Man mag es kaum glauben, aber 100 Jahre Geschichte hat unser Campus nun schon geschrieben. Es ist eine bewegte Geschichte, die mit einer Psychiatrie beginnt und mit einer modernen Universität endet. Anhand von Studentenzeitungen und Presseberichten aus dem AStA-Archiv und anderer Literatur versuchen wir von StudentenPACK diese Historie in der Reihe „100 Jahre Campusgeschichten“ wieder zu entdecken.

Teil 1: Verdrängte Vorgeschichte (1909 – 1964)

Als in den Achtzigern auf der brachliegenden Fläche südwestlich des Campus die Mensa, die Bibliothek und das Vorklinikum geplant wurden, sollte die Bibliothek einen Turm erhalten, Architekturzeichnungen mit einem Turm wurden damals auch in den Lübecker Nachrichten abgebildet. Die Universität der zwei Türme? Herr der Ringe-Witze dürften auch damals aufgekommen sein, doch wie es mit Bauvorhaben so ist, kam alles anders.StudentenPACK | StudentenPACK.

Wahrzeichen der Universität: Der Uni-Turm.

Es gibt ein paar Sätze zur Geschichte dieser Institution, die jeder Student an der Universität zu Lübeck immer wieder hören darf: Seit 1964 gib t es den Universitätsstandort Lübeck, allerdings damals nur als medizinische Fakultät der Universität Kiel, 1973 wurde unsere Universität, damals unter dem Namen Medizinische Hochschule Lübeck, eigenständig. 1983 wird die Medizinische Universität Lübeck (MUL) aus unserer Uni und zehn Jahre später beginnen die ersten Informatikstudenten ihr Studium. Im Wintersemester 2001/2002 nimmt die Universität mit der Molekularen Biotechnologie (die heutige Molecular Life Science) ihren dritten Studiengang auf und benennt such kurz darauf in Universität zu Lübeck um. Es folgen 2002 die Einführung von Computational Life Science (CLS) und 2007 die Einführung des neusten Studiengangs unserer Uni: Die Medizinische Ingenieurswissenschaft.

Dies ist die Broschürenversion, den meisten von euch sicherlich bekannt. Es ist eine leblose Geschichte, einige wenige Daten, ein paar Zahlen. Üblicherweise bekommt der desinteressierte Zuhörer noch erzählt, wie viele Institute die Universität unterhalte, oder mit welchen Universitäten wir verpartnert sind. Keine dieser Zahlen lässt jedoch einen Studenten erfahren, was die wirkliche Geschichte der Universität ist, wie Studenten seit den sechziger Jahren diesen Campus mit leben gefüllt haben, wie in den 80ern die Angst vor einem Atomkrieg das Denken vieler Medizinstudenten erfüllte, wie demonstriert wurde gegen Krieg, gegen Veränderungen der Studienbedingungen oder sogar gegen das Ende der Universität.

Es geht um unsere Geschichte als Studentenschaft, es geht um unser Selbstverständnis als Studenten und es geht um ein gewisses Bewusstsein für Historie. Sicherlich, dies ist nicht weltbewegend, die Demonstrationen an der Uni Lübeck führen nicht ans Lincoln Memorial, die Protokolle, die wir schreiben, berichten nicht von der Wannsehkonferenz, die Reden an dieser Uni inspirieren niemanden, in 10 Jahren zum Mond zu fliegen. Aber dennoch, es ist unsere Geschichte und wir wissen viel zu wenig darüber.

Um die Geschichte der Universität zu Lübeck zu erzählen, beginnt man am paradoxerweise am besten 1981 in einem Biomathematik Seminar. Professor Passl, der Seminarleiter, geht ein wenig in den Exkurs, spricht über Verhaltensregeln für Ärzte, legt seinen Studenten ein Dokument vor und empfiehlt ihnen diese Regeln als Rollengrundsätze. Den Studenten scheinen diese Grundsätze gar nicht so falsch, auch als sie darüber informiert werden, dass diese die Wehrmachtsregeln aus dem Jahre 1936 sind. Empört über diesen Vorgang und entsetzt über die Studenten wurde der AStA aktiv und beginnt mit der Aufarbeitung des Themas “Medizin und Nationalsozialismus” und insbesondere mit der Vergangenheit der eigenen Universität.

Das, was wir heute als unseren Campus kennen, hat als Psychiatrie angefangen, Vor ziemlich genau 100 Jahren wurde der Grundstein gelegt. Zwischen 1909 und 1912 wurde die Heilanstalt Strecknitz errichtet. Eines der Gebäude, der damalige Wasserturm, ist heute als das Turmgebäude bekannt und das Wahrzeichen der Universität. Die Heilanstalt war für ihre Zeit modern, aber nur für 300 Personen konzipiert. Mit dem Ende des 1. Weltkrieges war die Betreuung von immer mehr Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen notwendig. Genau wie die traditionellen Krankenhäuser in Lübeck war auch die Heilanstalt überbelegt. Es folgten Vergrößerungen in den Folgejahren wodurch sich die Kapazität auf bis zu 1500 Personen erhöhte. Dies lag hauptsächlich an Geldern aus Hamburg, noch heute erinnern die damit errichteten Hamburger Häuser, gegenüber des Stadtbäckers, daran.

Alles ändert sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Der nationalsozialistische Ärztebund übernimmt überall in Deutschland die Macht über die Medizinerverbände. In Lübeck fällt dies besonders leicht, da, wie es in „Geschichte des Lübecker Ärztevereins“ heißt: „Zwischen den Zeilen der damaligen Führung der Ärztlichen Organisationen in Lübeck und der nationalsozialistischen Ärzteschaft keine wesentlichen Differenzen bestand.“

Eine vom AStA organisierte Vorlesungsreihe findet 1981 reges Interesse bei den Studenten, die sich sonst selten für Vorlesungen des Instituts für Medizinhistorik begeistern. Noch heute findet sich dieser Fachbereich nicht einmal im Gegenstandskatalog, ein Fakt, der schon damals die linksorientierte Studentenzeitung “Der Springende Punkt” wenig begeisterte. Insbesondere eine Beschäftigung mit der Vergangenheit des Campuses erwies sich als Notwendig.

