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Georg Cantor blickt in die Rätsel der Unendlichkeit.

Die Mathematik behandelt üblicherweise Zahlen, von ganz kleinen Zahlen bis hin zu unvorstellbar großen Zahlen. Georg Cantor (1845–1918) befasste sich zunächst mit Zusammenfassungen von beliebigen Objekten, also mit Mengen, und gilt als Begründer der Mengenlehre. Dabei stellte er sich eine Frage: „Wie groß ist eigentlich Unendlich – und gibt es unterschiedliche Arten von Unendlich?“

David Foster Wallace nähert sich diesem Thema anschaulich, indem er zunächst an praktischen Beispielen erläutert, dass es zwei Arten von Unendlichkeit gibt, mit denen Mathematiker seit der Antike konfrontiert werden: zum einen die des unendlich Kleinen am Beispiel der Zahl $\sqrt{2}$, die unendlich viele Nachkommastellen besitzt. Dazu betrachtet er, wie bereits Pythagoras, ein rechtwinkliges Dreieck, bei dem die beiden Seiten am rechten Winkel jeweils die Länge 1 haben, die dritte Seite ergibt sich in diesem Dreieck eben zu $\sqrt{2}$. Diese Zahl kann man weder mit Stift und Papier mit ihren Nachkommastellen aufschreiben noch durch einen Bruch darstellen. Diese unendlich kleinen Dinge führten dann bei Gottfried W. Leibniz und Isaac Newton im 17. Jahrhundert zur Grenzwertbildung und somit zum Begriff des Integrals. Zum anderen die Unendlichkeit in der Größe, bei der in der heutigen Anschauung wahrscheinlich das Universum zuerst im Kopf auftaucht. Dieses ist jedoch nur sehr sehr groß und nicht unendlich.

Über viele solche Beispiele, etwa auch eines von Galilei, führt das Buch durch die Geschichte der Mathematik, die an Probleme der Unendlichkeit stößt. Dies ist etwa bei der Betrachtung von Wärmegleichungen der Fall, also wie sich Wärme verteilt und zeitlich verändert. Cantor beschreibt diese Probleme in einer sehr abstrakten Theorie und löst damit einige Probleme schließlich durch seine Charakterisierung. In dieser unterscheidet er zwischen dem „abzählbar Unendlichen“ und dem „überabzählbar Unendlichen“. Davon ausgehend unterscheidet er viele Arten von Unendlichkeiten. Die Auswirkungen dieser Entdeckung reichen bis in die heutige Zeit, denn die daraus resultierende Kontinuumshypothese führt zu Kurt Gödel – dessen Unvollständigkeitssatz eher ein eigenes Buch verdient.

Neben der Beschreibung der Konzepte der Mathematik erzählt Wallace aber auch die persönliche Geschichte der Mathematiker, vor allem natürlich Cantors selbst. Mit seiner Theorie war er seiner Zeit weit voraus und erntete mit seinen Veröffentlichungen viel Kritik. So etwa von Leopold Kronecker, einem der Professoren, bei denen er in Zürich studierte. Viele seiner Zeitgenossen waren der Auffassung, dass die Theorien Cantors nicht nur keinen praktischen Nutzen haben, sondern auch zu Widersprüchen führen, die in der Mathematik damals noch als undenkbar galten. Heute ist – wie das Buch ebenfalls erzählt – mit den Arbeiten von Kurt Gödel und Alan Turing die praktische Relevanz gezeigt. Aber auch abseits der Kritik, mit der Cantors Theorien aufgenommen worden sind, verzweifelte Cantor an der von ihm postulierten Kontinuumshypothese. Diese wurde von Hilbert als erstes Hilbertsches Problem in seiner Rede im Jahre 1900 genannt.

Wallace gibt zu Beginn zu, dass in einem populärwissenschaftlichen Buch die Mathematik zu ungenau werden kann. Daher verwendet er außer einer großen Menge an Fußnoten den Begriff FESI für „Falls es sie interessiert“ – wobei im englischen Original die schönere Formulierung FYI für „For your Interest“ zu übersetzen versucht wurde. Er verlagert so die formellen mathematischen Aussagen in Fußnoten und kleine thematische Ausflüge, um sich hauptsächlich mit den Ideen und Konzepten der Unendlichkeit zu beschäftigen. Obwohl er damit nicht vermeiden kann, auch im Haupttext die eine oder andere mathematische Formel zu nennen, nutzt er sie dort lediglich zur kürzeren Schreibweise. Er erläutert die Konzepte umgangssprachlich und schafft es dabei, eine unterhaltsame Darstellung zu finden, die sich sehr gut lesen lässt. Man benötigt auch kein Vorwissen in der Mathematik, denn die Erklärungen beginnen anschaulich und informell in den Grundlagen und bleiben stets bildlich. Wallace schafft es, in klaren, einfachen, informellen Worten die Faszination an der Mathematik der Unendlichkeit zu wecken und die Probleme darzustellen, wenn abstrakte Gedanken nicht mehr unbedingt der eigenen Intuition folgen können.

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