Vor gut einem Jahr wurden die Fakultätsgrenzen an unserer Uni aufgehoben. Im Rahmen der „Univision“ wurden statt dessen Sektionen gebildet, die zwar die gleichen Fachbereiche umfassen, jedoch eine engere Zusammenarbeit ermöglichen, als das zwischen den Fakultäten möglich war. Viele universitäre Gremien blieben ähnlich besetzt, bekamen aber einen neuen Anstrich und neue Funktionsbezeichnungen. So wurden zum Beispiel die Dekane der Fakultäten, die bis dato den Konventen vorstanden, zu Senatsausschussvorsitzenden der Sektionen. Mit dem neuen Amt kam bei den Medizinern auch ein neuer Amtsträger: Prof. Dr. Werner Solbach schied aus, seinen Platz übernahm Prof. Dr. Fritz Hohagen, Chefarzt der Psychiatrie. Diese Amtsübergabe ist nun ein Jahr her, Halbzeit also für einen Posten, der alle zwei Jahre zur Wahl steht. Wir haben uns mit Prof. Hohagen getroffen, ihn gefragt, was sein Amt ausmacht und mit ihm über die neuen Strukturen der Universität gesprochen.
Herr Prof. Hohagen, was ist Ihre Aufgabe als Senatsausschussvorsitzender?

Vorsitzender des Senatsausschuss bedeutet, dass man die Organisation der Sektion Medizin mit betreibt. Da geht es um Berufungsverfahren und um die Struktur der Sektion. Es gibt ja nicht mehr die Fakultät Medizin, da die Fakultätsgrenzen aufgelöst wurden. Die Sektion Medizin ist nun sozusagen die Organisationseinheit, die Schnittstelle zwischen der klinischen Versorgung und der wissenschaftlichen Betätigung im Fach Medizin. Es geht auch um die Organisation der Lehre und der Wissenschaft. Also eigentlich das, was früher der Dekan gemacht hat.

Auf Grund der neuen Verfassung gibt es jetzt die Besonderheit, dass alles in engster Absprache mit dem Präsidium erfolgt. Das heißt, der Senatsausschussvorsitzende der Medizin ist einmal pro Woche zum Gespräch im Präsidium, wo Frau Gillessen-Kaesbach Präsidiumsmitglied für die Medizin ist. So kooperieren wir auf engste Weise. Durch die Verfassung ist es auch sehr wichtig geworden, dass der Senatsausschussvorsitzende und das Präsidiumsmitglied der Medizin eng zusammen arbeiten. Frau Gillessen-Kaesbach leitet beispielsweise den Forschungsausschuss, ich leite den Strukturausschuss und es gibt eine ganz enge Kooperation. Sonst funktioniert das nicht.

Nun wurden die Fakultätsgrenzen ja auch aufgelöst, um eine engere Zusammenarbeit mit der ehemals technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät zu erreichen. Wie läuft das ab?

Ich denke, durch die neue Struktur sind tatsächlich deutlich mehr Berührungspunkte da. Das liegt auch schon an der Struktur des Präsidiums, wo auch die jetzige Sektion MINT vertreten ist. Das Präsidium ist paritätisch besetzt und Herr Prestin ist als Senatsausschussvorsitzender der MINT genauso vertreten wie ich. Allein über das Präsidium gibt es sehr enge Berührungspunkte. So lernt man auch immer mehr, gesamtuniversitär zu denken. Man denkt also nicht mehr nur in den Fakultätsgrenzen sondern aus Sicht der Universität. Und gerade an so einer kleinen Schwerpunktuni, wie das Lübeck ist, bietet es sich an, die Fakultäten aufzuheben und die Schnittstellen zwischen MINT und Medizin durchlässiger zu machen. Ich glaube, das funktioniert sehr gut.

Ist das eine rein organisatorische Angelegenheit oder können tatsächlich auch die Studenten davon profitieren?

