wie versprochen auch ausgebaut wird. Das einzige Instrument, das die Lernenden hier in den Händen halten, ist momentan die Evaluation. Denn diese betrachten alle: der Dozent, der Klinikdirektor und der Studiengangsleiter – und anhand der Ergebnisse werden auch künftig Entscheidungen getroffen!

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