Es war vielleicht nur eine Frage der Zeit. Nachdem schon in Dutzenden von Universitäten Hörsäle besetzt worden waren und obwohl das Bildungsbündnis noch in den Tagen vor dem20. November immer wieder bekundete, dass es keinerlei Besetzungspläne habe, so kam es dannan jenem Freitag zu einer kleinen Aktion, die den Namen Besetzung nicht wirklich verdiente, ihn sich aber selbst gab. Das Bildungsbündnis nennt es einen stillen Protest, der zwischen 9 Uhr und 14 Uhr stattfand. Initiator war Michael Ifraimov, der mit einigen Mitstreitern gegen 9 Uhr, also während der Programmieren-Vorlesung, das Audimax betreten haben soll und sich mit einem Kasten Bier auf der Tribüne des Hörsaales platzierte. Er hatte das Bildungsbündnis zuvor nicht informiert.

Darüber, wie still der Protest war, gibt es unterschiedliche Ansichten. Studenten, die in jener Zeit Vorlesungen hatten, erinnern sich an einige wenige Studenten, unterschiedliche Quellensprechen von bis zu neun Teilnehmern, die Biertrinkend in der Vorlesung saßen. In der Chemievorlesung seien die Studenten noch störend aufgefallen, hätten versucht, die Tafel zubeschreiben, was der Dozent verhindert habe. In der Pause zur Analysisvorlesung schrieben sie dann wohl „Ich habe diesen Hörsaal besetzt und alles was ich bekommen habe, ist eine Alkoholvergiftung“ an die Tafel. Während der Analysisvorlesung waren die Protestler leiser, auch weil sie von inzwischen angekommenen Mitgliedern des Bildungsbündnisses dazu aufgefordert wurden, störten aber durch Lachen und dadurch, dass sie für Zigarettenpausen die Tür nach draußen öffneten und so ein kalter Zug durch den Hörsaal ging. Vom Dozenten Dr. Peter Dencker wurden die Protestler vollständig ignoriert. Nach weniger als fünf Stunden, einigen Vorlesungen und einem kurzen Besuch der Lübecker Presse war das Ganze dann auch schon vorbei. Ob die Aktion ein Nachspiel hat, ist noch offen. Zerbricht das Lübecker Bildungsbündnis, das gerade versuchte, sich auch für gemäßigte Stimmen zu öffnen, an der Aktion? Die Vorsitzende des AStA, Linda Krause, ehemals Mitglied des Bildungsbündnisses, distanzierte sich ausdrücklich von der Aktion.

Andere aus dem Bündnis sahen das klar anders. Julien Beck schickte noch am Abend eine Mail im Namen des Bündnisses rum, um über die Aktion zu informieren.

Ein Vorspiel hatte der Protest auf jeden Fall. Michael Ivraimov, Anführer der Audimax-Aktion, hatte am Morgen des besagten Freitags eine Email über den Studentenverteiler geschrieben. „Das System“, so Ivraimov, habe ihm sein Lächeln, seine Träume, sein Privatleben und seinen Gemeinsinn geklaut. In theatralischen Worten lamentierte Ifraimov über die Bösartigkeit und anscheinend die Kleptomaniedes Systems. Klar angekündigt hatte Ifraimov die Aktion nicht, allerdings hieß es: „Es geht nicht darum, die Uni in Schutt und Asche zu legen oder einfach nur aus Lust am Protest zu protestieren. Es geht um konkrete Probleme im Bildungswesen. Nur wenn wir die Aufmerksamkeitder Politik auf uns ziehen, wird Aufwand betrieben werden, um diese Probleme zu lösen.Wenn öffentliche Meinung das System nichtverändern kann, dann funktioniert das Systemnicht richtig.“  Betrachter hatten den Eindruck, es handle sich hauptsächlich um eine Aktion, die ihn amüsieren sollte. Er sei stark angetrunken gewesen.

Ob das System richtig funktioniert und ob es Michael seine Träume, sein Lächeln, sein Gemeinsinn und sein Fahrrad wieder gibt, konnte nicht geklärt werden. Genauso wenig kann geklärt werden, ob die Aktion ernst genommen werden soll oder ein Scherz ist. Letzteres erscheint, betrachtet man die Ausführung und Umstände, nicht unwahrscheinlich.

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