Einen Monat ist es jetzt schon her, seitdem sich Benedikt in meiner Wohnung verwohnt hat.

Verwohnt?

Ja, das kommt von dem Verb „verwohnen“. Das ist wie sich verfahren oder verlaufen, nur in diesen Fällen versuchen die meisten Menschen zurückzufinden. Bei Benedikt kann ich solch ein Verhalten nicht wirklich erkennen. Er ist aus seiner alten Wohnung rausgeflogen und hat sich ungefragt bei mir häuslich eingerichtet. Ohne Anstalten zu machen, je wieder auszuziehen, Miete zu zahlen oder wenigstens den Müll runterzubringen.

Ich meine, er versucht schon was zu finden. Es ist aber mehr die Suche nach sich selbst als die Suche nach einer neuen Wohnung.

Ich hätte gar nicht gedacht, dass ihn der Rausschmiss aus seiner alten Wohnung so mitnimmt, aber jeden Morgen sitzt er stumm am Frühstückstisch und starrt mit glasigen Augen mein Star Trek-Poster an der Wand an.

Ich wage eine Annäherung.

„Du findest bestimmt keine neue Wohnung auf der Enterprise, oder?“

„Stell dir diese Freiheit vor. Grenzenlose Weiten. Unterwegs im All, auf der Suche nach neuen Lebensformen. Sich ohne Zwänge treiben lassen….“

Ich muss unterbrechen.

„Junge, ich glaube, du brauchst einfach mal neue Aufgaben, an denen du wachsen kannst.“

Kurzerhand greife ich einen Zettel, krame den Edding aus meiner Küchenschublade und schreibe auf den Zettel in Druckbuchstaben:

„ARBEITSLISTE BENEDIKT“

1. Miete zahlen

2. Aufräumen

3. Müll runterbringen

4. Wohnung suchen

Reiche ihm die Liste.

Er guckt skeptisch, dann ungläubig, dann wütend.

„Wie um Himmels willen soll ich denn eine Wohnung finden? Der Wohnungsmarkt ist angespannt und wenn man eine ansatzweise adäquate Wohnung findet, welche noch bezahlbar zu sein scheint, dann ist sie eben NICHT bezahlbar. Diese rückgratlosen Maklerhaie, die in ihren geschniegelten Anzügen und gelackten Schuhen die Hand aufhalten, die sind es, die mich so wahnsinnig machen.“

Da hat er natürlich Recht. Ich habe immer noch nicht verstanden, warum ein Makler, den ich nicht persönlich engagiere, von mir Geld verlangt für eine Wohnung, die ich mir selber rausgesucht habe. 1400 Euro für einmal Tür aufschließen und sagen: „Hier, das ist das Objekt, die Küche kostet 600 Euro extra, aber Sie müssen sie nehmen, der Teppichboden muss drinbleiben und außerdem interessieren sich noch 58 andere Klienten für diese Wohnung.“ Dankeschön!

Diese Halsabschneiderei kann einen durchaus in den Wahnsinn treiben. Ich kann schon verstehen, warum Benedikt so unmotiviert ist.

Da habe ich eine Idee: Das Maklerwesen kann ja gar nicht so schwierig sein.

Nehme mir die „Arbeitsliste Benedikt“ und ergänze folgende Punkte.

5. Geschniegelten Anzug kaufen

6. Gelackte Schuhe kaufen

7. Makleragentur gründen

Gebe ihm die Liste zurück.

Ein zufriedenes Lächeln macht sich auf seinem Gesicht breit.

„Das ist eine ganz hervorragende Idee. Was die können, das schaffe ich wohl im Handumdrehen.“ Voller Elan schwingt er sich vom Frühstückstisch, zieht sich an und macht sich auf den Weg in die Stadt. Er braucht jetzt unbedingt eine Zeitung, einen Terminplaner und einen neuen Anzug. Als er vom Einkaufen zurückkommt, verspricht er mir, von seiner ersten Provision den Makler für seine eigene Wohnung zu bezahlen.

Über Miete zahlen, aufräumen oder Müll runterbringen hat er leider immer noch kein Wort verloren.

Aber ich freue mich, ihn etwas aus seiner Lethargie herausgerissen zu haben. Geben ist immer noch seliger denn Nehmen!

 

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