Die Inschrift des 1983 aufgestellten Gedenksteines erinnert an die deportierten Patienten.Lukas Ruge

Die Inschrift des 1983 aufgestellten Gedenksteines erinnert an die deportierten Patienten.

Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ist auch für unseren Campus die furchtbarste Zeit. Im Zusammenhang mit der sogenannten „Aktion Brand“ wurden am 23. September 1941 die Patienten aus Lübeck deportiert und in andere Anstalten, unter anderem nach Eichberg in Hessen, gebracht und dort ermordet. Mit der Ringvorlesung 1981 wird diese Geschichte erstmalig der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Es sind Studenten, die fordern, diese Geschichte nicht wieder zu verdrängen oder zu vergessen. Seit 1983 erinnert ein Gedenkstein an die 605 Opfert des NS-Terrors, die aus der Heilanstalt Strecknitz verschleppt worden. Der Text der Plakette ist gegenüber dem ursprünglichen studentischen Vorschlag verwaschen worden, kaum ein heutiger Student weiß von der Existenz des Steines.

„Der Springende Punkt“ titelte im Januar 1983 „Vom Mahnmal zum Vergessmal“ und hofft, dass mit der Aufstellung des Steins das Thema nicht als abgeschlossen betrachtet wird. Mein Studium an dieser Universität ist nun fast zu Ende, ich bin über vier Jahre hier gewesen, hunderte Male bin ich an dem Stein vorbei gegangen, gesehen habe ich ihn nie. Die Befürchtungen der damaligen Studenten sind in Erfüllung gegangen.

Nachdem die Anstalt Ende des zweiten Weltkrieges als Krankenhaus für Opfer der Luftangriffe genutzt wurde, erhielt es 1945 die Bezeichnung Krankenhaus Ost. Es war einfach nur ein Krankenhaus der Hansestadt Lübeck, bis dann 1964 die ersten Studenten erschienen. 14 Studenten begannen im Wintersemester 1964 mit dem Studium in ihrem ersten klinischen Semester, schon im Juni des Folgejahres konnte die erste Promotion erteilt werden.

Wer nach mehr Information zur Heilanstalt Strecknitz sucht, kann diese heute in der Universitätsbibliothek finden. „Das Ende von Strecknitz. Die Lübecker Heilanstalt und ihre Auflösung 1941“ von Peter Delius ist ausleihbar.

Inschrift auf dem Gedenkstein

Dem Gedenken der am 23. September 1941 aus der ehemaligen Heilanstallt Strecknitz Deportierten Patienten.

Seit 1912 befand sich auf dem Gelände der heutigen Medizinischen Hochschule Lübeck die Heilanstalt Strecknitz. Sie wurde 1941 auf Befehl der nationalsozialistischen Regierung aufgelöst. 605 psychiatrische Patienten wurden ohne Wiederkehr verschleppt. Dieser Stein soll an sie erinnern.

Vorschlag der studentischen Gremien 1982/1983

Seit 1912 befand sich in den Gebäuden der heutigen Medizinischen Hochschule Lübeck die Heilanstalt Strecknitz. Am 23 September 1941 wurde sie – auf Befehl der nationalsozialistischen Regierung – aufgelöst. 605 psychiatrische Patienten wurden damals in weit entfernte Anstalten wie Eichberg und Weilmünster (Hessen) verschleppt. Die meisten von ihnen wurden Opfer der sogenannten Vernichtung lebensunwerten Lebens. Dieser Stein soll an sie erinnern und uns mahnen.

Teil 2: Von der Akademie über die Hochschule zur Universität (1964 – 1983)

Wer heute fragt, was die Universität zu Lübeck zu einer besonderen Uni macht, wird je nachdem wen er fragt, verschiedenes hören dürfen. Eventuell die Tatsache, dass unsere Studiengänge CLS, MLS und MIW in ihrer Form so fast nirgends angeboten werden, dass wir in CHE-Rankings gut dastehen. Viellicht auch die schöne Stadt und die nähe zur Ostsee. Was aber wohl jeder sagen wird, ist, dass die Universität zu Lübeck eine gemütliche kleine Uni ist, eine „Universität der kurzen Wege“, wie es immer so schön heißt. Eine Hochschule, in welcher zwischen Dozenten und Studenten ein persönliches Verhältnis herrscht. Was das angeht hat die Universität eine lange Tradition.

Die erste Person, die sich 1964 an der Universität einschrieb, war Ulrike Soering. Mit 13 Kommilitonen begann am 5. November ihr Vorlesungsbetrieb an der Medizinischen Akademie Lübeck, die allerdings offiziell zweite medizinische Fakultät der Christian-Albrechts Universität Kiel hieß. Dennoch ließ sich die Bedeutung für Lübeck kaum überschätzen und auch der Stadtpräsident sah ein „neues Kapitel in der Lübecker Geschichte“ geöffnet.

Das Haus 21StudentenPACK | StudentenPACK.

Das Haus 21

Die Uni, vielmehr die Akademie, hatte zu diesem Zeitpunkt kaum Gebäude, keine wirkliche Bibliothek oder Mensa, nicht einmal das Siegel, das heute auf Tassen, T-Shirts und Flaschenöffnern zu finden ist gehörte zu ihr. Dieses Siegel, welches übrigens das Lübecker Stadtsiegel von 1226 ist, wurde der Akademie erst im Folgejahr verliehen. Mann speiste im Verwaltungsbau, dem heutigen Haus 21. Die Mensa dort wurde von Herrn Mann geleitet, der bei vielen ehemaligen Studenten noch heute in sehr guter Erinnerung ist. Schon beim zweiten erscheinen wusste er die Namen der Studenten, war beliebt und bei Feiern oft und gerne eingebunden.

Ulrike Soering ist, wie sie der LN erzählt, glücklich. Sie bewundert den Schwung der Professoren und dass es ihr möglich ist, Operationen beizuwohnen. Vieles davon verdankt sie der Tatsache, dass erst so wenige Studenten eingeschrieben sind. Eine Erfahrung, die viele der klinischen Studenten genau so sahen. Helmar Subke beginnt 1967 in Lübeck zu studieren, auch er ist begeistert von den „hilfreichen und unterstützenden“ Assistenten und den Dozenten die Vorbilder zum anfassen gewesen seien. Ein „Aufbruch in ein ganz neues Studentenleben“ sei die Uni gewesen.

