Als bemerkenswert und verwunderlich kann es einem vorkommen, dass sich Ende Juni der Vorstand des Universitätsklinikums und das Präsidium der Universität um die Deutungshoheit über ein Gutachten streiten, das erst am 8. Juli vorgelegt wird. Stein des Anstoßes ist ein anstehendes Gutachten des Wissenschaftsrates, der im letzten Winter die Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein analysiert hatte. Doch nicht nur das Gutachten selbst, auch die Gutachter geraten in die Kritik des UKSH-Vorstands.

Der Wissenschaftsrat ist das die Bundesregierung in Forschung und Wissenschaftsfragen beratende Gremium. Im November 2010 hatte er begonnen, sich mit der Hochschullandschaft in Schleswig Holstein zu befassen, um im Sommer 2011 ein ausführliches Gutachten zu präsentieren. Prof. Dr. Peter Dominiak, Präsident der Universität, hatte sich damals auf die Begutachtung gefreut, und hoffte, die Uni Lübeck könne ihr neues Profil und den frisch gegründeten Wissenschaftscampus Lübeck vorstellen. Eine positive Begutachtung könne finanziell große Vorteile mit sich bringen.

Neue Brisanz hatten die Ergebnisse der Begutachtung gewonnen, als klar wurde, dass die Landesregierung ihre Entscheidung bezüglich des Uniklinikums auch auf dieser Grundlage treffen wolle. Die Ergebnisse des Markterkundungsverfahrens hatte Minister da Jager vor kurzem vorgestellt, verschiedene Investoren hatten sich für unterschiedliche Modelle gemeldet, darunter vollständige Privatisierungen oder die Übernahme durch das Universitätsklinikum Eppendorf, aber auch das sogenannte Asset-Modell. Das Universitätsklinikum bevorzugt dieses Asset-Modell, bei dem private Investoren die Liegenschaften, also die Gebäude auf dem Campus, übernehmen und diese sanieren oder neu bauen. Das UKSH würde die Gebäude dann mieten, die Krankenversorgung und der Klinikbetrieb selbst blieben aber in öffentlicher Hand. Das Land selbst sieht sich außer Stande, die Sanierung, welche mindestens 700 Millionen Euro kosten würde, durchzuführen.

In seinem Gutachten scheint der Wissenschaftsrat, so klinge es laut Medienberichten im bekannt gewordenen Entwurf, nun eine Defusionierung der Standorte Kiel und Lübeck zu empfehlen. Dabei geht die Fusion selbst auch auf eine Empfehlung des Wissenschaftsrates zurück. Auch dieser Empfehlung folgten damals Proteste der Mitarbeiter des Klinikums. Doch nun schreibt der Wissenschaftsrat, es seien “keine wesentlichen Verbesserungen der wissenschaftlichen, klinischen und wirtschaftlichen Leistungen der Universitätsmedizin” erkennbar und möchte zum Modell von zwei Standorten zurückkehren.

Mit scharfen Worten hat sich nun der Vorstand in einem uns vorliegenden Infobrief, den auch der Vorstandsvorsitzende Jens Scholz unterschrieb, an die 10.000 Mitarbeiter des UKSH gewandt. Darin heißt es “Wir alle sind es inzwischen gewohnt, Spielball verschiedenster Interessenlagen zu sein. Nun hat der Wissenschaftsrat die Begegnung Kiel gegen Lübeck angepfiffen und nach dem, was wir bis jetzt über den Spielstand zu hören und lesen bekommen, können wir nicht umhin zu bemerken: Der Schiedsrichter erscheint parteiisch.” In dem Gutachten würde die Forschung und Lehre in Lübeck zwar zu recht gelobt, der Wissenschaftsrat “kritisiert in Kiel aber die Forschung und Lehre zu Unrecht.”

Die Leitung des UKSH spricht von offensichtlicher Befangenheit der Gutachter und hält es für angebracht, das Gutachten zurückzuziehen und zu wiederholen. Ein neues Gutachten hätte die Möglichkeit, sich nur auf Forschung und Lehre, laut UKSH der Kompetenzbereich des Wissenschaftsrats, und nicht um die Wirtschaftlichkeit eines Klinikums zu konzentrieren.

“Die Mitglieder des Wissenschaftsrates sind hervorragende Wissenschaftler – aber keine Wirtschaftsexperten. Deshalb kann man vom Wissenschaftsrat nicht verlangen, dass er sich qualifiziert zu der wirtschaftlichen Zukunft eines milliardenschweren Unternehmens äußert. Vor Ort haben sich die Gutachter im UKSH gerade einmal zwei Stunden mit der Krankenversorgung befasst.”

“Konsistent erscheint uns allerdings, dass der Vorsitzende der Gutachterkommission die Fusion seines eigenen Hauses, des Universitätsklinikums Magdeburg, mit dem Universitätsklinikum Halle vehement bekämpft. Da kann er schlecht die Fusion von Kiel und Lübeck loben.”

