Hans-Gerd Strobel

Arbeiten im Reinraum.

Haus 76 – es liegt etwas abgelegen, unscheinbar hinter dem Zentralklinikum. Doch ohne dieses Gebäude wäre der normale Krankenhausbetrieb kaum denkbar. Hier befindet sich das Materiallager, von hier aus wird gereinigte Wäsche zurück zur Station geschickt und hier liegt das Herzstück der medikamentösen Versorgung: die Apotheke des UKSHs.

Im ersten Stock des Gebäudes treffe ich Hans-Gerd Strobel, Apotheker und Leiter dieser Einrichtung. Das Fenster seines geräumigen Büros gibt den Blick frei auf das vorweihnachtliche Schneegestöber draußen, im Regal stehen antike Apotheker-Utensilien. Von hier aus wird also die Versorgung der Patienten überwacht und zwar nicht nur auf dem Lübecker Campus, sondern auch für den Campus Kiel, für die Sana-Kliniken in Lübeck und Travemünde sowie einige kleinere Häuser und onkologische Ambulanzen.

Strobels Apotheke ist dabei eine der größten ihrer Art im Bundesgebiet. Sie ist für die Versorgung von rund 3000 Betten verantwortlich, 68 Mitarbeiter sorgen für einen Jahresumsatz von über 80 Millionen Euro. Davon werden mit Medikamenten jedoch nur rund 55 Millionen umgesetzt. Der Rest entsteht bei der Belieferung aller größeren Laboratorien im UKSH mit Chemikalien, Verbrauchsmaterialien und Gerätschaften – ein großer Bereich, für den die Krankenhausapotheke eine eigene logistische Abteilung führt.

Das oberste Ziel ist auch hier die optimale Versorgung der Patienten. Diese sei jedoch komplexer als bei niedergelassenen Kollegen, so Strobel. Es gebe individuelle Anfertigungen, vor allem im Bereich der Zytostatika-Therapie zur Krebsbehandlung. Doch auch mit der Kinderklinik wird eng zusammengearbeitet. Der Markt für Medikamente, die bei Kindern zugelassen sind, sei zu klein, die Kinder in der Klinik jedoch gravierend krank. Es müssen Medikamente aus dem Erwachsenenbereich genutzt werden und hier kommt wieder die Apotheke ins Spiel: Die Medikamente werden entsprechend Alter, Größe und Gewicht des Kindes verdünnt. Viel Wert legt Strobel hier auf die gute Zusammenarbeit mit den Kinderärzten, denn nur im „aktiven Wechselprozess“ zwischen den Beteiligten kann das bestmögliche Ergebnis erzielt werden.

Susanne Himmelsbach | StudentenPACK.

Frisch zubereitet für die Kinderstation

Wichtig ist dabei auch, dass der Campus Kiel eine eigene Dependance hat, denn gerade im Bereich Pädiatrie und Zytostatika sei der Zeitraum von Herstellung zu Verabreichung ein „kritischer Schritt“. Viele Medikamente, so Strobel, hätten nur eine kurze Halbwertszeit. Die Versorgung beider Campi von einem Standort aus wäre also kaum möglich.

Doch auch davon abgesehen sei die Apotheke ein großer Herstellerbetrieb: Hier entstehen unter anderem Salben für die Hautklinik, Augentropfen für die Augenklinik, Notfallspritzen für die OPs und diverse Spüllösungen für verschiedene Katheterarten. Doch auch zur Herstellung normaler Medikamente sei man hier in der Lage. Wenn der Patentschutz eines Medikaments ausläuft und die Pharmaindustrie den Preis nicht entsprechend senkt, könne es schon vorkommen, dass die Lübecker Klinikapotheker selbst tätig werden: So wurden beispielsweise bis vor wenigen Jahren das Antibiotikum Metronidazol oder das Pilzmittel Fluconazol produziert, bis die Preise auf dem Markt in günstigere Bahnen gelenkt waren.

Dann beginnt die Führung durch die Räumlichkeiten. Im oberen Stock befinden sich Büros. Hier wird alles Logistische bewältigt, Materialien gekauft, Abläufe geplant und kontrolliert. Nicht ganz so ruhig geht es im Erdgeschoss zu. Hier ist das Lager. Es werden Kisten geschleppt, Transportwagen beladen, die dann unterirdisch zu den Stationen fahren und dort den Bedarf decken. Das meiste läuft hier bereits rein elektronisch. Geht auf Station etwas zur Neige, wird ein entsprechender Barcode gescannt. Dieser wird online übermittelt. Da die meisten Medikamente verschreibungspflichtig sind, muss ein Arzt noch sein elektronisches OK geben. Lediglich bei den Betäubungsmitteln wird noch das herkömmliche Rezept auf Papier benötigt – einschließlich Unterschrift des verordnenden Arztes. Doch auch das sei im Wandel, berichtet Strobel. So gebe es bereits erste Entwürfe eines neuen Betäubungsmittelgesetzes, das es ermöglichen soll, BTMs für den Krankenhausbedarf auch elektronisch ordern zu dürfen.

Susanne Himmelsbach | StudentenPACK.

Alles was das Herz begehrt.