Natürlich ist nicht alles optimal, noch müssen Ulrike, Helmar und ihre Kommilitonen zwischen den Krankenhäusern Süd und Ost Pendeln, in den 15 Minuten die ihnen dafür zur Verfügung stehen kaum zu schaffen. Giesela von Forster-Marr war erste Fachschaftsvorsitzende und erinnert sich noch gut an organisierte Fahrgemeinschaften und volle Autos, um irgendwie rechtzeitig am Klinikum Süd, wo Fächer wie Anatomie und Pathologie gelehrt werden, anzukommen. Auch die Ausstattung der Vorlesungssäle lässt in diesen Jahren noch etwas zu wünschen übrig. Dazu kommt, dass Lübeck vor dem Fall der Mauer „verschlafen am Rande der Republik“ lag und auch die Bürger etwas spießig sein konnten, wie Andreas Zarth, der 1979 sein Studium in Lübeck beginnt, es beschreibt. Helmar Subke erinnert sich gar an einen Fall, bei dem ein Student beim Segeln durch ungünstige Winde zum “Feindesufer” abgetrieben wurde. Der junge Mann hatte Glück, das Schilf auf DDR-Seite war so unzugänglich, dass er nicht entdeckt wurde und bald unbemerkt zurück segeln konnte.

Segeln war aber nicht die einzige Freizeitbeschäftigung. Die Bürgerschaft engagierte sich für die Studenten in der neuen Akademie, es gab Prozente bei Weiland, Kinogutscheine und vieles mehr. Dazu ging es an den Strand, wo ein Professor einen Strandkorb mietet, den er in Abwesenheit gerne zur Verfügung stellte. Der Strandkorb war ein beliebter Treffpunkt bei gutem Wetter.  Auch die Studenten stellten einiges auf die Beine, unter anderem existierte eine Theatergruppe und sogar eine Studentenkneipe, die Helmar Subke und Freunde in der Alfstraße eröffneten. Regelmäßig wurde der „Mr. MAL“ gekürt, Polizeibesuche wegen Ruhestörung waren üblich.

Und natürlich wurde es, wir reden immerhin von den sechziger Jahren, politisch. Am 1. Juli 1965 demonstrierten Lübecker Studenten das erste Mal, gegen den Bildungsntotstand, wie es im Demonstrationsaufruf des Verbandes deutscher Studentenschaften heißt, gemeinsam mit ihren Kommilitonen in Kiel und anderen Studenten in ganz Deutschland. Diese Demonstration fand noch in Kiel statt doch schon im Dezember 966 ziehen die Studenten, es sind inzwischen 330 in den klinischen Semestern, auch in Lübeck demonstrierend durch die Straßen. Sie fordern die sofortige Besetzung des HNO-Lehrstuhles, um für ihre Examina endlich nicht mehr nach Kiel fahren zu müssen und werfen der Bürgerschaft eine „Verzögerungstaktik“ vor. Sie sehen gar die Existenz der Uni bedroht.

Die Universität überlebt und vergrößert sich, nicht nur, was die Zahl der Studenten angeht, auch die Bebauung des Campus beginnt. In diesen Jahren wurden immer mehr Gebäude dem Campus hinzugefügt und mit der zunehmenden Zahl von Studenten wurde auch das Studentenleben vielfältiger. Das Gelände muss in diesen Jahren einer gigantischen Baustelle geglichen haben. In den Folgejahren wurden viele Millionen Mark für die Planung und den Bau eines Studentenwohnheims, Vorlesungsräumen und dann irgendwann auch der Bibliothek und der Mensa ausgegeben. Immer lauter wurden die Stimmen, die in Lübeck einen eigenen Hochschulstandort wünschten.

Schon 1972 ist klar, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird, aber erst Jahre später werden die Vorklinischen

TransitoriumStudentenPACK | StudentenPACK.

Transitorium

Semester mit ihrem Studium in Lübeck beginnen. Dazwischen fällt der Bau des Transitoriums, dem mit über 25 Millionen Mark bis dahin teuerstem Hochschulgebäude der Nachkriegsgeschichte, sowie des Vorklinischen Zentrums und der Bibliothek.

Mit der eigenen Universität kommen die Studierendenpolitik und neben der Fachschaft Medizin sind nun auch ein AStA und ein Studierendenparlament zu besetzen. Viel politischer als heute kommt es zum Bruch zwischen liberalen und CDU-nahen Bewerbern, erstere ziehen ihre Kandidatur zurück, da sie es für unmöglich halten mit ihren konservativen Kommilitonen zusammen zu arbeiten.

1975 gründet sich die erste Studierendenzeitung. “Der Springende Punkt” ist teilweise handschriftlich, teilweise mit einer Schreibmaschine getippt und ist so links gerichtet, wie man sein kann.  In den ersten Ausgaben druckt er weitgehend Demonstrationsaufrufe, Solidarisierungen und Kritik an Gerichtsentscheidungen, aber auch Themen wie der Bau von Atomkraftwerken ist im Springenden Punkt von Bedeutung. Die Redakteure arbeiten weitgehend auch im Studierendenausschuss und nennen sich „Aktionsprogramm für einen politischen AStA“.

Erik Zadik, Student aus Schweden, lässt sich nicht politisieren und genießt sein Studium in Lübeck, dass er “in minimaler Zeit” durchführt und derweil auch die Freizeit an den Wochenenden. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm nächtelange Kneipentouren, sowie Mittsommernachtsfeste an der Wakenitz.

Als in den Achtzigern auf der brachliegenden Fläche südwestlich des Campus die Mensa, die Bibliothek und das Vorklinikum geplant wurden, sollte die Bibliothek einen Turm erhalten, Architekturzeichnungen mit einem Turm wurden damals auch in den Lübecker Nachrichten abgebildet. Die Universität der zwei Türme? Herr der Ringe-Witze dürften auch damals aufgekommen sein, doch wie es mit Bauvorhaben so ist, kam alles anders.StudentenPACK | StudentenPACK.

