Viele reden davon, mal ins Ausland zu gehen, ich sag Euch, macht es! Es lohnt sich, auch wenn sich innerhalb eines Jahres vieles ändert, vielleicht lohnt es sich ja aber gerade deswegen.
Nachdem ich zwei Jahre an der Universität in Lübeck studiert habe, hat es mich in die grosse weite Welt gezogen und gelandet bin ich in Exeter, einer Studentenstadt im Südwesten von England. Dort habe ich ein Jahr Computer Science studiert. Mittlerweile bin ich wieder hier. Dieses Jahr hat mich aber nicht nur der englischen Sprache näher gebracht, sondern ich habe auch viel über mich gelernt und was ich später machen möchte.

Wie und Warum?

Ich hatte die Idee im Ausland zu studieren schon kurz vor meinem Abi. Ich wußte aber nicht, wo ich mich bewerben sollte und wer meine Studiengebühren bezahlt. Leider hatte ich gehört, daß Oxford nur Studenten nimmt, dessen Abi besser als 1.3 ist. Also gab ich es wieder auf – jedenfalls für eine Weile.
Aber verdrängt ist nicht vergessen und mit Hilfe des WWW und einem netten Gespräch mit meinen Eltern, konnte ich wenigstens für ein Jahr England geniessen.

Will man sein ganzes Studium in Großbritanien absolvieren, muß man sich bei der UCAS bewerben. Reicht einem ein Jahr, haben einige Universitäten auch seperate Bewerbungsunterlagen. Der einfachste Weg daran zu kommen, ist der Uni-Verwaltung eine email zu senden. Ausserdem bekommt man dann ganz viel Post – das Informationsmaterial der Universitäten ist beeindruckend. Man denk man fährt in den Urlaub. Ich habe mir Exeter ausgesucht, weil sie mir ohne Probleme Bewerbungsunterlagen zugesendet habe und für Informatik einen guten Ruf haben. Die Forschungsschwerpunkte des Departments liegen vor allem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und Datenbanksystemen. Das Department ist ziemlich klein. Es gibt keine einzelnen Institute wie in Lübeck. Die Anzahl der Studenten hällt sich auch in Grenzen. Aber dazu später mehr.
Exeter war die einzige Universität an der ich mich beworben hatte. Sie wollten ein Zeugnis, Kopien meiner Scheine und eine Einschätzung von einem Professor oder Lehrer. Was dann noch fehlte war ein Flugticket. Das bekommt man ja aber in jedem Reisebüro.

Leben und Leben lassen

Mit der Bewerbung an der Uni hatte ich mich auch gleich für ein Zimmer im Studentenwohnheim beworben. Das war das einfachste und ich dachte auch das billigste. Auf alle Fälle lernt man gleich Leute kennen. Ich hatte auch unheimliches Glück mit meinen Mitbewohnern. Wir waren 12. Davon 2 Deutsche, 1 Australier, 1 Amerikanerin, 1 Norweger, 1er aus Singapor und 6 Engländer – da gibt es ja auch noch Abstufungen, wobei man immer bedenken muß, daß Northerner keine Schotten sind.
Exeter ist eine typische Studentenstadt. Aber auch typisch englisch. Einkaufen kann man rund um die Uhr, aber die Nightclubs schliessen um 1:30. Es ist nicht so, daß es in Exeter mehr Studenten als Einwohner gibt, aber 8000 Studenten fallen schon auf. Man bekommt auch in den meisten Läden Studentenrabatt. Was das Einkaufen auch nicht besonders preiswert macht, aber es hilft schon.
Exeter hat viele nette Pubs – die leider auch zu früh schliessen. Was ich erst später erfahren habe, ist, daß Exeter eine der teuersten Städte Englands ist. Aber das kann ich ja nicht ändern.

