Jeder kennt sie, die Szene aus der Fernsehserie Dr. House: House steht an seinem Flipchart und notiert die Symptome seines Patienten. Vor ihm sitzen die Assistenten am Tisch. House wartet, will die Diagnose wissen. Cameron ruft voreilig „Lupus!“, Chase will es besser wissen: „Sarkoidose!“, ist sein Vorschlag. House steht nur vorne, wackelt mit dem Kopf, brummt. Er erwartet mehr! Was er will, ist eine sinnvolle Verknüpfung aller aufgetretenen Symptome, eine durchdachte Differentialdiagnose mit anschließender Therapie.

Im wahren Leben ist nicht alles so, wie es im Fernsehen gezeigt wird und nicht jeder Patient steht gleich unter Lupus-Verdacht. Was man jedoch von House lernen kann, ist der Findungsprozess, die Tatsache, dass man strukturiert an seine Diagnosen herangehen sollte. Gerade in der Inneren Medizin liegen die Krankheitsbilder oft nahe beisammen und schon ein kleines übersehenes Detail kann ein Therapieschema komplett über den Haufen werfen: Ist bei einer Nierenerkrankung die Kaliumzufuhr erhöht? Oder wird dieser Elektrolyt zu wenig ausgeschieden? Liegt bei extrakardialem Thoraxschmerz radiologisch ein pulmonales Infiltrat vor oder ein Lungenkollaps? Hier zeigt sich: Nuancen entscheiden zwischen medikamentös induzierter Hyperkaliämie und chronischer Niereninsuffizienz, zwischen Lungenentzündung und Pneumothorax.

Wer die Details kennt, ist auf der sicheren Seite. Gestandenen Chefärzten kann man da nicht mehr viel vormachen. Diese haben während ihrer Laufbahn alles schon einmal gesehen. Studenten und junge Ärzte können sich da schon eher schwer tun und deswegen ist es praktisch, ein entsprechendes Nachschlagewerk zur Hand zu haben. Bücher zum Thema Differentialdiagnose gibt es in Unmengen. Manche beschränken sich auf ein Organ oder auf eine untergeordnete Fachrichtung, andere umfassen ein breites Spektrum und bieten so einen guten Überblick. Eines davon ist „Differenzialdiagnostik und Differenzialtherapie – Entscheidungen in der Inneren Medizin“, herausgegeben von Reinhard Brunkhorst und Jürgen Schölmerich, gerade neu erschienen im Elsevier-Verlag.

Das Buch ist in zwei Abschnitte unterteilt. Im ersten – „Vom Symptom zur Diagnose“ – sind in alphabetischer Reihenfolge verschiedene Symptome aufbereitet. Den Anfang machen die akuten Oberbauchschmerzen, es geht weiter zur Claudicatio, über das Erbrechen und Lymphknotenschwellungen, bis zur Zytose im peripheren Blut.

Dabei ist jedem Symptom eine zusammenhängende Doppelseite gewidmet. Zunächst einmal wird das Symptom genauer definiert: So ist eine Leukopenie beispielsweise erst erreicht, wenn sich im peripheren Blut weniger als 3500 Leukozyten pro Mikroliter befinden; eine Synkope ist ein vorübergehender spontan reversibler Bewusstseinsverlust.

Hat man das Symptom erst herausgefunden, kann darauf eingegangen werden. So ist auch im Buch der nächste Schritt die Anamneseerhebung. Hier werden Hinweise gegeben, in welcher Richtung man noch Fragen stellen könnte, was man ausschließen sollte, auf welche Begleitumstände man zu achten hat.

In der Klinik folgen auf die Anamnese die körperliche und die apparative Untersuchung. So auch in diesem Nachschlagewerk. Wie manifestieren sich die Symptome? Welche Parameter sollte man im Labor untersuchen lassen und was hilft sonst noch weiter, um eine Entscheidung zu treffen? Hat man alle Befunde erhoben, ist es an der Zeit, sich an die Differentialdiagnose zu machen. Diese sind jeweils auf der linken Seite tabellarisch aufgelistet, mit Angaben über die statistische Häufigkeit und einer nochmaligen Zusammenfassung der erforderlichen Untersuchungen. Auf der rechten Seite befinden sich entsprechende Flussdiagramme. Hangelt man sich an diesen entlang, so fällt es leicht, sich bei einer Proteinurie zwischen Myelomniere und einem einfachen Harnwegsinfekt zu entscheiden. Je nach Krankheitsbild werden die Diagramme noch durch für den Befund typische Bilder komplettiert.

Im zweiten Teil des Buches folgt dann der logische nächste Schritt: „Von der Diagnose zur Therapie“. Hat der Arzt alle Symptome gesammelt und sich für eine Diagnose entschieden, bekommt er in diesem Abschnitt Behandlungsratschläge an die Hand gegeben. Auch dieser zweite Teil ist strikt in eine rechte und eine linke Seite unterteilt. Links wird zunächst eine Orientierung gegeben. Welches sind die Leitsymptome, wie setzt sich die Krankheit weiter zusammen, welches sind die Ursachen? Im Anschluss werden Formen und Klassifikationen aufgezeigt und die Erkrankungen in Stadien eingeteilt.

Sind die Grundlagen geklärt, kann zur Therapie fortgeschritten werden. Hier wird auf die oben beschriebenen Klassifikationen und Einteilungen eingegangen und die entsprechende Therapie vorgeschlagen: Patienten mit einer hypertrophen Kardiomyopathie sollten mit β-Blockern versorgt werden, bei der dilatativen Kardiomyopathie findet man einen Querverweis zur Herzinsuffizienztherapie.

Der Fließtext enthält dabei farbig unterlegte Zahlen. Diese verweisen auf Abschnitte der jeweils gegenüberliegenden Seite, wo erneut durch ein Flussdiagramm die Schemata aufgezeigt werden. Ist bei Akromegalie ein Hypophysenadenom nachweisbar, muss operiert werden. Liegt kein Tumor vor, sollte mit Dopaminagonisten therapiert werden. Ist bei der Tuberkulose der mikroskopische Nachweis säurefester Stäbchen positiv, ist eine kombinierte Antibiotikatherapie dringend erforderlich. Ist der Test negativ und die Symptomatik eher gering, ist es auch noch möglich, erst das Ergebnis der Blutkultur abzuwarten, um dann gezielter vorzugehen.

Das Buch schließt mit Sicherheit nicht alle Erkrankungen ein und Details zur Pharmakotherapie muss man bei Bedarf wohl eher in entsprechenden Werken nachschlagen. Dennoch gibt „Differenzialdiagnostik und Differenzialtherapie“ einen umfassenden Einblick in die häufigen Symptome und Diagnosen. Dabei besticht es durch seinen klar strukturierten Aufbau, der auch ohne weitere Erläuterung gut verständlich aufgebaut ist. Auch wenn das Buch für die Kitteltasche zu groß ist, für Anfänger ist es ein guter Wegweiser im Dschungel der Inneren Medizin.

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