StudentenPACK: Vor fünf Jahren war es der Wortbruch von Minister Austermann, jetzt ist es der Versager De Jager. Warum hat Schleswig-Holstein so viel Pech mit seinen Wissenschaftsministern?

Prof. Peter Dominiak: Ich weiß es auch nicht. Ich denke, was dahinter steckt, ist der chronische Geldmangel in Schleswig-Holstein, der durch die HSH-Nordbank nocheinmal deutlich schlimmer geworden ist. Dies trifft dann vor allem Lübeck, weil wir eben eine kleine und jüngere Universität mit relativ teuren Studiengängen sind. Solche neuen Universitäten, wie auch Flensburg, haben dann oft das Nachsehen hinter der altehrwürdigen Universität Kiel. Die Staatssekretärin hat sinngemäß während „Lübeck kämpft“ ja gesagt, die Uni Lübeck sei eine Zonenrandförderung gewesen. Jetzt, wo es keine Zone mehr gäbe, bräuchte man auch keine Zonenrandförderung mehr.
Das Problem geht ja weiter zurück als bis auf Minister Austermann. Die SPD-geführte Regierung unter Heide Simonis hatte die Fusion der Kliniken in Kiel und Lübeck zu verantworten, eine Entscheidung, über die wir damals nicht glücklich waren und über die wir auch heute noch nicht glücklich sind. Auch diese Fusion war durch Geldmangel begründet und sie hat die finanzielle Lage nicht verbessert. Ob mehr dahinter steckt, kann ich nicht sagen.

PACK: Kann es sein, dass diese Politik auch daran liegt, dass das Wissenschaftsministerium mit Verkehr und Wirtschaft zusammengelegt wird?

Dominiak: Das ist ein Riesenministerium. Drei Sparten und mit der HSH-Nordbank kommt praktisch noch eine vierte hinzu. Diese Bereiche sind alle für sich schon sehr groß und sehr wichtig. Vorher hatten wir in Schleswig-Holstein ein Kultusministerium, das für Bildung und Wissenschaft zuständig war, aber auch damals hatten wir erhebliche Finanz-Probleme, vor allem bei den Universitätsklinika. Daraus ist ja dann auch die Fusion der beiden Universitätsklinika Kiel und Lübeck entstanden.
Wir wissen jetzt schon, dass auch der Jahresabschluss 2010 für das UKSH nicht gut sein wird, dafür stehen viele Ursachen zur Debatte.
Anfänglich waren wir der Überzeugung, es könnte uns nutzen, dass Wissenschaft und Wirtschaft im selben Ministerium vereint sind, da einem Wirtschaftsministerium mehr Geld zur Verfügung steht. Herr Austermann hat damals auch die jährlichen Budgetkürzungen gestoppt und sogar mehr Geld in die Universitäten gesteckt, damit sie sich bei der Exzellenzinitiative des Bundes bewerben können. Ohne diese Maßnahme wären weder Kiel noch Lübeck bei der Exzellenzinitiative erfolgreich gewesen.
Auf diese erfolgreiche Phase kam dann der Schock im Frühsommer, der Lübeck praktisch das „Aus“ seiner Universität bescherte, aus dem selben Ministerium.

PACK: Auf diesen Schock folgte dann der Kampf um die Universität, der von den meisten als Zeichen großer Einigkeit zwischen Studenten, Universität und der Stadt Lübeck gesehen wird. Es gab einige Momente, wo die Studenten und Studentinnen von ihren Handlungen etwas irritiert waren. Einmal ein Treffen in Bargteheide mit dem Ministerpräsidenten und später ein Dankesbrief an Peter Harry Carstensen.

