Im vergangenen Semester las ich einen Bericht über Doc Steps, eine Messe, die der Marburger Bund für angehende Mediziner ausrichtet. Dort gab es in Zusammenarbeit mit dem BVMD einen Workshop, in dem das Buch „Wie ich die Dinge geregelt kriege – Selbstmanagement für den Alltag“ von David Allen besprochen wurde – mit einer wärmsten Empfehlung für das Medizinstudium. Und weil ich ja eine pflichtbewusste Studentin bin, habe ich beschlossen, mir dieses Buch während der Semesterferien zu Gemüte zu führen. „Getting things done“ ist der Titel der Originalausgabe. Und schon während der Lektüre der ersten Seiten hatte ich den Eindruck, es wäre mal wieder besser gewesen, dieses Buch in seiner Originalsprache zu lesen. Sowieso waren die meisten Gedanken, die mir während der Einleitung durch den Kopf gingen, dahingehend, wie ich dieses Buch in einer Rezension verreißen könnte. Denn David Allen ist offensichtlich ein wandelndes amerikanisches Klischee von einem Motivationstrainer. Er schreibt davon, wie „kraftvoll, einfach und effektiv“ Dinge sein können, berichtet von seiner Arbeit mit Topmanagern, deren Leben er selbstverständlich neu geregelt hat. Alles im Tonfall schmieriger Erfolgsamis.

Ordnung im Kopf

Aber ich habe vorsichtshalber noch einmal weiter gelesen. Und plötzlich habe ich Spaß daran gefunden. Denn, um es auf einen Punkt zu bringen: Es geht darum, To-Do-Listen abzuhaken, was ja bekanntlich glücklich macht. Allens System ist jedoch weitaus komplexer. Was er beschreibt, ist nicht einfach durch das Fingerschnippen eines Motivationstrainers zu erreichen, sondern ein hartes Stück disziplinierter Arbeit. Zwar dürfte die Zielgruppe eine andere sein, als der geneigte Medizinstudent – die meisten Inhalte dürften auf Manager und Verwaltungsangestellte abzielen – doch können Studenten durchaus profitieren, wenn sie sich die eine oder andere Ordnungshilfe herauspicken und so Struktur in ihre Lernprozesse bringen.

Im Wesentlichen geht es auch darum: Um Ordnung. Und zwar nicht in erster Linie die physische Ordnung auf dem Schreibtisch, im Zimmer und so weiter, sondern um die Ordnung im eigenen Kopf. Allen geht davon aus, dass unerledigte Dinge uns von effizienter Arbeit abhalten und zwar so lange, bis sie erledigt oder zumindest nach extern verlagert werden – denn auch der menschliche Arbeitsspeicher ist begrenzt. „Es gibt keinerlei Grund, sich zweimal mit dem selben Gedanken zu befassen, es sei denn, man tut es gern“, fasst Allen es zusammen. An dieser Stelle kommen die To-Do-Listen ins Spiel. Allerdings nicht als einfaches Blatt Papier mit Punkten, sondern in Form eines komplexen Systems.

Fünf Schritte zum Ziel

Am Anfang des Systems steht ein Eingangsbehältnis. In dieses, so der Autor, soll alles abgelegt werden, was ansteht: Unbeantwortete Mails, Memos, Dokumente, Dinge, die noch zu lesen sind. Was physisch zu groß oder nicht greifbar ist, soll auf einem Zettel dokumentiert werden, um es ablegen zu können. Wichtig ist dann nur, dass der „Eingang“ auch regelmäßig gesichtet wird. Und nicht nur das: Er muss geleert werden! Denn die neue Devise lautet ja, Dinge nicht unnötigerweise zweimal in die Hand zu nehmen. Allens Vorschlag ist es, dies in fünf Schritten abzuarbeiten: An erster Stelle steht die Erfassung. Was steht überhaupt an? Was muss ich für welches Projekt tun? Vom „Eingang“ müssen die Dinge weiterwandern. Allen empfiehlt, Sammelbehältnisse zu etablieren, beispielsweise eines für Telefonate, eines für länger dauernde Projekte, eines für Arbeiten, für deren Ausführung man zunächst auf die Arbeit anderer Leute angewiesen ist. Die Liste ist natürlich beliebig fortzusetzen.

