„Was in der alten Hansestadt geschah, ist wohl einmalig in der deutschen Stadtgeschichte”, schreibt Björn Engholm und meint damit den Protest zum Erhalt der Uni Lübeck. Die Chronologie dieser einmaligen Protestbewegung, die Universitätspräsident Dominiak sogar als Ouvertüre zu den Bürgerprotesten in Stuttgart sieht, hat die Biologin und freie Journalistin Julia Offe geschrieben, die bereits im Vorjahr für das Laborjournal über die Geschehnisse in Lübeck geschrieben hat. Das StudentenPACK hat exklusiv eine Vorabversion von „Eine Stadt sieht Gelb – Wie Lübeck seine Uni rettet” erhalten, welches nach der Buchvorstellung am 15. Juni um 17:30 Uhr in der Universitätskirche St. Petri am 16. Juni im Buchhandel erscheint.

Lukas Ruge

Der Kampf des letzten Sommers in Buchform

Das Datum kommt nicht von ungefähr. Ein Jahr zuvor, am 16. Juni 2010, demonstrierten 14.000 Menschen in Kiel gegen die Pläne der Landesregierung. Dieser Protest ist zwar nicht das Ende des Buches, so wie die Demo nicht das Ende des Kampfes war, aber wie im Sommer 2010 bildet dieser Abschnitt in der Geschichte so etwas wie den emotionalen Höhepunkt. Eine Wendung, die in den ersten 70 Seiten immer wieder angedeutet wird.

 

 

Doch ansonsten hält sich Offe in ihrer Schilderung mit Emotionen eher zurück: Der Rausch, die unglaubliche Begeisterung nach gelungenen spontanen Aktionen wie vor dem Scandic Hotel, aber auch die Arbeit bis zur völligen Übermüdung und Erschöpfung finden daher kaum Platz. Dies ist hinsichtlich einer objektiven Darstellung der Ereignisse ebenso wünschenswert wir richtig, fühlt sich aber dennoch irgendwie falsch an.

„Es fehlt das Adrenalin“, denkt man sich, wenn man sich zurück erinnert. Nun ist „Eine Stadt sieht Gelb” nicht nur für jene geschrieben, die gekämpft haben und so ist eine ruhige und vollständige Sicht auf die Fakten eine wichtige Grundlage der Aufarbeitung.

An Vollständigkeit mangelt es dem Buch nicht. Lediglich der mit Verdi veranstaltete Protest des AStAs zum Erhalt der Uniklinik kommt zu Beginn etwas zu kurz. Julia Offe hat mit unzähligen Beteiligten gesprochen und webt die Protestgeschichte im Detail zusammen. Dabei ist auch für jene, die in den Gremien aktiv waren, immer noch eine Geschichte dabei, die neu ist: So verhärteten sich nicht nur die Fronten zwischen Studenten und Landesregierung, auch unter Kollegen an den Universitäten in Lübeck und Kiel gab es Spannungen, die anhand von Emails und Erinnerungen nachgezeichnet werden.

Natürlich finden auch alle Aktionen des Sommers Erwähnung. Von den Spontandemos und den Exilvorlesungen bis zu den Großdemonstrationen in Kiel und Lübeck.

Weiland

"Eine Stadt sieht Gelb" erscheint am 16. Juni

Immer wieder verlässt Offe die gut bebilderte chronologische Darstellung für rückblickende Interviews oder Essays Beteiligter. Das ist manchmal informativ, wenn die damalige AStA-Vorsitzende Linda Krause über ihre Rolle als Person in der Öffentlichkeit spricht, und manchmal bemerkenswert, wenn Josephine von Zastrow, Redakteurin der Lübecker Nachrichten beschreibt, warum gerade Regionalzeitungen Partei ergreifen können und müssen. Manchmal sind die Texte auch ärgerlich, wenn zum Beispiel der Lübecker FDP-Abgeordnete Gerrit Koch, der jeden Tag in den Wochen des Protests und des verzweifelten Kampfes die Gelegenheit gehabt hätte, den Plan der Landesregierung zu vereiteln, in einem Text die Gelegenheit bekommt, sich als ehrlicher Zweifler und geheimer Kämpfer für die Lübecker Uni rein zu waschen.

 

 

Auf fast 200 Seiten bietet „Eine Stadt sieht Gelb“ einen lohnenden Rückblick, es vereinigt die Stimmen hinter einer außergewöhnlichen Kette von Ereignissen und für jene, die davon nicht genug bekommen, bietet es QR-Codes, mit denen man per Smartphone Videos aufrufen kann.

Die Autorin

Julia Offe, Jahrgang 1973, ist promovierte Biologin und lebt als freiberufliche Wissenschaftsjournalistin in Hamburg. Im Sommer 2010 berichtete sie bereits mehrfach für das Laborjournal über die Aktion „Lübeck kämpft für seine Uni“.

 

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