Vor einem Jahr klang das noch ganz anders “Für das UKSH ist der Besuch des profundesten Wissenschaftsgremiums eine große Chance, die Leistungsfähigkeit des einzigen Maximalversorgers im Land bewerten zu lassen.”, bemerkte Scholz damals in einer Presserklärung der Universität Kiel unter dem Titel “Schleswig-Holsteins Hochschulmedizin begrüßt Wissenschaftsrat“.

 

Lukas Ruge

Ein solcher Umgang mit dem Wissenschaftsrat sei ohnehin bereits ein ungewöhnlicher Vorgang, dass dies geschieht, bevor das Gutachten vorliegt, sei ebenfalls bedenklich, schreibt Universitätspräsident Peter Dominiak. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit hat er sich in einem Schreiben, dass dem StudentenPACK ebenfalls vorliegt, an die Mitarbeiter des Universitätsklinikum gewandt. “Es kann einfach nicht unwidersprochen bleiben, dass dem Vorstand Form und Inhalt solch ungeheure Vorwürfe gegen den Wissenschaftsrat verbreitet werden. Und dies, nachdem lediglich ein Entwurf vorliegt, der vom Wissenschaftsrat nicht abgesegnet ist.”

Auch Dominiak spart mit Angriffen nicht: “Hier wird das höchste wissenschaftliche Gremium der Bundesrepublik in einer Art und Weise diffamiert, mit der sich der Vorstand eines Universitätsklinikums selbst nur disqualifizieren kann.” Eine Ansicht, der sich der AStA anschließt, in einer Stellungnahme heißt es: “Den vorläufigen Bericht für eine derart diffamierende Kritik heranzuziehen, wie es der UKSH-Vorstand getan hat, lässt sich nur noch als affektierter Beißreflex beschreiben.” Gleichzeitig bedauert der AStA das schlechte Klima zwischen Präsidium und Vorstand.

Die Hintergründe des Streits zwischen Klinikumsleitung und Präsidium sind dabei schwer zu durchschauen. Immer wieder, auch während des Existenzkampfes der Universität im letzten Jahr, oder der Demonstration von Beschäftigten des Klinikums und Studenten gegen die Privatisierung, kam es zu mehr oder weniger verdeckten Angriffen von beiden Seiten.

Hierbei geht es unter anderem um Finanzen. Das Universitätsklinikum muss Teile seines Budgets in die Lehre investieren, ob dies im ausreichenden Maß stattfindet, ist immer wieder Grund für Streitereien zwischen den Führungsgremien. Auch die Sichtweise zur Fusion der Unikliniken ist unterschiedlich. Von Seiten des Präsidiums hieß es immer wieder, die Fusion sei ein Fehler gewesen, das Lübecker Uniklinikum habe schwarze Zahlen geschrieben. Das UKSH hingegen schaffte es 2009 ins Schwarzbuch der Steuerzahler. Auch die von Jens Scholz und Jost de Jager hochgelobte “Schwarze Null” des Jahres 2010 war für viele Beobachter Bilanzkosmetik.

Auch die drohende Privatisierung heizt die Gemüter an. In einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Ende März schrieben 39 Professoren – darunter der Ex-Vorstandschef Bernd Kremer: das permanente Sparen und die Jagd nach der schwarzen Null würden das Patientenwohl gefährden. Ein Aufstand von Klinikchefs, der aus Kiel kam, aber dennoch in der Landesregierung kein Gehör fand. Auch im Infobrief zum Wissenschaftsrat heißt es: “Wenn defusioniert wird ist allerdings klar, dass das Einfallstor für eine Privatisierung geöffnet ist. Diejenigen, die heute schlecht über uns reden, sollten es sich gut überlegen, ob sie ihre egoistischen Ziele dann wirklich noch erreichen können.” Wessen egoistische Ziele damit gemeint sind, kann man sich leicht überlegen.

Vor dem Hintergrund der Privatisierung wundert es auch gar nicht, dass die CDU-Fraktion im Landtag der Defusion der Kliniken offen gegenübersteht: “Wir werden die endgültige Expertise des Wissenschaftsrates zur Struktur der Hochschulmedizin nach deren Vorlage am 8. Juli sorgsam auswerten. Dazu gehört auch die Empfehlung zur Trennung der beiden Standorte des Universitätsklinikums in Kiel und Lübeck.”, erklärt Daniel Günther, hochschulpolitischer Sprecher der CDU. Die SPD, welche die Fusion ursprünglich in die Wege geleitet hatte, lehnt den Vorschlag des Wissenschaftsrats hingegen ab.

Die Leitung der Universität wiederum nimmt keine Position gegen Privatisierungen ein. Hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder klar, dass viele glauben, nur ein effizienter privater Investor könne den Karren noch aus dem Dreck ziehen.

 

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