Der zweite Schritt ist das Durcharbeiten. Alles was weniger als zwei Minuten dauert, muss sofort erledigt werden, denn sonst dauert der Verwaltungsakt länger, als die eigentliche Arbeit. Alles was delegiert werden kann, muss weitergegeben werden, was unnötig ist, muss sofort in den Müll. Was übrig bleibt, sollte in die entsprechenden Projektordner abgelegt werden. Anschließend geht es in Schritt drei an die Organisation: Hier sollen Teilschritte und Abläufe definiert und auch angegangen werden. Sind Dinge zeitlich oder räumlich gebunden, wird das sofort im Kalender notiert. Dabei rät Allen ausdrücklich davon ab, To-Do-Listen für einzelne Tage anzufertigen, wenn diese nicht termingebunden sind. Diese hält er für unflexibel und demoralisierend, sofern sie nicht erledigt werden können. Für diesen Fall empfiehlt er das Anlegen mehrerer Notizsysteme: Einen Kalender, ein Buch für Dinge, die in absehbarer Zeit zu erledigen sind und eines für Dinge, die irgendwann angegangen werden sollten. Dabei weißt Allen ausdrücklich darauf hin, dass auch Angenehmes notiert werden soll, wie zum Beispiel eine Liste mit Büchern, die man lesen oder Filmen, die man sehen will.

Schritt vier ist das durchsehen der Sammelbehäter, so oft wie möglich und in strikter Reihenfolge: Zunächst den Kalender, um zu wissen, wie viel Zeit gerade für andere Dinge bleibt, anschließend das Abarbeiten der Projektordner. Ist wenig Zeit, können Telefonate geführt werden, ist viel Zeit, können längere Planungen angegangen werden. Wichtig ist nur – und hier kommt wieder die Disziplin ins Spiel – dass das Durchsehen regelmäßig stattfindet, laut Allen mindestens einmal wöchentlich.

Der fünfte und letzte Schritt ist die tatsächliche Durchführung. Nun sollte genau definiert werden, welche Schritte für welches Projekt ausgeführt werden sollten, welche Priorität was hat, wer daran beteiligt werden muss und welche Ressourcen nötig sind. Alles was hier anfällt, kann wieder in andere Behältnisse sortiert werden: Telefonate, Treffen und so weiter.

Zu viel für Studenten

Dieser erste Teil des Buches liest sich sehr flüssig, auch wenn immer noch alles sehr amerikanisch klingt und David Allen keine Chance auslässt, davon zu berichten, bei welchem Manager welches Prinzip Begeisterung auslöste. Einige der Vorschläge klingen durchaus plausibel und sind es mit Sicherheit wert, ausprobiert zu werden.

Die weiteren Teile dieser Selbstordnungsanleitung greifen den ersten Teil auf und gehen ins Detail. Dies ist sprachlich nach wie vor lesenswert und es stecken auch einige gute Ideen drin, die ein koordiniertes Arbeiten sicherlich vereinfachen. Hier wird jedoch deutlich, dass das Buch nun mal nicht für Studenten geschrieben wurde. Allen hält sich recht lange damit auf, über Materialien zu philosophieren, deren Anschaffung alles vereinfachen würde. Doch sprengen die Unmengen von Aktenschränken, Ordnern, Mappen und Registern, die er dazu vorschlägt, wohl nicht nur das studentische Budget, sondern auch den verfügbaren Raum in der durchschnittlichen Studentenbude.

Was allerdings auch für den studentischen Leser gilt, der sich an Allens Vorgaben halten möchte: Die Umstellung muss konsequent und radikal sein. Und dieser erste Schritt benötigt Zeit und Disziplin. Wer sich aber an das Grundprinzip Allens halten will, kann davon durchaus profitieren. Denn dann – schenkt man dem Autor seinen Glauben – bleibt viel Zeit für die angenehmen Dinge des Lebens!

Das Buch

David Allen: „Wie ich die Dinge geregelt kriege. Selbstmanagement für den Alltag“, 320 Seiten, Piper Verlag, Taschenbuchpreis 9,95 Euro.

PIPER Verlag

Noch keine Kommentare, sei der Erste!