Erfahrungsbericht

Tutorentraining und Durchführung eines betreuten Tutoriums im Sommersemester 1998

Universität Ulm

Florian Vogt, November 1998

Aufforderung

Gegen Ende des Wintersemesters 1997/98 hatte ich mich dazu entschlossen, einen Vertrag als Wissenschaftliche Hilfskraft zu unterzeichnen und im darauffolgenden Semester ein Tutorium für Theoretische Informatik II zu halten. Ich erhielt kurze Zeit später einen Brief von der Universität Ulm, der mich über die Möglichkeit informierte, an einem sogenannten “Tutorentraining” teilzunehmen, ja, daß mir die Teilnahme daran empfohlen werde. Da ich durch andere Tutoren schon von diesem Training erfahren hatte, war ich nicht weiter überrascht, vielmehr erfreut. Die erste Vorbesprechung sollte schon bald stattfinden.

Start

Auf dieser ersten Vorbesprechung Ende des Wintersemesters 1997/98 fanden sich zwölf Teilnehmer im Seminar für Pädagogik an der Universität ein. Wir wurden in einer entspannten Atmosphäre vom Leiter der Veranstaltung, Dieter Toder, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, über den weiteren Ablauf informiert. Das Tutorentraining sollte in Form eines Seminars stattfinden, bei dem wir uns die Arbeitsschwerpunkte selbst aussuchen durften (oder mußten?). Er nannte das “von individuellen Lerninteressen geleitetes Arbeiten” und kündigte an, daß die Veranstaltung keinen vom Gegenstand vorgegebenen “Lehrgang” darstellte. Daß wir uns um unsere Themen selbst kümmern sollten, war eine neue Erfahrung. Wir sollten in der Seminarbibliothek nach für uns interessant klingenden Büchern suchen, die unter der Überschrift “Methodik und Didaktik” in einem Semesterapparat für uns aufgestellt waren. Man konnte auch Dieter Toder nach Büchern zu einem bestimmten Thema fragen, das einen im Zusammenhang mit der kommenden Unterrichtsätigkeit bereits beschäftigte. Nach einiger Zeit kristallisierte sich bei mir die Frage heraus: Wie lernen Menschen? Ich bekam von Dieter Toder weitere Literatur zu diesem noch recht vagen Raster, aus dem sich der Arbeitsschwerpunkt für mein Selbststudium entwickeln sollte.

Wir bildeten sechs Tandem-Teams (Zweiergruppen) mit jeweils einem Thema pro Team. Nachdem jedes Tandem-Team eine ausreichende Vorstellung über Arbeitsschwerpunkte und Arbeitsverteilung für die kommenden Wochen hatte, wurde das nächste Treffen der gesamten Gruppe ausgemacht und wir hatten Zeit, uns in die Literatur einzulesen. Nun sollten sich die einzelnen Tandem-Teams so oft wie nötig mit Dieter Toder treffen, um das Thema einzugrenzen und Vorstellungen über dessen Präsentation zu besprechen. Die einzelnen Präsentationen sollten nämlich keine Vorträge im üblichen Sinne werden, vielmehr sollte das gewählte Thema gleich umgesetzt werden: der Lern- und Lehrgegenstand eines Teams sollte “handlungsleitend” für die Wahl der Methode werden, mit der die anderen Teilnehmer die Arbeitsergebnisse der Teams erfahren konnten. Eines unserer Teams hatte z.B. das Thema Gruppenarbeit gewählt. Hier bot sich selbstverständlich an, Gruppenarbeit gleich in der Praxis, in diesem Fall mit den Seminarteilnehmern, durchzuführen.

Zielgerade

Der Hauptteil dieser Veranstaltung fand an zwei aufeinanderfolgen Tagen zu Beginn des Sommersemesters statt, mit jeweils drei “Vorträgen” pro Tag. Bis zu diesem Termin bestand die Aufgabe der Tandem-Teams darin, die Themen vollständig für eine Präsentation aufzubereiten. Ob nun in Form einer Ausarbeitung mit Folien, ohne Folien, aber mit Tafelanschrieb oder ganz ohne schriftliches Material, mit längeren oder kürzeren Vortragsanteilen, wurde uns wieder einmal zunächst selbst überlassen. Teilweise entstand Sensibilität für diesen Aspekt der Präsentation erst in den einzelnen Vorbesprechungen der Tandem-Teams mit dem Leiter der Veranstaltung!

