An der Universität zu Lübeck bahnen sich grundlegende Veränderungen an. Veränderungen die zwar einerseits von komplexer verwaltungstechnischer Natur sind, aber andererseits, das Gesicht der Universität, die Forschung in dieser Stadt und damit letztendlich auch die Lehre an der UzL grundlegend verändern werden.

Der eine oder andere mag sich fragen, warum solche Veränderungen nötig sein sollen, ist die Uni doch auch jetzt schon äußerst angesehen und heiß begehrt. Doch Raum nach oben ist ja fast immer und so wird schon seit 2006 in Workshops und Diskussionsrunden an einen Konzept gefeilt, die Uni Lübeck erfolgreicher zu machen und sie gleichzeitig abzusichern gegen jene, die ihr Finanzen streichen oder sie im schlimmsten Fall gar schließen wollen. Eine Projektgruppe – bestehend aus dem Präsidium der Universität, den Dekanen und Studiendekanen der Fakultäten sowie dem Direktor der Leibniz-Institute Prof. Rietschel, Dr. Schuster und Dr. Herbert Westermann, einem externen Berater – hat nun ein Konzept entwickelt, das sich mit dem Namen Univision 2020 schmückt.

Seit Mitte Oktober scheint den Gruppenmitgliedern die Zeit reif zu sein, dieses Konzept der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das stößt gerade unter einigen Vertretern im AStA und in den Fachschaften auf Unverständnis: Warum war man nicht schon viel früher eingebunden? Prof. Dr. Peter Dominiak, Präsident der Universität zu Lübeck, meint aber, dass dies der richtige Weg gewesen sei: „Wir haben die Studierenden genauso früh eingeschlossen wie den Senat auch“, berichtet er, denn mit unfertigen Ideen anzutreten würde niemandem weiterhelfen. Zudem stünde man ja auch nicht vor vollendeten Tatsachen, erst Ende Juni 2010 hoffe man so weit zu sein, die neuen Strukturen umzusetzen. Solange müssen Senat, Universitätsrat, Ministerium und viele andere sich noch mit den Plänen beschäftigen, so Dominiak. „Und wenn jemand mit einer super Idee zu uns kommt dann sind wir jederzeit bereit die Idee noch aufzunehmen. Natürlich auch Ideen von Studierenden.“ Eine Vollversammlung einzuberufen hätte wohl mehr Chaos gestiftet als zu konstruktiven Ideen geführt.

Lukas Ruge

Universitätspräsident Peter Dominiak (Oktober 2009, Petrikirche)

Doch welche Neuerungen stehen der Universität bevor: Die zentrale und fürs erste auffälligste Veränderung ist sicherlich die Auflösung der Fakultäten. Dies geschieht natürlich nicht im Selbstzweck, sondern hat seinen Hintergrund. 60% der Mittel die an unserer Universität für die Lehre zur Verfügung stehen sind nicht unter unserer Kontrolle. Der Medizinauschuss des Landes, in dem Vertreter der Universität Kiel und der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck sitzen, kontrolliert diese Mittel und auch die Forschungsschwerpunkte und Entwicklungsplanung, was die Medizin in Lübeck angeht. Die Dominanz der Uni Kiel ist dabei unvorteilhaft für Lübeck und so versucht man schon lange, sich von diesem Gremium zu emanzipieren. Wenn man keinen Dekan in den Ausschuss schicken will, so ist es am besten wenn man einfach gar keinen hat. Natürlich kann man nicht einfach nur eine Fakultät auflösen, und so fällt die Technisch Naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) der Selbstbestimmung der Uni zum Opfer.

Das Geld, was bisher über den Medizinauschuss verteilt wurde, würde somit direkt an die Universität gehen – so die Hoffnung – und obgleich es weiterhin an die Medizin gebunden ist, so kann doch vor Ort bestimmt werden wie genau es eingesetzt wird.