Ich denke, von der Durchlässigkeit können auch die Studenten profitieren. Wenn sie beispielsweise daran mitarbeiten, die Lehrangebote, die sie interessieren und die fakultätsübergreifend sind, darzustellen. Vielleicht wäre es jetzt auch an der Zeit, dass die Studentenschaft unter sich oder mit mir oder Frau Gillessen-Kaesbach diskutiert, wie man aus dieser Aufhebung neue Angebote schaffen kann, die auch eine Bereicherung für das Medizinstudium darstellen.

Woran hätten Sie da gedacht?

Ein interessanter Bereich könnte die Vernetzung mit der Medizintechnik sein, was ja auch das Profilmerkmal der Universität ist, sich aber im Humanmedizinstudium gar nicht so abbildet. Beispielsweise neue computergestützte OP-Techniken oder Bildauswertungsverfahren. Das ist vielleicht nur für eine kleine Gruppe von Studenten von Interesse, die sich schon ein wenig spezialisieren will. Da hätte die Universität viel zu bieten und diese Untergruppe könnte profitieren, beispielsweise in Form von Wahlfächern.

Um zu Ihrem Amt zurück zu kommen: Wie wird man eigentlich Ausschussvorsitzender?

Eigentlich so, wie man Dekan wurde. Man wird von der Sektion Medizin gewählt. Innerhalb der Sektion wählen die Professoren, die Studierenden und der akademische Mittelbau jeweils unter sich die Vertreter für den Senatsausschuss. Das ist die gleiche Anzahl wie vorher im Konvent. Und der Ausschuss wählt dann in einer demokratischen Wahl seinen Vorsitzenden und darüber hinaus das Präsidiumsmitglied der Medizin.

Was hat Sie bewegt sich zur Wahl zu stellen?

Zum einen wurde ich gebeten, das zu machen. Zum anderen hat es mich schon gereizt, diese neue Organisationsstruktur der Universität zum Leben zu erwecken. Die enge Kooperation ist ja wie gesagt sehr wichtig und das erschien mir sehr gut möglich. Das war einer der Gründe, weswegen ich das übernommen habe. Zum anderen war nach der Lübeck-kämpft-Phase so eine Aufbruchstimmung da. Ich denke, wir sind gestärkt aus dem Konflikt hervor gegangen und ich dachte, es sei ein guter Zeitpunkt, um sich für die Universität einzubringen.

Worauf legen Sie Wert bei Ihrer Arbeit?

Ich bemühe mich um sehr viel Transparenz und darum, dass das was ich mache auch sehr offen diskutiert wird. Dabei möchte ich möglichst viele in die Diskussion einbeziehen und versuchen, zu einem Konsens zu kommen. Diese Diskussionskultur ist schon allein durch die neue Organisationsstruktur mit dem Präsidium bedingt.

Sie sind neben Ihrem Posten als Ausschussvorsitzender auch noch als Psychiater tätig, Sie sind im Habilitationsausschuss und zusätzlich für die Lehre verantwortlich. Wie verträgt sich das alles?

Gut, ich muss schon sagen, dass der Senatsausschuss sicherlich noch einmal wie eine Halbtagsstelle ist, die oben drauf kommt, mit deutlich verstärkter Arbeitsbelastung. Ich habe aber das Glück, dass ich mich hier in der Klinik auf ein sehr gutes Team stützen kann, das mir den Rücken frei hält. Sehr viele klinische Aufgaben werden im Moment von meinen leitenden Oberärzten übernommen. In der Lehre halte ich die Hauptvorlesungen, aber die Untersuchungskurse werden von meinen Mitarbeitern gemacht. Die Konzepte besprechen wir alle zusammen. Und die Lehre kommt immer sehr gut an, in der Evaluation sind wir immer in den oberen Rängen zu finden und darüber freuen wir uns doch sehr.