Als vorstellungsreife Themen hatten sich in unserer Gruppe zu Beginn des Sommersemesters 1998 ergeben: “Feedback geben und empfangen”; “Motivation”; “Der Lehrer als Lernbegleiter in der Kleingruppenarbeit”; “Unterrichtsrelevante Lerntheorien und deren Umsetzung: problemorientiertes Lernen und Martin Wagenschein”; “Grundformen des Lehrens – Elemente einer kognitiven Didaktik”; “Konstruktion von Wissen – Elemente einer konstruktivistischen Didaktik”.

Die Themen wurden auf ganz unterschiedliche Art und Weise präsentiert und waren sehr interessant. Dadurch fiel es mir nicht schwer, mich auf die Themen zu konzentrieren und auch gegen Ende des Tages noch genügend motiviert zu sein. Manche Arbeitsschwerpunkte waren so gewählt worden, daß man die nun dazu vermittelten Informationen sofort in seinem Tutorium umsetzen konnte.

Neben dem Informationsgewinn durch die in der Gesamtgruppe vorgestellten Arbeitsergebnisse, auch und gerade in der jeweils spezifischen Methode der einzelnen Tandem-Teams, habe ich von der Möglichkeit zur Aufzeichnung meines Vortrages auf Video mit anschließender Besprechung sehr profitiert. Es ist wirklich eine Erfahrung, sich selbst ein Thema vortragen zu sehen und zu hören. Bei der Besprechung des Videos bekam man, wie auch schon zuvor bei den einzelnen Präsentationen, Feedback zu seinem Vortrag bzw. zu der Art und Weise des Vortragens. Dabei wurde von Dieter Toder viel Wert auf die Einhaltung gewisser Feedback-Regeln gelegt. Zum Beispiel sollte sich der Vortragende zuerst selbst über den Vortrag äußern, daran konnten sich Beobachtungen der anderen anschließen (“Ich habe gesehen, daß…”) und ganz zum Schluß sollte die möglichst objektive und konstruktive Kritik folgen (“Ich finde gut / bemerkenswert / nicht gut, daß…”).

Es gab keinen Teilnehmer, der eine perfekte Präsentation vorgeführt hat. Aber durch die offene und vertraute Arbeitsatmosphäre konnten wir vieles ansprechen, das sonst vielleicht unerwähnt geblieben wäre. Dadurch habe ich sehr viel gelernt. Vor allem konnten manche der aufgetretenen “Schwierigkeiten” durch einfache Tips und Beispiele aus den Erfahrungen von Dieter Toder beseitigt werden.

Endspurt

Das Semester hatte schon vor dem Termin für die einzelnen Präsentationen begonnen. Insofern waren alle Teilnehmer schon dabei, Tutorien zu halten, während sie sich in letzten Vorbesprechungen vollends auf den Blocktermin des Seminars vorbereiteten. Die Tutoren der Fakultät Informatik werden während des Semesters von einer Lehrerin betreut: Claudia Weishaupt, die eigens für diesen Zweck angestellt ist. Claudia Weishaupt nimmt an allen Besprechungen der Tutoren mit dem Übungsleiter teil und referiert im Anschluß daran über ein für die Tutoren nützliches Thema (z.B. Fragetechniken). Weiterhin besucht Claudia Weishaupt die Tutoren regelmäßig in den Tutorien. Sie macht sich Notizen und anschließend bespricht man mit ihr den Ablauf des Tutoriums. Auch hierbei werden die Feedback-Regeln angewandt. Außerdem besteht auch hier die Möglichkeit, sich während des Tutoriums von Claudia Weishaupt auf Video aufnehmen zu lassen. Daß das Video anschließend besprochen wird, brauche ich eigentlich nicht mehr zu erwähnen.

Ziel

Die pädagogisch-didaktische Vorbereitung und Begleitung meiner Tätigkeit als Tutor an der Fakultät für Informatik, sowohl durch das Seminar von Dieter Toder als auch die Betreuung während des Semesters durch Claudia Weishaupt, hat mir sehr gut gefallen – und mich sicherlich in pädagogischer Hinsicht ein Stück weiter gebracht. Ich kann jedem, dem sich die Möglichkeit bietet, in den Genuß einer solchen Begleitung zu kommen, nur eine aktive Teilnahme daran empfehlen!

 

Florian Vogt studiert im 7. Semester Informatik mit Nebenfach Medizin in Ulm.

 

Archivierter MUFtI-Artikel

Dieser Artikel erschien in der Onlinezeitung der Fachschaft Informatik. Er wird hier im Rahmen unserer Archivierungsbemühungen kopiert. Das Original ist in der Way-Back-Machine des Internet Archives zu finden.

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