Nun mag man sich fragen, wer die Arbeit der Konvente übernehmen wird, die früher die gewählten Vertreter der Fakultäten waren und für Berufungsverfahren, Promotionen und eine Ausrichtung der Lehre zuständig waren. Auch hier gibt es eine Lösung, die auf den ersten Blick wie eine rein kosmetische Veränderung erscheinen mag: Der Senat wird in Zukunft drei Ausschüsse bilden, die die Arbeit der Konvente übernehmen, einen für Medizin, einen für die Naturwissenschaften sowie, und das ist neu, einen eigenen für die Informatik. Diese drei Ausschüsse werden Sektionen heißen. Ein Senatsauschuss wird allerdings, anders als die Konvente, nicht durch die gesamte Uni gewählt, sondern durch den Senat besetzt und kann von ihm auch wieder aufgelöst werden. Sorgen, ob eine unbequeme Sektion durch den Senat einfach wieder aufgelöst wird, räumt Professor Dominiak aus: „Bezüglich der Mitsprache und Mitbestimmung für die Studenten ändert sich praktisch überhaupt nichts“. Zum einen würde bei der Besetzung der Studentischen Mitglieder in den Sektionen natürlich gefragt werden, welche Vertreter in die Sektion kommen, außerdem sei es möglich, die Unauflösbarkeit dieser Ausschüsse festzulegen. Eine Entmachtung der Lehre durch die Verwaltung müsse niemand befürchten. „Wir wollen niemandem vorschreiben was er machen kann“, betont der Präsident. Fakt ist aber, direkt gewählt werden die Vertreter in den Fachbereichen nicht mehr sein.

Doch mit der Auflösung der Fakultäten ist es bei weitem noch nicht getan: Zentraler Bestandteil der bis 2020 umzusetzenden Pläne ist es, eine so genannte Profiluniversität zu werden. Unter dem Begriff kann sich natürlich spontan nicht jeder etwas vorstellen und auch Prof. Dominiak gesteht ein, dass der Begriff, genauso wie der der Sektionen, nicht unbedingt glücklich und vielleicht auch noch gar nicht endgültig ist. Auf der Suche nach einem guten Namen einen Wettbewerb für eine halbe Millionen Euro zu veranstalten, wie es die Universität Kiel erst vor kurzem getan hat, plant allerdings niemand.

„Die Profiluniversität steht für die Integration von Fragestellungen und Methoden der Biomedizin der Informatik und Technik in Forschung und Anwendung für den Menschen“, beschreibt es Dominiak in einem marketingtauglichen Satz, der jedoch Spezifika vermissen lässt. Doch an Ideen, wie das Profil der Universität geschärft werden soll, mangelt es nicht: Ein neuer Schwerpunkt auf Bevölkerungsmedizin – einer Disziplin die sich unter anderem mit Volkskrankheiten wie Diabetes aber auch mit Präventionsmedizin und Impfungen befasst – mit einem Leibniz-Institut für Lifescience und Informatik – was den Forschungsstandort erheblich stärken würde und das man hofft, bis 2020 an die Universität zu holen – einen Ausbau der Graduiertenschule zu einem Graduiertenzentrum, mit neuen Lehrstühlen im technischen Bereich und mit einer Bewerbung für das umgangssprachlich als „Eliteuniprogram“ bekannte Zukunftsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vieles mehr.

Wahrscheinlich wird nicht jedes Ziel erreichbar sein, auch wenn man sich derzeit optimistisch gibt, doch sicherlich ist es besser mit hohen Ansprüchen ins Rennen zu gehen.
Bemerkbar machen wird sich für die Studenten in erster Linie, dass sie differenzierter betreut werden können. Wo jetzt lediglich die Fakultäten Studiendekane haben, erhält demnächst jeder Studiengang seinen eigenen verantwortlichen Ansprechpartner, seinen Programmdirektor. Die fünf Programmdirektoren – ein weiterer Begriff, an dem vielleicht noch geschliffen werden muss – werden miteinander die Lehre koordinieren und aufgrund ihres Fachwissens dabei in der Lage sein, sich auch mit den Studierenden viel besser zu koordinieren und die Qualität zu sichern. So eine Einrichtung sei einer der großen Vorteile einer kleinen Universität mit wenigen Studiengängen. An einer großen Uni wie Hamburg könnte man so etwas unmöglich koordinieren. Und während im Sinne des Profils die Verwaltung, Organisation und Strategie der Wissenschaft stärker von oben diktiert werden, soll die Lehre stärker als bisher von unten, von den tatsächlich Beteiligten, organisiert werden. Natürlich ist dies ein Spagat und wie gut die beiden Ansätze miteinander verbunden werden können, lässt sich sicherlich jetzt noch nicht absehen. Aber ein klares Profil heißt nicht, dass es nur noch einen Schwerpunkt gibt, sondern, dass jedes Fach in sich gut ist. Schon deshalb ist eines der Ziele das ohnehin schon sehr gute CHE-Ranking der Universität noch weiter zu verbessern.