Als in den Achtzigern auf der brachliegenden Fläche südwestlich des Campus die Mensa, die Bibliothek und das Vorklinikum geplant wurden, sollte die Bibliothek einen Turm erhalten, Architekturzeichnungen mit einem Turm wurden damals auch in den Lübecker Nachrichten abgebildet. Die Universität der zwei Türme? Herr der Ringe-Witze dürften auch damals aufgekommen sein, doch wie es mit Bauvorhaben so ist, kam alles anders.

Ebenfalls 1975 beginnt die Universität mit konkreten Planungen die Humanmedizin komplett auszubauen, ein zentraler Schritt in Richtung eigener Universität. 53 Millionen Mark soll das Vorklinische Zentrum kosten, das nie vollständig realisiert wird. Der Büchertrum der Bibliothek sowie das vierte Gebäude des Vorklinischem Zentrums, welches auf dem Platz des heutigen Gebäude 64 stehen sollte, werden nie gebaut. Als am Ende der Siebziger noch die Planung des Zentralklinikums beginnt steigen die Kosten sogar auf eine viertel Milliarde Mark. Doch all dies wird nötig sein, um so bald wie möglich eine richtige Uni zu werden.

Der Vorlesungsbetrieb verläuft derweil nicht für alle ohne Probleme. Die Vorlesung “klinische Chemie” ist so schlecht, dass sich alle 80 Studenten geschlossen weigern an der Klausur teilzunehmen.  Alle Wiederholungstermine boykottierend riskieren sie ihr Staatsexamen. Die Aktion schlägt hohe Wellen, der Springende Punkt zieht über den „Problemkurs“ her, die LN schreibt von “verhärteten Fronten“. Am 27. Juli 1976 ziehen die Studenten demonstrierend durch die breite Straße. Sie tragen eine Sarg und Schilder mit der Aufschrift “Wir tragen unser Examen zu Grabe”. Trotz eines eintägigen Streiks von nahezu der gesamten Studierendenschaft gab es keine Einigung, nur 4 der 80 Vorlesungsteilnehmer können 1976 ihr Examen erhalten.

Andernorts streiken die Studenten um verbesserte Bedingungen in ihrem Praktischen Jahr zu erhalten.

Ein Studierendenparlament hat sich, genau wie der AStA, in jenen Jahren natürlich auch gebildet. Sommer für Sommer finden nun Wahlen statt, die Wahlbeteiligung in jener hoch politischen  Zeit ist natürlich groß (1977, bei der Wahl des 5. StuPa sind es 66%) doch es ist zu bedenken, dass weniger als 400 Studenten eingeschrieben sind.

Weitere Studentenstreiks folgen, einige Bundesweit. Das politische Engagement an der Universität zu Lübeck ist groß. Mit weniger als 500 Studenten wird fleißig Gremienarbeit geleistet, eine Zeitung herausgebracht und bundesweit an Aktionen teilgenommen. Insbesondere setzt man sich aber für die lokalen belange der Studenten ein. Sich die Uni Lübeck als Hort der wilden Achtundsechziger vorzustellen, so betont Forster-Marr, sei nicht richtig. Auch Dieter Brunswig, der 1965 sein Studium an der MAL beginnt und mit der Matrikelnummer 66 zu den illustren ersten 100 Studenten der Uni Lübeck gehört, betont, dass die Studentenbewegung an der Uni Lübeck vorbei gezogen sei. Der ehemalige Student Andreas Zarth nennt es „politisch aktiv, spontan, nicht festgelegt aber natürlich links orientiert.“

Und so dümpelt er dahin, der Uni-Altag. „Der Springende Punk“ schreibt über Greenpeace, Pershing-Raketen und den Atomkrieg. Die Anzahl der Studenten nimmt zu, und ab 1983 werden die ersten vorklinischen Studenten immatrikuliert. Mit der großen Menge an Studenten wird auch das Studium weniger persönlich, schon längst kennen die Professoren nicht mehr jeden Studenten. Auch was Hochschulpolitik angeht, scheint das Engagement der zurück zu gehen. Als aus der Medizinischen Hochschule 1983 die Medizinische Universität Lübeck wurde, sind 47% Wahlbeteiligung bei den hochschulpolitischen Wahlen ein Grund zu feiern.

Teil 3: Von Rechtsstreit und Rechtsruck (1983 – 1994)

Es muss das Tagesgespräch auf dem Campus der Uni Lübeck gewesen sein, als am 9. August 1983 die Staatsanwaltschaft die Räume des AStA durchsuchen ließ. Grund für die Aktion war das Studentenmagazin „Der Springende Punkt“, welches seit seiner Gründung 1975 kaum an Radikalität verloren hatte. In jener Ausgabe 1983, die leider auch in den Archiven des AStA nicht mehr zu finden ist, hatten die Redakteure sich mit den Rüstungsplänen der Nato beschäftigt.

Was die Studenten für notwendig hielten, nannte die Staatsanwaltschaft einen Aufruf zur Nötigung und zu anderen rechtswidrigen Taten, denn der Artikel rief zum direkten Widerstand in Form einer Blockade in Bremerhaven gegen die Pläne der Nordatlantischen Vertragsorganisation auf. Es ist das erste mal, nicht nur in Lübeck sondern bundesweit, dass derart auf einen Artikel in einer Studentenzeitung reagiert wird.

Weitere Folgen hatte das ganze wohl nicht, aber die Ausgabe erschien nie.

Es ist nicht der einzige Rechtsstreit, dem sich der AStA 1983 ausgesetzt sieht. Die überwiegend linken Gremien wollen ein allgemeinpolitisches Mandat wahrnehmen, sich also nicht nur um Belange der Hochschulpolitik kümmern, dies ist ihnen aber nicht gestattet und so erhielten sie eine Anzeige.

Auch diese Anzeige verläuft im Sand, aber über zu wenig Aufregung können sich Redakteure und Hochschulpolitiker in jenen Jahren nicht beklagen.