Dominiak: Getroffen haben sich damals in Bargteheide der Ministerpräsident, sein Finanz- und sein Wissenschaftsminister mit dem Bürgermeister der Stadt Lübeck, dem IHK-Hauptgeschäftsführer sowie meinem Kanzler und mir. Es hatte sich davor schon in Berlin abgezeichnet, dass es einen alternativen Sparplan geben müsste, wenn die Universität so wie sie war erhalten bleiben soll. Daher hat sich das Präsidium vor dem Treffen in Bargteheide bemüht, die Eckpunkte eines Sparplans zu entwerfen.
Es war auch klar, dass die Uni Lübeck das Sparziel nicht allein erreichen kann. 25 Millionen sind die Hälfte des gesamten Zuführungsbetrages „Forschung und Lehre“. Ohne diese Summe kann die Uni nicht überleben. Dieses Eckpunktepapier, das alle wichtigen Aspekte bereits beinhaltete, haben wir also mitgebracht und Minister de Jager erklärte uns, dass er mit diesem Plan so einverstanden sei und wir ihn nun detaillierter ausarbeiten sollten. 

PACK: Nachher hieß es dann, der Sparplan sei nicht machbar, weil er andere, nämlich die Uni Kiel und das UKSH mit einbeziehe. 

Dominiak: Als wir Minister De Jager den detaillierten Plan dann vorstellten, hat er uns explizit bestätigt, dass die Einbeziehung Kiels und des UKSHs in Ordnung sei. Später hat de Jager dann behauptet, der Plan sei nicht in Ordnung, weil Kiel mit beteiligt sei. Das war eine Wende um 180°. Die Universität Kiel hat sich dann, wie bekannt, kräftig aufgeregt und uns Piraterie vorgeworfen.
Ich würde in der selben Situation alles genauso wieder machen, auch wenn mir von einigen deswegen Vorwürfe gemacht wurden. Ich bin vor allem der Universität und meinem Gewissen gegenüber verantwortlich. Ohne Gespräche und Verhandlungen gäbe es keine Zukunft für die Universität, außerdem habe ich auch gewisse Pflichten als Beamter. 
PACK:
Und der Dankesbrief an den Ministerpräsidenten?

Dominiak:
Was den Brief angeht, so muss man ihn richtig lesen. Ich habe mich lediglich dafür bedankt, dass er verhandelt hat und dass diese Verhandlungen zur Rettung der Universität führten, und das stimmt ja auch. Es ging mir aber eigentlich darum, die Ergebnisse der Verhandlungen festzuhalten, nämlich dass die Medizin in Lübeck vollständig erhalten bleibt, dass kein Medizinstudienplatz in Lübeck verloren geht und dass wir Stiftungsuniversität werden.

PACK: Später hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, erzählt, die Rettung sei von Anfang an klar gewesen und die Proteste hätten die Landesregierung bei den Verhandlungen in Berlin nur unterstützt. Ist das glaubhaft?

Dominiak: Ich bin nicht Mitglied der Landesregierung. Kubicki hat allerdings auch gesagt, ich hätte von Anfang an Bescheid gewusst. Das stimmt nicht. Es gab seit letztes Jahr Winter Verhandlungen in Berlin, aber ich glaube nicht bezüglich der Uni Lübeck oder sogar über GEOMAR, das hätte ich sonst sicher von Herrn Rietschel (Anm. d. Red.: Ehrendoktor der Uni Lübeck und bis Juni 2010 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, der das IFM-GEOMAR bisher untersteht) erfahren. Ich habe auch jede Woche mit Ministerin Schavan telefoniert, was der Ministerpräsident gar nicht gut fand, aber nur so hatte ich genaue Informationen darüber, was in Berlin zwischen der Landesregierung und dem Bund verhandelt wurde.

PACK: Anstelle von Fakultäten haben wir jetzt Sektionen. Damit ist einer der ersten Schritte der Univision 2020 getan. Worauf können sich Studenten im kommenden Jahr an Veränderungen gefasst machen?

