Ja, der Frühling. Das ist schon eine schöne Sache. Die Temperaturen steigen, die Tage werden länger, die Röcke kürzer und das Leben irgendwie ausgelassener.

Mit genau dieser Stimmung der Ausgelassenheit sitze ich so am Kanal und versuche, dieses Gefühl irgendwie zu konservieren, festzuhalten und für den nächsten Winter abzuspeichern. Doch so richtig kann ich mich nicht konzentrieren, denn im Minutentakt werde ich vom Schnauben der kurz vor dem Kollaps befindlichen Jogger gestört. Mit hochrotem Kopf, schweißnass und mit verzweifeltem Blick ziehen die Massen an mir vorbei. Die meisten versuchen zudem noch, den wild in ihrem Ohr pochenden Puls durch noch lautere Musik zu übertönen. Man fühlt sich fast wie im Hüx. Von den Foo Fighters über Katy Perry bis hin zu Roxette, alles dabei. Geschmack ist eben Bandbreite.

Während ich hier so sitze, frage ich mich, was die Leute denn so antreibt. Ist es nur das Wetter? Ist es ein Ur-Instinkt sich bei den ersten Sonnenstrahlen bis zur völligen Erschöpfung zu verausgaben? Oder ist der Mythos der Schwimmbadfigur die Triebfeder des ganzen Wahnsinns?

Ich denke kurz darüber nach, das Tierreich zu beobachten, um die Ur-Instinkt Idee zu überprüfen, merke aber schnell, dass ich mich auch sonst nicht für das Tierreich interessiere und somit keine Ahnung habe, ob da jetzt mehr los ist als sonst. Schreibe mir aber sicherheitshalber eine Notiz auf das Kaugummipapier in meiner Hosentasche, die mich daran erinnern soll, im laufenden Jahr mehr auf die Tiere zu achten, um vielleicht nächstes Jahr diese Theorie zu überprüfen.

Ich stecke grade das Papier zurück in meine Hosentasche, als ich Benedikt entdecke. Federnd, rhythmisch, schnell und dynamisch….. alles Worte, die im Moment in keinster Weise auf ihn zutreffen. Er schwingt sich mit letzter Kraft neben mich auf die Bank.

Dann zeigt er mir stolz seine neusten Trainingsutensilien: Pulsuhr, Laufschuhe, Schweißband, iPod, Tragegurt und wasserdichte Kopfhörer. Alles von TCM im Set für 49,99€ und einen Energiebar gab es noch dazu. Ich bin beeindruckt.

Benedikt erklärt mir, dass es ihn einfach zufriedener mache, seinen Körper bei diesem herrlichen Wetter zu schinden, um danach völlig ausgelassen und entspannt aus der Dusche zu kommen und ein Bierchen zu trinken. Dann sei er richtig glücklich.

Ausgelassenheit und Entspannung sind mir persönlich ja schon wichtig. Und ein Bierchen ist eigentlich auch immer gut.

Am nächsten Tag beschließe ich kurzerhand, meine alten Fußballschuhe aus dem Schrank zu kramen, um bei frühlingshaften Temperaturen und schönstem Sonnenschein ein bisschen zu kicken. Ich treffe am Bolzplatz eine Horde Jungs, die allesamt älter aussehen, als sie eigentlich sind. Liebevoll nennen die mich Opa und siezen mich, aber das stört mich erst mal nicht. Nach 20 Minuten bin ich schon zwei mal umgeknickt und habe Schnappatmung, aber meine Gedanken sind stets bei dem kühlen Bierchen. Und dann passiert es. Ich will sprinten, spüre einen Ruck im Oberschenkel und schlagartig schießt mir der Schmerz ins Bein: MUSKELFASERRISS! Na toll.

Ich fahre nach Hause, humpele unter die Dusche, bin völlig verspannt und spüle die Schmerztablette mit einem halben Liter Isostar runter. Setze mich danach auf das Sofa und bin so gar nicht ausgelassen.

Und das Bier, das ich mir ins Kühlfach gelegt hatte, um es eiskalt zu genießen, ist zudem noch geplatzt.

Aber morgen soll es endlich wieder regnen, da kann ich ganz ausgelassen auf dem Sofa liegen und fernsehen, das wird ein Spaß!

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