Wie sieht Ihr Arbeitstag in etwa aus?

lacht) Das Schöne ist ja, dass der Arbeitstag sehr vielfältig ist. Da sind die administrativen Aufgaben der Klinikleitung, die wissenschaftliche Betätigung, also der Dialog mit den Arbeitsgruppen für die wissenschaftliche Arbeit. Da ist die Organisation der Lehre und die klinische Arbeit mit den Patienten. Ich mache meine Visiten, ich habe meine Privatpatienten in der privaten Sprechstunde. Und dann ist da die Arbeit als Senatsausschussvorsitzender, sodass sich je nach Schwerpunkt die Tage unterschiedlich strukturieren. Der Dienstag ist zum Beispiel mehr oder weniger Universitätstag, wo ich mehrere Stunden tätig bin. Der Tag wird momentan häufig unterbrochen durch Ausschusssitzungen, vor allem von Berufungsausschüssen, da momentan mehrere Berufungen laufen. Das Schöne daran ist, dass es eben so vielfältig ist. Allerdings ist es auch nicht selten, dass ich erst um 22 oder um 23 Uhr aus der Klinik komme. Und ich fange meinen Tag immer um halb 9 an.

Was tun Sie, um Abstand zu gewinnen? Haben Sie noch freie Zeit?

Ja sicher, ich hab auch noch freie Zeit, so ist es nicht. Die verbringe ich natürlich mit meiner Familie. Wir haben einen großen Freundeskreis, mit dem wir viel unternehmen und das ist dann eigentlich ein ganz gutes Gegengewicht. Das ist zwar ein bisschen weniger geworden und deswegen ist es auch gut, dass man nur für zwei Jahre gewählt ist (lacht). Aber es bleibt immer noch Zeit für Freunde und meine Interessen und natürlich für meine Familie.

Haben Sie schon Pläne, wie das weitergehen soll? Mit der Uni, mit Ihrer Funktion?

Na gut, jetzt sind wir bei der Halbzeit. Ich hab jetzt ein Jahr hinter mir und damit kann man jetzt zwischenbilanzieren, was erreicht wurde und was nicht. Es ist sehr viel auf den Weg gebracht worden, beispielsweise die Ausweitung der Wissenschaftsmöglichkeiten: Die Bildgebung wurde gepusht, die Tierhaltung. Das sind die zwei wichtigen Strukturen, um neue Großanträge zu stellen. Das wurde auf einen guten Weg gebracht. Berufungen wurden getätigt. Die erste Bilanz zeigt, dass sich die neue Struktur bewährt hat, dass es gut läuft, dass es Spaß macht in dem neuen Gremium zu arbeiten und jetzt warten wir mal das nächste Jahr ab und dann denke ich erst weiter.

Aber Sie wollen nicht grundsätzlich ausschließen, dass Sie sich nicht nochmal zur Wahl stellen?

Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Jetzt muss ich erstmal meinen Job gut machen. Es ist schon sehr viel Arbeit, das muss man schon sagen und ich müsste sicherlich zunächst mit meiner Familie darüber sprechen. Und natürlich muss die Sektion das überhaupt wollen. Aber darüber mache ich mir im Moment absolut keine Gedanken. Jetzt wird erstmal die Zeit möglichst gut absolviert.

Welche Botschaft möchten Sie den Studenten mit auf den Weg geben?

Ja gut, ich denke, dass dieser heiße Sommer letztes Jahr die Universität sehr zusammengeschweißt hat. Und das Engagement der Studenten fanden wir wirklich überwältigend, das fanden wir ganz toll. Wenn sie sich für diesen Standort und diese Universität auch weiter so begeistern und einsetzen, glaube ich, dann wird auch das Besondere was Lübeck hat, nämlich dass es eine kleine Uni ist, wo man sich kennt, auch aus den Kursen oder dem Mentorenprogramm. Ich glaube, das ist wirklich ein sehr guter Studienort. Und wenn die Studenten diese Botschaft so nach außen tragen, glaube ich, dann hätten sie auch sehr viel weiter für die Uni getan.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

 

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