Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Heimat der Diplom-Informatiker: Das Gebäude 64

Bei Worten „Das ist ja jetzt alles ein wenig anders in der Bachelor-Prüfungsordnung.“ oder „Das gehört zu Informatik IV – ähm, ich meine theoretische Informatik“ fällt mir ab und zu auf, dass ich als Diplom-Studierender mit der jetzigen Studiumsorganisation noch nicht so sehr vertraut bin. Im Zuge des Bologna-Prozesses gibt es auch in Lübeck seit fast 10 Jahren den Bachelor-Studiengang Informatik. Mit dem Beginn des Sommersemesters endete für den letzten Jahrgang des Diplomstudiengangs die Regelstudienzeit. Dieser letzte Jahrgang ist also gerade in den Diplomprüfungen, vielleicht schon bei der Diplomarbeit. Im Semesteralltag sind Diplomer dadurch aber schon zu einer Rarität geworden.

Ein Jahrgang hat die Wahl

Für mich als vorletzten Jahrgang begann das Studium mit der Wahl: Der Bachelor-Studiengang war noch relativ neu, parallel dazu existierte der Diplom-Studiengang. Ich entschied mich für das Diplom, da der Bachelor sich in seiner ersten Form noch am Lehrplan des Diploms orientierte und als wirtschaftsorientiert galt. Mit der Zeit wurde der Bachelor-Studiengang – kurz darauf auch der neu geschaffene Master – ins Zentrum der Pläne gesetzt. Diplomstudierende erhielten ab dem Wintersemester 2005/2006 Schritt für Schritt Ersatzpläne, das letzte Semester, in dem Studierende sich für das Diplom einschreiben konnten. Die Vorlesungen wurden beginnend bei den Erstsemestervorlesungen nacheinander auf den Bachelor angeglichen, in ihren Lehrinhalten, der Struktur und der Reihenfolge, in der sie belegt werden sollten. Teilweise wurden Vorlesungen auch lediglich umbenannt. Durch die Ersatzpläne kann jeder Diplomstudierende sein angefangenes Studium fortsetzen, jedoch ist als letzter Abgabetermin der Diplomarbeit der August 2012 festgelegt worden.

Alt, neu oder anderer Name?

Ein Vergleich der Systeme ist schwierig. In meinem Jahrgang gab es immer mal wieder Diskussionen, welche Struktur nun „besser“ sei und welches Studium mehr Arbeitsaufwand bedeute, wenn man sich die Regelstudienzeit als Ziel setzt. Für Diplomstudierende ist das erste Semester anstrengend. Ich hatte versucht, alle Klausuren mit guten Noten zu bestehen, und merkte erst die folgenden Semester, dass die Semestralklausuren nicht sehr bedeutsam sind: Man muss lediglich einen Teil der Klausuren bestehen – beispielsweise LADS I oder II –, danach, im Vordiplom, wird aber nochmals der gesamte Inhalt geprüft. Der Vorteil dieser Methode ist, dass im Semester das Verständnis im Vordergrund steht und danach erst die Note. Im Hauptstudium – nach dem Abschluss des Vordiploms im vierten Semester – wird diese Regelung noch etwas freier und man arbeitet vier weitere Semester inhaltlich auf die Diplomprüfungen hin, für die man auch wieder einige Scheine in Form von Praktika und Hauptseminaren benötigt. Für eine gute Note ist man dann ein halbes Jahr mit dem Stoff beschäftigt, der in Prüfungen über je 14 SWS (also 7 Vorlesungen) mündlich geprüft wird.

Diese doppelten Prüfungen hat ein Bachelor nicht; es wird statt dessen nach jedem Semester das Fach mit einer Klausur abgeschlossen, was man als Vorteil sehen kann. Die beiden wesentlichen Nachteile dabei sind, dass man weniger Überblick bekommt, denn man wird nie gezwungen, sich diese fächerübergreifenden Zusammenhänge zu erarbeiten. Dazu kommt, dass nach jedem Semester eine Klausurenphase ansteht, in der schon im ersten Semester Teilnoten für die abschließende Urkunde festgelegt werden. Besteht also die Diplomnote aus nur wenigen Teilnoten (die 4 Prüfungen und eine doppelt zählende Diplomarbeit), so dass eine Prüfung ein großes Gewicht hat, wird im Bachelor das gesamte Studium in die Benotung einbezogen.

Der Bachelor kann ganz schön stressen

Wenn gegen Semesterende die letzten Übungszettel bearbeitet, ein, zwei Semesterprojekte fertiggestellt werden müssen und das Lernen für die Klausuren rot im Kalender markiert ist, sehe ich viele angehende Bachelor im Stress, der auch durch „Schieben“ der Klausuren auf den Zweittermin nur geringfügig abgeschwächt wird. Die vorlesungsfreie Zeit war im Diplomstudiengang zwar mit Praktika oder der Studienarbeit belegt, aber nicht derart notenorientiert. Von einigen jetzigen Studenten höre ich, dass vorlesungsfreie Zeit eine durchgehende Lernzeit ist. Gleichzeitig sind die Wahlmöglichkeit meinem subjektivem Empfinden nach weniger geworden im Vergleich zu meinem Studium, auch wenn damit pro forma der Wechsel zu anderen Universitäten erleichtert wird. Ob das in der Realität der Fall ist, halte ich zumindest für fragwürdig.

Ich denke, eine Reform des Studiums ist eine große Aufgabe, sich den modernen internationalen Gegebenheiten zu stellen halte ich dennoch für wichtig. Die damit verbundene Umstrukturierung der Lerninhalte verläuft in Lübeck relativ gut, da Studenten direkt mithelfen können und ein guter Übergang geschaffen worden ist. Die momentan entstehende Verschulung des Studiums empfinde ich als negativ, da sie die Freiräume nimmt, im Studium individuelle Schwerpunkte zu setzen, beispielsweise durch den freiwilligen Besuch einer Vorlesung. Diese Selbstständigkeit scheint eine heutige Studienordnung kaum zuzulassen, sie ist meiner Meinung nach aber ein wichtiger und wesentlicher Aspekt eines Studiums.

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