Kurzer Sachverhalt:
Am 18.11.1998 gab die LN einen Artikel Namens “Ein lübsches Kleinod” heraus. Dieser verärgerte viele Studierende und natürlich auch das AStA. Das beschloß daraufhin einen Boykott.


Der LN-Artikel vom 18.11.1998.

Antwort auf LN-Artikel des AStA

Betr.: Thema des Monats, LN-Trave-Treff

Sehr geehrter Herr Strunk, sehr geehrter Herr Schur,

für die Einladung zum LN-Trave-Treff am 30. November möchten wir uns an dieser Stelle bedanken. Sie können sicher sein, daß wir die Gelegenheit gerne genutzt hätten, uns Fragen der Öffentlichkeit zu stellen und mit den Anwesenden ein konstruktives Gespräch
zu führen.

Mit dem Monatsthema “Hochschulstadt Lübeck” haben Sie eine gute Wahl getroffen. Denn wie Sie bereits im ersten Beitrag der Artikelserie festgestellt haben, prägen die Studierenden das Lübecker Stadtbild bei weitem nicht in dem Maße, wie es in anderen, typischen Universitätsstädten der Fall ist. Daher ist es begrüßenswert, wenn von Zeit zu Zeit die Hochschulen der Stadt und ihr Umfeld der Allgemeinheit in ausführlicher Form dargestellt werden.

Wir haben Ihre Berichterstattung mit großem Interesse verfolgt, wobei wir natürlich insbesondere die Artikel studiert haben, die unsere Universität und die von uns vertretene Studierenschaft betrafen. Wir sehen selbstverständlich ein, daß der Rahmen eines
Zeitungsartikels dazu zwingt, Prioritäten zu setzen, und daß es illusorisch wäre, eine tiefgehende Betrachtung aller Details zu erwarten.

Der Artikel “Ein lübsches Kleinod” Ihres Kollegen Andreas Oelker hat uns und viele unserer Kommilitoninnen und Kommilitonen allerdings sehr enttäuscht, um nicht zu sagen bestürzt. Dieser Beitrag stellt bezüglich der Qualität journalistischer Arbeit eine Katastrophe dar.

Die Kernaussage der ersten Absätze besteht darin, an der MUL gebe es außerordentlich viele Langzeitstudierende. Diese, im übrigen unzutreffende, Aussage wird darauf zurückgeführt, daß die Durchschnittsstudienzeit um Studiengang Medizin an der MUL bei 13 Semestern liegt. Wir möchten Sie daran erinnern, daß die vorgeschriebene Mindeststudienzeit bundesweit bei 12 Semestern liegt. Bei einem Schnitt von 13 Semestern kann also überhaupt keine Rede von zweifelhafter “langjähriger Verbundenheit” der Studierenden mit dieser Universität sein. Im Gegenteil – eine Durchschnittsstudiendauer von 13 Semestern ist beachtlich kurz!

Eine “lange Verweildauer” läßt sich auch nicht durch die sich anschließende Behauptung herbeireden, auf Grund eines “schleswig-holsteinischen Hochschulrahmengesetzes” könnten Prüfungen “nahezu beliebig oft” wiederholt werden. Zunächst einmal gibt es kein ”
schleswig-holsteinisches Hochschulrahmengesetz”, und außerdem können die Prüfungen im Studiengang Medizin auf Grund der bundesweiten Regelung des Medizinstudiums höchstens zweimal wiederholt werden. Für den Studiengang Informatik läßt die Prüfungsordnung der MUL ebenfalls höchstens zwei Wiederholungen einer Prüfung zu. Von nahezu beliebig vielen Versuchen kann also keine Rede sein.

Um eine Prüfung überhaupt antreten zu können, müssen bestimmte Leistungen in Form von “Scheinen” nachgewiesen werden. Die Festlegung der Kriterien zum Scheinerwerb liegen bei den jeweils zuständigen Professoren.

Unsere Kritik beschränkt sich nun nicht nur darauf, daß Fakten und Erfundenes wild verdreht, vermischt und unsinnig aneinandergereiht einen großen Teil des Artikels ausmachen. Die Verwendung der reißerischen Phrase “Oase für ewige Studenten” an so exponier
ter Stelle wie am Anfang des Textes läßt uns befürchten, daß die Intention des Artikels nicht ist erster Linie darin bestand, über die tatsächlichen Verhältnisse an der MUL zu berichten. Geringer Rechercheaufwand und Effekthascherei standen offenbar im Vor
dergrund. Sie haben damit dem Bild der Studierenden in der Öffentlichkeit in unverantwortlicher Weise großen Schaden zugefügt.

Vor diesem Hintergrund haben Sie sicher Verständnis dafür, daß wir es vor unserem Gewissen und vor der Studierendenschaft nicht verantworten könnten, Ihre Einladung auf das Podium anzunehmen.

Darüberhinaus scheint es ihrerseits kein ehrliches Interesse an einer inhaltlichen Diskussion zum Thema zu geben. Wir befürchten offensichtlich zu Recht, daß unsere Anwesenheit nur der Vollständigkeit halber gewünscht wurde. Desweiteren sind wir nicht bereit, uns in eine Statistenrolle abdrängen zu lassen und dennoch zu riskieren, am nächsten Tag in Ihrem Blatt falsch zitiert zu werden.