Abseits der Gremienpolitik und der Zeitung sind Studenten wie sie immer gewesen sind und immer bleiben werden. Stammkneipe vieler Medizinstudenten ist inzwischen der Rauchfang, liebevoll Rauschfang genannt, der direkt unter einem Studentenwohnheim lag. Für manche war die Kneipe geradezu Wohnzimmer.

Natürlich wird im Sommersemester gesegelt und die Zeit wird am Strand verbracht. Mit der Einführung der Vorklinik in Lübeck wurde die Anzahl der Studierenden zudem etwas größer, Hans Ole Korsgaard, der damals in Lübeck studierte erinnert sich allerdings, dass es trotz der circa 180 zusätzlichen Studenten überschaubar bleib.

Im Jahre 1984 feiert die Universität, noch ist sie eigentlich die Medizinische Hochschule, ihr 20 jähriges Bestehen. Was als kleine Akademie begann, kann stolz auf 1000 Studenten und über 1200 Mitarbeiter sein. Noch im Dezember folgt die Umbenennung in Medizinische Universität.

Zentrales Thema der 20-Jahr Feier im Rathaus ist auch, dass endlich der Bau einer gemeinsamen Mensa für die Studenten der MHL und der Fachhochschule beginnen soll. Baubeginn ist für 1985 geplant. Doch wie so oft verzögert sich der Bau. Die Studenten drängen zwar, sie sind die Provisorien satt, weisen darauf hin, dass eine Mensa auch als größerer Vorlesungssal dienen könnte und legen im Juni 1986 symbolisch den Grundstein für die Mensa. Von den Verantwortlichen werden sie ignoriert.

Die Eröffnung der Mensa bot dann auch die erhoffte qualitative Verbesserung und die neuen Räumlichkeiten nun endlich allen Studenten Platz und besseres Essen. Als Vorlesungssal wurde die Mensa aber nie benutzt.

BAföG-Beratung in der Mensa – jeden 1. und 3. Montag des Monats, 9:00 – 13:00 Uhr.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Später erweiterete Mensa

Noch 1983 wählen 47% der Studenten ihr Studierendenparlament, 1986 nur noch 17%. Solche Wahlbeteiligungen wurden üblich an der Universität zu Lübeck. 1991 stellt sogar der hoch engagierte „Springende Punkt“ der 1988 endlich zu einem lesbaren Layout gefunden hatte, den Druck ein.

1986 treffen sich Studenten der ersten Jahrgänge der Medizinischen Akademie in Lübeck. 180 ehemalige Studenten feiern über drei Tage ihr Wiedersehen, erzählen sich Geschichten und lassen ihre Studierendenzeit wieder aufleben. Auch Giesela von Forster-Marr gehört zu den Organisatoren. Natürlich besuchten die ehemaligen Studenten auch die Universität und den noch nicht fertiggestellten Neubau des Zentralklinikums.

Als dann 1989 die Uni bereits ein viertel Jahrhundert existiert, sind die Anzeichen einer fundamentalen Veränderung zu bemerken. Das Zentralklinikum ist inzwischen nahezu vollendet, und in Lübeck wird über die Gründung einer technischen Fakultät nachgedacht. Man hatte gehofft zum 25-jährigen bestehen den Studiengang Elektrotechnik ankündigen zu können, doch das Land wollte noch nicht zustimmen.

Es dauert zwei Jahre bis sich die Studierendenschaft 1993 mit der „Bauchpresse“ wieder eine Zeitung gibt. Die Bauchpresse, auch bp, war für 16 Ausgaben über 8 Jahre das Magazin der Studenten der Uni Lübeck. Sie erschien zwei mal pro Jahr, üblicherweise im Januar und Juni, und wurde vom AStA der damaligen Medizinischen Universität zu Lübeck (MUzL) herausgegeben.

Mit zwischen 40 und 90 Seiten machte die Bauchpresse ihr seltenes Erscheinen mit besonders ausführlicher Berichterstattung wieder wett, so werden Titelthemen, wie zum Beispiel Neonazis in Lübeck, die Hochschulreform oder aber auch die Katastrophe der Cap Arcona von verschiedensten Seiten in aller Ausführlichkeit diskutiert. Dazu kommen Karikaturen, Berichte aus den Gremien und Buchkritiken und vieles mehr. Aber auch die Bauchpresse leidet am geringen Engagement der Studenten, in vielen Ausgaben müssen die Redakteure um Mitarbeiter werben, um das Projekt aufrecht erhalten zu können.

1994 markiert für die Stadt Lübeck, und damit auch für die Universität, ein trauriges Jahr. Am 25. März 1994 legen Rechtsradikale in der Lübecker Synagoge Feuer. Ein Brandanschlag, ein Mordanschlag, wie man ihn kaum für möglich gehalten hatte. Lübeck stand unter Schock, auch die Studenten beschäftigte das Thema, wobei es der Vorlesungsbetrieb und auch den Betrieb der Uni nicht zu dominieren vermag. Am 30. März findet im Zentraklinikum die Veranstaltung „Wider Gleichgültigkeit und Wegsehen“ statt, es spricht der damalige Prorektor Kühnel an, was die Verpflichtung jedes einzelnen sein muss, Student oder nicht:

„Es ist deshalb höchste Zeit, dass wir uns zu Wort melden. Und damit darf erst aufgehört werden, bis es auch die widerlichsten und dümmsten Rassisten unmöglich geworden ist, unser Land zu desavouieren. Unsere Zukunft hängt davon ab, ob die Welle von Gewalt, die unser Land heimsucht, verebben wird oder nicht, und ob es gelingt, dafür zu sorgen, dass sie nie, aber auch wirklich niemals zurückkommt.“

Die Bauchpresse befasst sich intensiv mit den Tätern und ihrem sozialen Umfeld. Eindringlich warnt Autor Patrik Linsel-Nitschke davor weiter weg zu schauen und den wachsenden Rechextremismus zu ignorieren. Am 7. Mai 1995 wird ein zweiter Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge verübt.

Die Universität macht in dieser Zeit ihre Wohl größte Wandlung durch, erstmalig studieren in diesem Semester nicht nur Mediziner in Lübeck. Zwar war der 1989 noch angedachte Studiengang Elektrotechnik nie entstanden, aber seit dem Wintersemester 1993/1994 wird in Lübeck Informatik studiert.

