Andrea Kauertz | StudentenPACK.

Lübeck kämpft auch bei der Präsentation der Workshopergebnisse

Es ist das eine Lied, das wir in letzter Zeit so häufig hören: Es muss gespart werden!

Wie sollte es anders sein: Dies muss auch beim Stadtverkehr Lübeck geschehen. Jedes Jahr sollen 2,5 Millionen Euro eingespart werden, natürlich am liebsten, ohne Fahrgäste zu verlieren.

Vielleicht sollten unser Ministerpräsident oder Herr de Jager mal ein Praktikum bei den Leuten vom Stadtverkehr machen, denn eines machen die sicher richtig: Sie befragen auch mal die Bürger und Angestellten, was Ihnen denn so besonders wichtig sei und was vielleicht eingespart werden könnte. Dazu fand am 12.6.2010 eine Bürgerwerkstatt in den Media Docks unter dem Titel „Vorfahrt für Ideen“ statt, zu der rund 200 Einwohner Lübecks erschienen. Die PTV AG (Planung Transport Verkehr) aus Karlsruhe war im Vorfeld damit beauftragt worden, das Liniennetz in Lübeck zu optimieren und dabei jede vorhandene Struktur kritisch zu überprüfen (mit den Einsparzielen im Hinterkopf). Die nötige Erfahrung bringt die PTV AG mit. Bereits in mehreren deutschen Städten haben sie die dortigen Bus- und Bahnbetriebe bei der Verbesserung des Angebotes unterstützt und in Dubai sogar das Liniennetz komplett aufgebaut.

Nach einer Begrüßung durch den Geschäftsführer des Stadtverkehrs, Willi Nibbe, und den Lübecker Bausenator, Franz-Peter Boden, stellt der Geschäftsführer der PTV AG, Jürgen Kaiser, den Kontext dar, in welchem die Bürgerwerkstatt stattfindet. Im Moment wird der Status Quo erhoben und die Bedürfnisse der Mitarbeiter, der Stadtverkehr-Nutzer und auch der Bürger, die keine Busse nutzen, ermittelt. Darum wurde bereits eine Mitarbeiterbefragung Anfang des Jahres sowie eine Fahrgastzählung und eine telefonische Haushaltsbefragung durchgeführt. „Die Bürgerwerkstatt soll jetzt dazu genutzt werden, direkt mit den Einwohnern in Kontakt zu treten. Jeder Vorschlag ist erlaubt, wir nehmen alles mit“, so Jürgen Kaiser am Ende der Eingangsveranstaltung.

Ideen sammeln

Danach teilt sich das Auditorium in drei Workshops auf, die jeweils etwas andere Aspekte des Stadtverkehrs beleuchten sollen. Letztendlich verwischen diese Grenzen aber. Jeder Workshop wird von einem Mitarbeiter der PTV AG geleitet und von einem oder mehreren Mitarbeitern des Stadtverkehrs unterstützt. So kann auf Fragen direkt mit Sachverstand geantwortet werden. Auch wenn Eingangs direkt angesagt wurde, dass das Thema Preisgestaltung von Tickets nicht Teil der Diskussionen sein soll, wird es in dem Workshop, in dem ich sitze, direkt von einem Teilnehmer angesprochen. Dazu werden dann aber auch erwartungsgemäß keine Aussagen gemacht. Nach einer Einführungsrunde im Workshop sollen alle Teilnehmer ihren Wohnort auf einer Karte von Lübeck markieren. Fast aus allen Bereichen Lübecks sind „Vertreter“ da und einige machen ihrem Ärger gleich zu Beginn Luft. Zum Thema „Taktung“, also wie häufig ein Bus in der Stunde fährt, beschweren sich viele über schwer merkbare Fahrpläne, da sich die Taktung im Laufe des Tages verändert. Was sich viele von den Innenstadteinwohnen nicht vorstellen konnten: Es gibt Bereiche Lübecks, da fahren vormittags Busse und dann 5 Stunden lang kein einziger mehr. Die entrüstete Frage, was das denn wohl für eine Taktung sei, kommentiert ein anderer Workshopteilnehmer trocken mit den Worten „Ist immerhin leicht zu merken“. Um System in die Vorschlagsflut zu bringen, erhält jeder Teilnehmer Zettel, um darauf seine Anregungen zu den Themen Fahrzeit, Fahrtenzahl und Abendverkehr niederzuschreiben und später an die Pinnwände zu heften.

Immer wieder wird zwischendurch diskutiert und besonders die älteren Teilnehmer, die übrigens deutlich zahlreicher als die jüngeren Teilnehmer sind, erzählen viel Erlebtes und Generelles, was sie los werden möchten. So wirft ein Herr auf, dass sich ja in jedem Bus ein Schild mit der Aufschrift „Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen“ befindet. Die Älteren würden noch zu einer Generation gehören, in der man stark obrigkeitsgläubig ist und sich daher an solche niedergeschriebenen Vorgaben hält und sich dadurch nicht trauen, den Fahrer um Hilfe zu bitten, z.B. beim Ein- und Aussteigen mit einem Rollstuhl.

Zukunftsmusik

Nach zwei Stunden ist eine Pause nötig, Brötchen und Kaffee helfen beim Entspannen, vor den Media Docks können alle die Zukunft bestaunen: ein Bus, der mit Wasserstoff fährt und ein Hybrid Bus (beide von der Hamburger Hochbahn für den Tag zur Verfügung gestellt) können für eine kleine Rundfahrt genutzt werden.

Zum Ende der Veranstaltung werden dann die Ergebnisse aus den Workshops vorgestellt. Einige Themen tauchen immer wieder auf, wie zum Beispiel der Abendverkehr. Manche wünschen sich eine Auflösung der Sternfahrten, Studenten die Einführung von Nachtbussen (meine Workshopleiterin machte direkt ein besorgtes Gesicht, als dies zur Sprache kam: „Na ja, mal sehen wie wir das finanzieren“), andere mehr Querverbindungen zwischen den Stadtteilen als Ergänzung zur Altstadt-Zentrierung. Ebenfalls oft genannt wird der Wunsch nach der Einbindung neuer Strecken – zum Beispiel fährt kein Bus über die Kanalstraße oder zur Nordtangente – nach der Verbesserung von Haltestellen und nach einer besseren Koordinierung der Fahrzeiten von Bus und Bahn.

Die Veranstalter werden nicht müde, zu betonen, wie begeistert sie von dieser Bürgerwerkstatt und ihrem Ergebnis sind. So eine Resonanz von den Lübeckern hätten sie sich gewünscht und man sei hochzufrieden mit der Qualität der Beiträge und Diskussionen. Es bleibt abzuwarten, was von den vielen Vorschlägen wirklich in die Tat umgesetzt wird, denn es geht ja um die „Optimierung“ des Liniennetzes. Ende des Jahres soll eine schriftliche Zusammenfassung erscheinen, die genau darauf Antwort gibt. Wir werden berichten!

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