Im ersten Lagerraum stapeln sich Kartons bis unter die Decke, Kochsalzlösungen und andere Infusionsflaschen befinden sich hier. Was ich hier sehe, erläutert Strobel, sei der Bedarf von zwei Wochen. Kaum vorstellbar bei den Massen von Kartons! Im nächsten Raum stehen lange Regalwände, 10 Meter misst jede einzelne. Alphabetisch sortiert lagern hier alle im Krankenhaus benötigten Medikamente, die aus Rationalisierungsgründen standardisiert sind und nur einen Bruchteil der Medikamente umfassen, die es gibt. Im vorderen Bereich stapeln sich blaue Kisten, sortiert nach Bestimmungsort. Mit ihnen soll der Bedarf in den Außenstellen gedeckt werden. Das Packen läuft bereits halbautomatisch über Laufbänder vor den Regalen. Hier wird auch die Rohrpost in Empfang genommen und Angestellte, die Medikamente abholen müssen – oder für den eigenen Bedarf bekommen – erhalten diese hier. Insgesamt herrscht hier ein reges Treiben. Alles ist in Bewegung. Es füllt sich eine Kiste nach der anderen.

Hans-Gerd Strobel

Das Packen der Medikamentenkisten läuft halbautomatisch.

Doch ich habe noch nicht alles gesehen. Es geht weiter ins Allerheiligste der Apotheke. Oder zumindest bis zur Trennscheibe. Gleich neben den Lagern sind die Reinräume. Aseptische, also keimfreie Bedingungen sind das A und O der Herstellung von Medikamenten. Deswegen werden spezielle Mischungen auch hier hergestellt und nicht gleich auf Station oder im OP. Die Räume können nur durch Schleusen betreten werden, doch auch hier gibt es Unterschiede. Die Räume sind in Kategorien unterteilt, die die zugelassene Höchstzahl an Keimen vorschreiben. Die einfachen Medikamente und Mischungen werden in einem Raum der Kategorie C hergestellt. Hier bewegen sich nur Mitarbeiter, die sterile Kittel, vergleichbar mit OP-Mänteln, tragen. Der Raum wird mit Überdruckluft gespeist. In ihm befindet sich eine Werkbank, die ein wenig so aussieht, wie die im Biochemie-Praktikum. Doch im Gegensatz zu letzterer wird hier die Luft nicht abgesaugt, sondern mit der so genannten laminar-flow-Technik mit Überdruck eingebracht. Dabei strömt steril gefilterte Luft möglichst gleichmäßig ein, um Verwirbelungen zu vermeiden. Somit ist es möglich, im Bereich des laminar flow mit der reinsten Kategorie A zu arbeiten.

Doch es geht noch sauberer. In den 2003 eingerichteten, hochmodernen Reinräumen, wo die Zytostatika hergestellt werden, herrscht Kategorie B; unter den zugehörigen laminar-flow-Bänken Kategorie A, die reinste Stufe. Um in solch einen Raum zu gelangen, muss man gleich zwei Schleusen passieren, muss sich zunächst auskleiden, um anschließend spezielle Bereichskleidung anzulegen, die ein wenig an Astronautenanzüge erinnert. Auch Substanzen und Hilfsmittel von außen müssen über eine spezielle Materialschleuse eingebracht werden, in der wechselweise Überdruck erzeugt und die Luft abgesaugt wird. Wichtig sei hier, erläutert Hans-Gerd Strobel, dass weder Keime von außen nach innen, doch genauso wenig Substanzen mit der Luft von innen nach außen gelangen. Dies sei zwar bei den Zellgiften in den verarbeiteten Mengen für gesunde Menschen nicht zwangsläufig schädlich, doch ist man bemüht und auch verpflichtet, die Exposition der Mitarbeiter und der Umwelt so gering wie möglich zu halten.

Dass alles mit rechten Dingen zugeht, dafür sorgen nicht nur die internen Kontrollen, bei denen die mit der Herstellung von Medikamenten betrauten Mitarbeiter Dummies herstellen müssen, die anschließend in der Mikrobiologie auf Keime untersucht werden. Wie jedes andere Institut muss auch die Apotheke an externen Ringversuchen teilnehmen, um eine qualitätsgesicherte Arbeit zu gewährleisten.

Die Qualitätssicherung soll auch bei der Zusammenarbeit mit den Stationen weiter vorangetrieben werden. In der Kinderklinik und der Onkologie hat es sich bereits bewährt, dass ein Apotheker an der Visite teilnimmt und dabei hilft, die medikamentöse Therapie zu optimieren. Dieses Projekt soll nun schrittweise auf die anderen Stationen ausgeweitet werden, denn insbesondere auf den internistischen Stationen liegen häufig Patienten, die eine lange Liste an Medikamenten von zu Hause mitbringen. Aufgabe der Apotheker ist hier, die Wirkstoffe abzugleichen und umzusetzen. Häufig werden Wechselwirkungen von neu angesetzten Medikamenten mit seit längerem eingenommenen gar nicht mehr beachtet. In diesen Fällen wird meist erst einmal gestrichen und der Patient auf eine neue Therapie eingestellt. Den Apothekern würde es dabei helfen, erklärt Strobel, wenn nicht wie derzeit üblich stationenbezogen die Medikamente bestellt würden, sondern wenn dies patientenbezogen geschehen würde. So könnte allein auf Grund der Bestellung eingesehen werden, ob sich die Medikamente vertragen oder nicht. Erste Experimente mit diesem Modell laufen bereits. Bis es soweit ist, betont Strobel noch einmal, sei es aber immens wichtig, dass die Kommunikation der Ärzte und der Apotheker weiterhin so gut laufe, wie es derzeit der Fall sei. Denn nur, wenn sich beide Berufsgruppen als gleichberechtigte Partner mit ein und demselben Ziel ansehen, könne eine optimale Therapie für den Patienten entwickelt werden.

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