Teil 4: Veränderungen und Wiederholungen (1994 – 2009)

Mit der Einführung des Studiengangs Informatik an der Uni Lübeck verändert sich die Struktur der gesamten Universität. Erstmals gibt es mehr als nur eine Fakultät. Neue Professoren leben sich in Lübeck ein, darunter Bernd Fischer, der aus Hamburg an die Uni kommt. Sie alle unterrichten Studenten in medizinischer Informatik, zu Anfang das einzige Nebenfach – das auch Helge Illig studiert. Er ist damals Vorsitzender der Fachschaft und wird 1999 als erster sein Diplom an der Universität zu Lübeck erhalten.

Die Fachschaft Informatik hatte sich 1993 gegründet (und am 13. Mai 1998 aus unbekannten Gründen noch einmal).

Die Studentischen Gremien beschäftigt in diesen Jahren unter anderem eine Klage einiger Studenten gegen das Deutsche Rote Kreuz: „Die Klage lautet auf Übernahme eines  unbefristeten Arbeitsverhältnis als Extrawache. Damit verbunden sind die Rechte auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, arbeitsmedizinische Betreuung, Weihnachtsgeld und Kündigungsschutz.“, heißt es im StuPa-Protokoll von 1995. Man klagt, da ein Student Urlaubsgeld gefordert hatte und dann abrupt nicht mehr eingesetzt wurde. Wie es mit solchen Klagen ist, zieht sie sich über mehrere Jahre und alle Instanzen. Der Student verliert 1997 in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht, erreicht aber dass nun „studentische Extrawachen Anspruch auf Urlaub, Stellung von Arbeitskleidung und auf betriebsärztliche Untersuchung“ haben.

1997: „Aufstand gegen die Bildungsmisere“. Man agiert etwas kreativer als beim Bildungsstreik des Jahres 2009. Um auf die Umstände aufmerksam zu machen verlegen die Studenten ihre Vorlesungen in einen Bus, wo Professor Köhn in der Linie 9 über Speichermedien doziert, und in eine Einkaufspassage wo Professor Manfred Spiekermann über Molkularverbindungen spricht. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihre Bildungspolitiker” schreiben sich die Medizinstudenten auf Schilder. Bekanntermaßen war dies bei weitem nicht die erste Demonstration um die Bildung zu retten, es sollte nicht die letzte sein. 2000 kürzt Kiel so viele Gelder, dass der Rektor der Uni Lübeck, Hans Arnold, die Situation an der Uni weniger als anlockend für Wissenschaftler sieht, sondern als „abschreckend“. 2005 mobilisierten AStA und StuPa die Studenten der Uni Lübeck, wie schon 1997 mit Hilfe einer Vollversammlung, zu einer großen Demo und zahlreichen Aktionen unter dem Motto „Lübeck kämpft für seine Uni“, als es darum ging die Fusion der Universitäten zu verhindern. Was 2002 bei den Demonstrationen der Klinikangestellten gegen die Fusion der Kliniken in Lübeck und Kiel zum UKSH erfolglos blieb, konnte 2005 erreicht werden. Die Uni Lübeck ist bekanntermaßen noch heute eine eigene Uni. Auch 2003 gehen Bundesweit, besonders in Berlin, Studenten auf die Straße. Besserung wird von Seiten der Politik für das Jahr 2009 gelobt. 2009 formierten sich Bundesweit, auch in Lübeck, wieder Schüler und Studenten um in einem weiteren Aufguss alter Parolen wieder einmal aufzurütteln und über die „Bildungsmisere“ zu informieren. Ob sie erfolgreicher sein werden als Studentengenerationen seither, kann man nur hoffen. Die Kritiken klingen auf jeden Fall wie 1997 als es im Aufruf zur Vollversammlung heißt man Kämpfe gegen die „Unterfinanzierung der Bildung, katastrophalen Studienbedingungen und schlecht ausgestatteter Bibliotheken“

Apropos Bibliotheken, auch was dieses Thema angeht reiht sich 2009 in die ewigen Wiederholungen ein. Schon 1997 hatten die Studenten in einer Resolution mehr Geld für Bücher gefordert. „Finanzielle Dürre in der Uni-Bibliothek“ steht in der LN vom Juli 1999 und Biblitheksmitarbeiter wie Studenten hoffen, dass sich die Unterversorgung bald behebt. 2001 heißt es dann „Kein Geld für neue Bücher“, die Finanziellen Mittel seien seit 1997 gleich geblieben,  während sich der Preis für Standardwerke im Durchschnitt um 35% steigerte. Zeitschriften würden jedes Jahr etwa 10% teurer. 2008 gründet sich die Initiative „365 Tage für die Hoschschulbibliothek“ und versucht erneut das Dilemma derBibliothek zu klären.

2009: Der erste Lübecker Hochschulball. Groß angeworben und mindestens genauso schlecht angekommen war er in Wirklichkeit bei weitem nicht der erste Hoschschulball. 1998 findet ein Hochschulball statt, der ebenfalls als ein
erster beworben wird, nur zwei Jahre später organisieren die Hoschschulen Lübecks im November 2000 einen Herbstball der Hochschulen in der MUK. Es folgen weiter Bälle für Absolventen oder zu anderen Anlässen.

Es scheint, Ereignisse an Hochschulen wiederholen sich, Studenten merken es bloß selten, da ihr Aufenthalt meist kurz ist. Seit das Semestertieket 1993 eingeführt wurde, wurde der Preis regelmäßig erhöht, im Jahr 2000 von 30 auf 45 Mark. Mit dieser Preiserhöhung steigert sich aber auch die Leistung. Der Bahnhof am Mönkhofer Weg wird eröffnet und ermöglicht vielen Studenten einen kürzeren und angenehmeren Weg zur Uni und zurück nach Hause. Spätere Erhöhungen können nicht durch solche Leistungen gerechtfertigt werden.