Der letzte Schritt im Plan der Univisionäre ist der Schritt zur Stiftungsuniversität. Ängste, dies sei so etwas wie eine Privatuniversität, sind unbegründet: „Stiftungsuni hat mit Privatuni überhaupt nichts zu tun. Es ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts, das heißt wir sind nach wie vor staatliche Universität und erhalten nach wie vor den Zuschuss Forschung und Lehre, haben aber die Möglichkeit eigenes Kapital zu bilden und mit diesem Kapital auch zu arbeiten.“ Dieses Kapital wären dann die Liegenschaften der Universität, also das Gelände und die Gebäude. Eigenes Kapital zu haben, hätte für die Universität massive Vorteile. So wäre es möglich, auch von Firmen Geld einzutreiben und sich damit einerseits abzusichern gegen eventuelle Kürzungen im Etat des Landes, andererseits könnte man mit dem Geld auch das Studium verbessern. In 20 oder 30 Jahren, so erläutert der Unipräsident beispielhaft, könnte die Uni Lübeck dann vielleicht so viel Kapital haben, dass sie sich einen Nobelpreisträger als Professoren beruft. Sogar einer eventuellen Schließung der Uni durch die Landesregierung – derzeit theoretisch für alle staatlichen Universitäten möglich – wird sehr viel schwieriger. Stiftungen werden mit Hilfe eines Stiftungserrichtungsgesetzes vom Landtag beschlossen und dieses Gesetz kann auch nur vom Landtag wieder aufgelöst werden.

Der Zeitpunkt für die Pläne der Projektgruppe scheint ideal: Mit dem Sieg von CDU und FDP bei den Landtagswahlen im September, die laut Koalitionsvertrag ab 2015 offen dafür sind, die Aufhebung der Fusion der Unikliniken zu verhandeln, ist der Weg für die Stiftungsuniversität aushandelbar . Denn die Liegenschaften der Universität, die derzeit dem Klinikum überschrieben sind, wären als Kapital dafür notwendig. Die FDP, so betont Prof. Peter Dominiak, sei zumindest vor der Wahl die einzige Partei gewesen, die diesem Plan positiv gegenüber stand und so glaubt er im Koalitionsvertrag einiges an Ideen der Liberalen wiederzufinden. Er ist mit dem, was im Koalitionsvertrag zum Klinikum und zur Universität zu finden ist, zufrieden. Doch eigentlich sollte inzwischen allen Parteien klar sein, dass die Fusion der Kliniken gescheitert ist. Das UKSH hat es auch dieses Jahr in das Schwarzbuch der Steuerzahler geschafft. Gerade in der Pathologie wurden 4 Millionen Euro verschwendet, 8 Millionen Euro Schulden sind im letzten Jahr insgesamt zusammen gekommen. Vor der Fusion im Jahr 2003 arbeitet das Universitätsklinikum Lübeck in den schwarzen Zahlen. Freuen kann sich Präsident Dominiak über solche Zahlen natürlich nicht, auch wenn sie ein starkes Argument für sein Anliegen sind.

Ob Professor Dominiak Angst habe, dass das Projekt am Ende scheitert? Natürlich kann man das schwer absehen, doch er ist optimistisch, dass es gelingt. Sicherheitshalber könne der Senat nach drei Jahren das Projekt einfach wieder zurückdrehen, wenn eine externe Evaluation das Projekt Univision 2013 für missglückt hält, „aber wenn es klappt, dann ist es ein Quantensprung für die Universität“.

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