Dominiak: Wir haben die Fakultätsgrenzen aufgelöst, um den Wissenschaftscampus Lübeck gründen zu können. Zu diesem Wissenschaftscampus werden neben der Uni auch die FH, die beiden Fraunhofer-Institute und das Leibniz-Institut gehören. Die Vorsitzenden/Präsidenten dieser Organisationen bilden den Campusvorstand, der sich nun schon mehrfach zu Vorbereitungen getroffen hat. Wir planen, diesen Wissenschaftscampus Lübeck als Marke zu etablieren, weil das so bisher in Deutschland noch nicht vorhanden war. Lübeck bietet mit seinem Hochschulstadtteil einen großen Vorteil und die Möglichkeit, über den Wissenschaftscampus Großforschungsprojekte zu beantragen. Ohne die Fakultätsgrenzen wird es nun auch einfacher, dass Institute und Kliniken enger miteinander kooperieren und sich nicht als fakultätszugehörig, sondern der Uni Lübeck zugehörig sehen. Vorbild ist für uns gewissermassen die MHH Hannover. Gegründet wird dieser Wissenschaftscampus Lübeck noch im November, bevor der Wissenschaftsrat kommt, um die Medizin im Land Schleswig Holstein zu beurteilen. Der Vorteil für unsere Studentinnen und Studenten ist eine verbesserte Lehre durch Etablierung einer gemeinsamen Studiengangskoordination und eines Graduierungszentrums, beides gab es bisher noch nicht. 

PACK. Und die Stiftungsuniverstät kommt?

Dominiak:
Die Stiftungsuniversität, ebenfalls wichtiger Bestandteil von Univision 2020, kommt natürlich auch, aber angeblich nach Aussage de Jagers leider erst 2013. Dabei könnte man das Gesetz von anderen Bundesländern abschreiben. Niedersachsen hat inzwischen fünf solcher Hochschulen, darunter die große Universität Göttingen. Als letztes wurde die Frankfurter Uni Stiftungsuni. Das Verfahren ist also bekannt, niemand muss das Rad neu erfinden. Ich werde demnächst noch einmal mit dem Kanzler und unserem Berater in Sachen Stiftungsuni ein Gespräch mit Herrn de Jager führen und klar machen, dass man das schneller durchziehen kann.

PACK: Und wie wird die Zusammenarbeit mit der Uni Kiel aussehen? Da ist ja viel böses Blut vorhanden.

Dominiak: Es sind viele Dinge gesagt worden, die uns verletzt.
Ich habe mich aber mit Prof. Fouquet und seinem Vizepräsidenten Prof. Wolffram in Kiel getroffen. Wir haben uns ausgesprochen und vereinbart, dass Kiel und Lübeck weiterhin in der Exzellenzinitiative und anderen Projekten wissenschaftlich zusammen arbeiten wollen. Unsere Gegner sollten schliesslich nicht andere Universitäten sein. Wissenschaftler sind doch intelligente und erwachsene Menschen, die ein Ziel eint: Wahrheitsfindung!

PACK:
Vor der letzten Landtagswahl haben Sie allen Parteien zehn Fragen zur Bildungspolitik und zur Uni Lübeck gestellt. Alle Parteien, inklusive derer, die uns nun regieren, haben Unterstützung zugesagt. Die Parteien der Regierungskoalition haben damals klar gelogen. Werden Sie zu den vorgezogenen Neuwahlen wieder Fragen stellen oder trauen Sie den Antworten ohnehin nicht?

Dominiak: Ich hatte beim letzten Mal gehofft, dass sich die Parteien zumindest an das halten, was sie versprochen haben. Aber zumindest CDU und FDP, die beiden Regierungsparteien, haben uns einiges versprochen, was sie nicht gehalten haben. Es steht ja sogar im Koalitionsvertrag, dass die Uni Lübeck strukturell und finanziell besser ausgestattet werden sollte. Was im Sommer passiert ist, ist weder das eine noch das andere. Ich weiß nicht, ob es etwas nützt, wenn ich das wieder mache und die Antworten dann wieder nur dem Wahlkampf und nicht der Wahrheit geschuldet sind.
Man muss ohnehin abwarten, wer die nächste Regierung bildet. Ich gehe davon aus, dass die Neuwahlen wohl doch bis Ende nächsten Jahres kommen, und dann ist alles möglich.
Ich hoffe zumindest, dass alle Parteien aus diesem Sommer etwas gelernt haben. Die können aber alle sicher sein: Wenn sie Hand an Lübeck legen, dann gibt es auch in Zukunft kein Pardon.

PACK: Ich danke für das Gespräch.

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