Nach langen Untersuchungen im Pizzaviertelgebäude 64 lässt sich feststellen, dass nur Mitarbeiter des Instituts für Mathematik mit warmem Wasser nach dem Toilettengang gesegnet sind. Lässt man die Teeküchen außen vor besitzt kein anderes Stockwerk Warmwasserhebel an den Wasserhähnen. Warum? Das dritte Stockwerk wurde erst im Nachhinein auf das Gebäude gesetzt und dann aufgrund des späteren Bauzeitpunkts mit Warmwasser ausgestattet. Der Mathematiker musste zwar länger auf den Einzug warten, kann sich dafür jedoch nun mit Warmwasser die Hände waschen. Gerüchten zufolge nimmt manch einer deswegen sogar den Weg eine weitere Etage nach oben in Kauf...StudentenPACK | StudentenPACK.

Geb. 64

Andere Themen wiederholen sich in ihrem Nicht-stattfinden. Schon seit 1992 war der Bau des Informatikgebäudes (Gebäude 64) geplant. 1999 folgte eine weitere Bekundung, endlich zu beginnen, doch es geschah wieder nichts. Dem AStA platze damals der Kragen und er forderte endlich einen Baubeginn. Wohl nicht deswegen ging es 2000 trotz ungesicherter Finanzierung endlich los. 2003 wurde das Gebäude vorläufig fertiggestellt. „Ein Amphitheater für Lübecks Wissenschaft“ titelt die LN. Die Kosten liegen bei 17 Millionen Euro welche sich Bund und Land teilen. 120 Kilometer Stromkabel, 60 Kilometer Glasfaserkabel sind in den Böden und Wänden des 5650 Quadratmeter großen Gebäudes untergebracht. Direktor der Universität Alfred X. Trautwein hofft: „Der Austausch zwischen den Wissenschaftlern wird sich in Zukunft enorm verbessern und beschleunigen“. Schon im darauf folgenden Jahr sollte das Gebäude um ein Stockwerk erhöht werden. Seitdem werden diese Pläne Jahr für Jahr verschoben. Die Mathematiker sitzen immer noch in der Seefahrtsschule, auch die Technische Informatik sitzt in einem eigenen Gebäude.

Auch mit regelmäßiger Zuverlässigkeit kamen die Studiengebühren bisher nicht nach Schleswig-Holstein. Noch vor zehn Jahren konnten die Studenten dabei auch sicher sein, dass die Landesregierung sie in ihrer Opposition zu Studiengebühren unterstützte: „Kiel schmettert Studiengebühren ab“, schreibt die LN über SPD-Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, welche Studiengebühren kategorisch ablehnt. „Das Erststudium müsse gebührenfrei bleiben, weil sonst Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen vom Studium abgeschreckt würden.“ Die Kultusministerkonferenz, welche Rave in jenem Jahr leitet, kann sich allerdings weder auf diese noch irgendeine andere Position einigen. Als Resultat bleiben Entscheidungen bezüglich der Erhebung von Studiengebühren jedem Land selbst überlassen. Der Rest ist Geschichte. Das Schicksal der kommenden Jahre ist ungewiss. Zwar haben FDP und CDU, die in Zukunft in Bund in Land regieren, in ihrem Landtagswahlkampf versprochen keine Studiengebüren einzuführen, und Ministerpräsiden Harry Peter Carstensen hat dies vor seiner Wiederwahl im TV-Duell noch einmal bestätigt. Doch ob das mehr als Lippenbekenntnisse sind darf abgewartet werden. Sicher ist, dass die Parteien anderorts konsequent für Studiengebühren gesorgt haben.

Was Wiederholungen angeht bleibt aber Hoffnung, 2010 kommt das neue Stockwerk auf das Gebäude 64.

Es ist neun Jahre her, dass Dr. Petra Roßkopf den Hochschulsport in Lübeck von Hans-Dieter Hesemeyer übernahm der, 30 Jahre lang die Leitung inne hatte. Seitdem ist Roßkopf die oft streitbare aber zweifelsohne erfolgreiche Leiterin
des Sportangebotes, welches sich in den Jahren um einige neue Sportarten erweitern konnte. Sie veranstaltet jährlich das Hochschulsportfest, seit einigen Jahren im neuen Hoschschulsportzentrum, das, unter anderem, mit finanzieller Unterstützung der Studenten der Uni Lübeck errichtet wurde.

Ab 2001 vergrößert die Universität ihren fachlichen Fokus. Den Anfang wird die Molekulare Biotechnologie machen.

Mitbegründer des Studiengangs, der heute MLS (Molecular Liefe Science) heißt, ist Prof. Dr. Enno Hartman: „Die Molekulare Biotechnologie stellt für mich die zentrale Wissenschaft des 21. Jahrhunderts dar“ (29. Mai 2001, LN). Davor hatte man an der Universität ringen müssen um den Studiengang zu erhalten, denn auch Kiel wollte ein  derartiges Studium anbieten und hätte ihn Lübeck mit Plänen zu einem Biotechnik Campus und einem „High-Tech-Park“ beinahe weggeschnappt. 25000 Flyer wurden verteilt um Studenten für den neuen Studiengang zu werben die sich ab dem Wintersemester 2001/2002 einschreiben konnten. Die Werbung ist erfolgreich, mit 509 Erstsemestern schreiben sich 140 Studenten mehr als im Jahr davor ein. Ein Rekord an der Uni Lübeck.

Auch schon 2001/2002 an der Uni: Die allererste CLS (Computational Life Science)-Studentin. Ihr Studiengang existiert noch nicht, aber die Ahrensburgerin Katja Hansen hatte sich die Uni angesehen und in den 3 Fachrichtungen
nichts gefunden was sie ansprach. Im Gespräch mit Professor Presitin findet sie in CLS was sie sucht. Da die  Vorlesungen des ersten Semesters CLS im Rahmen der anderen Studiengänge ohnehin angeboten werden lässt man sie inoffiziell anfangen. Katja wechselte zum Wintersemester 2002/2003 dann das Studienfach wo sie dann die einzige Drittsemesterstudentin des Fachs CLS, welches 2009 seinen Namen wechselt, ist. In der Universität der kurzen Wege ist nichts unmöglich.