Die kleinen Unterschiede

Man studiert in Exeter Informatik innerhalb von drei Jahren. Das Ziel des Studiums ist es, gute Programmierer zu haben. Das spiegelt sich auch in der Art und Weise der Vorlesungen wieder. In den Vorlesungen der theoretischen Informatik läßt man einfach den größten Teil der Beweise weg, was sie auf einmal viel praktischer erscheinen läßt – was keine Beleidigung sein soll. Der Besuch der Vorlesungen ist Pflicht. Kaum einer kommt zu spät, und keiner verläßt die Vorlesung früher.
Da ich nur ein Jahr in Exeter bleiben wollte, hat mir das Department angeboten nur die Kurse zu belegen, die mich interessierten. Ich hatte mir 9 Vorlesungen angehört und ein Praktikum mitgemacht. Vorlesungen dauern in der Regel nur eine Stunde. Die Dozenten stellen einem Kopien von den Folien aus der Vorlesung zur Verfügung. Das spart das Mitschreiben und man kann somit unheimlich viel Stoff in eine Stunde packen. Es gibt keine Anwesenheitslisten. Und trotz der Kopien sind die Vorlesungen alle gut besucht.
Zusätzlig zu den Vorlesungen hat man noch Workshops, group meetings und Tutorials.
In den Workshops kann man Fragen zu den Vorlesungen stellen oder bekommt Aufgaben. Workshops finden immer an Computern statt. Und wo wir gerade bei Computern sind… Man benutzt SGI Maschinen mit einer unheimlichen Masse an Terminals. Ausserdem hat das Computer Department auch PC’s, die man wahlweise als Terminal, mit Linux oder mit Windows benutzen kann. Der Drucker ist eher ein älteres Model. Man hat einen Druckaccount was das kostenlose drucken von 200 Seiten erlaubt. Druckt man mehr muß man zahlen. Das ist noch ziemlich günstig, da man sonst überall auf dem Campus 8 Pence für einen Ausdruck bezahlt (24 Pfennig). Man hat 24 Stunden möglichen Access zu den Computern.
Group meetings sind ähnlich wie Workshops aber ohne einen Computer. Tutorials sind interessant. Wie der Name schon sagt, trifft man sich da mit seinem Tutor und ein paar anderen Studenten. Es ist eher eine lockere Diskussionsrunde ohne Kekse. Man spricht natürlich über Computer. Das hält Kontakt zu den Dozenten und man wird daran erinnert, warum man da ist.

Die Universität bietet auch nach den Vorlesungen noch eine Vielzahl von Dingen an. Man hat freien Eintritt zu Sporthallen und zum Swimmingpool. Es gibt mehere Pubs, die studentenfreundliche Preise haben, und Nightclubs fürs Wochenende. Es gibt von Studenten organisierte Societies die Ausflüge fürs Wochenende planen oder den nächsten Pub-Besuch. Es gibt Sportgruppen, Musikgruppen und alles was man sich noch so vorstellen kann – oder was sich andere Studenten vorstellen konnten.

All you need is money.

Wenn man nur ein Jahr in Großbritanien studieren will, muß man Studiengebühren bezahlen. Das ist nicht der Fall, wenn man den ganzen Kurs belegt, was dann 3 oder 4 Jahre bedeutet. Studiengebühren sind an jeder Universität unterschiedlich und ändern sich auch jedes Jahr.
Man kann natürlich versuchen ein Stipendium von einer Stiftung zu bekommen. Das ist aber nicht ganz einfach. Leider hat Lübeck keine Partneruniversität für Informatik. Das ist sehr schade, es würde vieles einfacher machen. Das Auslandsamt der Lübecker Uni war leider auch nicht sehr hilfreich.
Ich habe in den sauren Apfel gebissen und die Gebühren selber bezahlt. Es hat sich gelohnt.
Dann braucht man noch Essen und eine Wohnung – aber das muß man ja zu Hause auch. Man sollte mit einer hohen Telefonrechnung rechnen.

Was man noch so wissen sollte

Wenn du die Idee hast, ein Jahr im Ausland zu studieren, und du eine mögliche Finanzierung gefunden hast, dann zieh es einfach durch. Es ist nicht einfach, man wird noch einmal ins kalte Wasser geworfen. Man muß neue Freunde finden, einen neue Lieblingskneipe und das englische Essen ist ja teilweise ziemlich schrecklich.
Und für alle die, die sagen: “Aber mein FreundIn wird das nicht wollen…”. Mach es trotzdem. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß so ein Jahr für eine Beziehung tödlich enden kann. Ich habe aber auch viele gesehen, bei denen es nicht der Fall war.
Ich bereue es nicht das Jahr ausgesetzt zu haben. Am Anfang meines Studiums habe ich viel darüber nachgedacht, ob Informatik das richtige Studienfach für mich ist. Als ich in Exeter war, habe ich nicht einmal daran gezweifelt.

Falls Ihr noch Fragen haben solltet: Schreib mir

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