Sie werden nachvollziehen können, daß wir unser Fernbleiben vom Trave-Treff den anderen Teilnehmern gegenüber ebenfalls begründen werden und zu diesem Zweck jeweils eine Kopie dieses Briefes beilegen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Der Allgemeine Studierendenausschuß der Medizinischen Universität zu Lübeck

Gregor Peter
(Sprecher der Studierendenschaft)

 

Eine Erklärung von Jülsch Ganten vom AStA

Was braucht eine Stadt zu Glücklichsein – auf keinen Fall die LN!

Ein paar Worte vorweg:

Der AStA der MUL ist sicher kein streitsüchtiges Organ. Bis uns etwas aus der Ruhe bringt und zu einem öffentlich geäußerten Protest veranlaßt, muß einiges passieren. Wenn mensch ein wenig bösartig wäre, würde er oder sie vielleicht sogar behaupten, der As tA der MUL sei phlegmatisch, was die Politik angeht, und ich würde noch nicht einmal widersprechen. So kommt es dann auch, daß die Sache mit den LN den Asta am meisten beschäftigt hat, seit dem Streik.

Aber um was geht es denn nun eigentlich?

Es geht um das Gefühl, das wohl fast jedeR von uns hat, wenn er oder sie die LN aufschlägt. Da sieht mensch bunte Bilder, große Überschriften, kleine Artikel, ein paar sinnvolle und viele sinnlose Informationen, Anzeigen und Bekanntmachungen. Klar, die LN hat ein anderes Niveau als die große Schwester „Bild“ aus dem gleichen Hause. Aber trotzdem werde ich den Verdacht nicht los, daß es einige Gemeinsamkeiten gibt. Wir blättern also weiter in unserer LN. Da gibt’s ein bissi Politik, einen großen Lokalteil, e in „Thema des Monats“ und alles liest sich so ein bißchen wie eine Mischung aus Bravo und Focus. Ist das Absicht? Bestimmt. Schließlich sind die LN eine regionale Zeitung, sprich außerhalb von Lübeck interessieren sie fast niemand. Und innerhalb von Lübeck soll natürlich ein breites Publikum bedient werden. Und genau da liegt das Problem. Alle, von klassischen „Bild“- LeserInnen bis hin zu FAZ-LeserInnen wollen lokale Informationen oder sind mehr oder weniger auf sie angewiesen. Und wenn diese Tageszeitung auch noch eine (mit nicht ganz feinen Methoden selbstverschaffte) Monopolstellung hat, versucht sie den Spagat zwischen seriöser Berichterstattung und Bedürfnisbefriedigung auf dem Klatsch-Sektor. Heraus kommt eine sehr eigenartige Mischung, eine Art „Info tainment“, was ja primär nicht schlecht sein muß. Im Falle der LN allerdings gesellt sich zu dieser Problematik eine sehr gefährliche Einstellung zu journalistischer Arbeit. Diese äußert sich darin, daß einerseits miserabel recherchiert wird (siehe nebens tehender Artikel) und andererseits gewonnene Informationen nicht genutzt werden, um eine ordentliche Berichterstattung zu liefern, sondern um vorgefaßte Meinungen zu „belegen“. Wir haben versucht, dies an dem Artikel „Ein lübsches Kleinod“ zu zeigen.

Vorausgegangen war allerdings ein allgemeiner Ärger über die Berichterstattung der LN, der sich komischerweise durch alle Gruppen und Schichten zieht. Viele Menschen, vom Bürgermeister bis zur Schrebergärtnerin, haben ihre einschlägigen Erfahrungen mit den LN gemacht, in wenigen Fällen läßt sich beweisen, daß die LN Tatsachen verdrehen, falsch zitieren und bewußt Informationen zurückhalten, in vielen Fällen bleibt nur der Ärger und der sehr unbefriedigende Weg der Gegendarstellung.

In unserem Fall war also der entscheidendende Auslöser für den Entschluß, diesen LN- Praktiken etwas entgegenzusetzen, der o.g. Artikel. Dazu kamen „Pannen“ von Seiten der LN, wie z.B. nicht Abdrucken von Veranstaltungsterminen, oder Wiedergabe von Intervi ews in anderer Form als der vorher abgesprochenen. Während des Streiks im letzten Jahr beispielsweise erklärte uns eine Redakteurin, daß sie nur bis zu einem bestimmten Punkt, nämlich der Abgabe beim Chefredakteur, Einfluß auf den Artikel hat. Danach wird allerdings noch viel verändert, sodaß das abgedruckte Produkt nicht mehr viel mit der Recherche zu tun haben muß.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

  1. Mensch läuft großes Risiko, mit einem völlig falschen Zitat oder mit einer Aussage in völlig falschem Zusammenhang in den LN zu erscheinen.
  2. Die LN betreiben in Lübeck eine Meinungsbildung, die alles mögliche ist, nur nicht objektiv.

Da wir als AStA an sich nicht auf die LN angewiesen sind, sondern genausogut auf die Bauchpresse, das Ultimo und die Stadtzeitung ausweichen können, haben wir beschlossen, den LN grundsätzlich kein Material -egal ob Info`s , Fotos, oder Interviews- mehr zu r Verfügung zu stellen, einerseits also um keine bösen Überraschungen zu erleben, andererseits um ein -zugegebenermaßen nicht allzugroßes- Zeichen zu setzen.

Unterrichtet haben wir die LN davon in nebenstehendem Brief, außerdem haben wir die Rektoren und andere Organe in ähnlicher Weise in Kenntnis gesetzt.

Jülsch Ganten
Politikreferent des AStA

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