Auch nicht, das eine Universität, in welcher fast die Hälfte der Studenten nicht Medizin studieren „Medizinische

Seit 2002 heißt die Universität “Universität zu Lübeck”

Universität zu Lübeck“ heißt. 2002 wird dieser Zustand endlich korrigiert. Die MUL benennt sich in Universität zu Lübeck um. Auf einen fantasievollen Namen konnte man sich in der recht knappen Abstimmung nicht einigen, so bleibt es der kleinste gemeinsame Nenner. Die LN fragt ihre Leser welchen Namen die Uni haben sollte und „Thomas-Mann-Universität“ gewinnt, aber auch Willi-Brandt-Universität oder Exoten wie Marzipanuni sind im Gespräch.

Ebenfalls ein Kandidat für die Namensgebung: Günter Grass. Dieser erhält 2003 den Ehrendoktor für sein Engagement für den Frieden. Schon lange ist der Literaturnobelpreisträger Grass der Universität verbunden hat Lesungen und sogar Gastvorlesungen gehalten. Er „setzt sich für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in der Welt ein. Das sind Ziele, die auch wir Mediziner haben“, begründet Hans Arnold auch vor dem Hintergrund des drohenden Irak-Krieges. Es ist der fünfte Ehrendoktortitel für Günter Grass, der verlauten lässt: „Ich freue mich.“

Seit 2003 gibt es nun 4 Studienfächer in Lübeck und so würde es eine Weile bleiben. Für all jene die das Studium an der Uni beenden gibt es seit 2003 zudem die Alumni. Die Organisation für Ehemalige der Universität hatte sich zu Beginn des Jahres gegründet. Doch wie beginnt das erste Semester für all diese Studenten? Natürlich mit der Vorwoche. Dass die Vorwoche dieses Ereignis ist, dass man heute kennt ist einigen Informatikern zu verdanken. Diese gründeten 2001 das Partygremium P++ und organisierten  das Programm der Tretwegwoche, wie die Vorwoche damals getauft wurde. Stadtralley, Vorklinikumspartys und ähnliches gingen auf ihre Kappe.

P++ gibt es noch heute: Längst nicht mehr nur eine Truppe von Informatikern, konnte die Gruppe über die Jahre durch nichts und niemanden aufgehalten werden. Weder das auslösen des Feueralarms bei einer VK-Party 2002 und die  damit verbundenen Kosten, noch die horrenden Kosten, um die Mensa zu mieten.

Die jährliche Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ wird seit 2002 jedes Jahr an der Uni Lübeck mitgemacht. Studenten packen Schuhkartons mit Geschenken für Kinder in ärmeren Ländern. 2010 wird diese Aktion durch eine Zusammenarbeit mit den Lübecker Tafel ersetzt, der missionarische Hintergrund der Schukartonorganisatoren war dem AStA nicht geheuer. Ebenfalls seit 2002 zeigt der AStA den Film „Die Feuerzangenbowle“, um den Alltag der Studierenden in der kalten Jahreszeit etwas aufzuhellen.

Die Studenten der Molekularen Biotechnologie hatten sich bereits in einer eigenen Fachschaft eingerichtet als 2004 auch die CLS-Studenten beschlossen eine eigene Fachschaft zu gründen. Zu diesem Zeitpunkt gab es 33 Studenten dieser Fachrichtung. Es wäre wahrscheinlich ein großes Chaos geworden doch ein anderer Weg ließ sich finden. Die Fachschaft Informatik benannte sich in Fachschaft CS um und wurde zur Vertretung beider Fachrichtungen. Zudem wurde eine enge Zusammenarbeit der beiden Fachschaften der Technisch Naturwissenschaftlichen Fakultät
(TNF) beschlossen, dies beinhaltet zum Beispiel das Veranstalten gemeinsamer Feiern, gemeinsame Öffnungszeiten und gemeinsame Sitzungen.

Nachdem 2001 die letzte Studentenzeitschrift erschien (die inzwischen in COMPresse umbenannte Bauchpresse), war Jahrelang keine Publikation von Seiten der Studenten mehr erschienen. Dies korrigierten 2005 Antje Vorath, Clara Bathmann und einige Kommilitonen und gründeten, in einer Sonderausgabe zur Landtagswahl, das StudentenPACK. Dieses erschien erst einmal unregelmäßig und in Din A4 doch inzwischen hat es sich in seinem neuen DIN A5 Format und regelmäßigem Erscheinen an der Uni etabliert. Die Auflage ist allerdings deutlich geringer als bei der Bauchpresse: Heute werden monatlich 500 Exemplare des StudentenPACKS gedruckt.

Ab dem Wintersemester 2007/2008 richtet sich der neueste Studiengang an unserer Uni ein. Medizinische ngenieurswissenschaften (MIW). Die Studenten werden in den ersten Jahren wie ihre Kommilitonen in Studiengang CLS durch die Fachschaft CS vertreten. Im wintersemester 2009/2010 werden die Studierenden der MIW beginnen eine eigene Fachschaft zu gründen, die enge Kooperation mit den beiden anderen technischen Fachschaften möchten sie fortsetzen.

Und das ist sie heute, unsere Uni: 2 Fakultäten, 5 Studiengänge, 2334 Studenten. Eine Studierendenschaft mit ihrer Geschichte. Wir sind inzwischen eine Spitzenuni, noch 1999 wurde der Informatikstudiengang zwar einigermaßen
gut, aber nicht sehr gut bewertet seitdem haben wir uns weit nach vorne gearbeitet. Schon seit zehn Jahren ist Medizin in Lübeck ganz weit vorne dabei. In einer Befragung unter Erstsemestern nennen 2003 viele Studenten den guten Ruf der Uni Lübeck als einen Hauptgrund hier zu studieren. Auch die kleinen Studiengänge in Lübeck sind bemerkenswert und CLS und MIW sind dazu einmalig.

Sicherlich gibt es viel mehr zu berichten aus den vielen Jahren in welchen aus 14 Studenten in einem improvisierten Hörsaal eine Universität wurde. Unvollständigkeit ist bei solchen Artikeln unumgänglich. Ich hoffe dennoch, dass diese vier Kapitel Unigeschichten euch gefallen haben.

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