MUFtI: Einleitend sei die kurze Frage nach der Durchschlagkraft der Aktionen der Lübecker Studierenden am Ende des letzten Jahres gestellt:Welche Probleme der Lübecker Studierenden sind Ihnen besonders bewußt geworden, bzw. welche Ziele wurden auffällig vertreten? Welche Aktionen haben Ihnen besonders gut gefallen bzw. was hätte man besser darstellen/organisieren können?

Jürgen Weber: Ich möchte die Podiumsdiskussion an der MUL besonders hervorheben, bei der ich die Gelegenheit hatte, unsere Positionen vorzutragen und zur Diskussion zu stellen.

Insgesamt meine ich, daß die Argumentation der Studierenden von großer Sachlichkeit gekennzeichnet war und auch die Verknüpfung zwischen der unzureichenden Studienfinanzierung (BAföG) und den Problemen der Ausstattung der Hochschulen einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt hat.

MUFtI: Im Dezember 1997 wurde von der CDU des LT SH vorgeschlagen, Vertreter der Asten der Hochschulen in SH zu den Sitzungen des Bildungsausschusses des LT SH vorzuladen, um auch den Problemen der Studierenden zumindest ein besseres Gehör zu verleihen.

Uns interessieren in diesem Zusammenhang zweierlei Dinge besonders: Ist bereits ein derartiger Vorschlag zur Diskussion gestellt worden bzw. wo sehen Sie und Ihre Parteifreunde Vor/Nachteile eines solchen Vorschlages?

Jürgen Weber: Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die ASten immer gehört werden, wenn gesetzliche Neuregelungen im Hochschulbereich anstehen. der nächste Anlaß wird Anfang Mai sein, wenn der Bildungsausschuß seine Anhörung zum Gesetz über die Neustrukturierung der Unikliniken durchführt.

Meine Fraktion und ebenso alle anderen führen regelmäßig Gespräche mit den Hochschulen und ihren einzelnen Gruppen wie den Studierenden. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß dieser Austausch oft viel fruchtbarer und zielorientierter ist als die Debatten im Ausschuß. Ein grundsätzliches Anhörungsrecht zu jeder Einzelfrage kann aber nicht funktionieren, weil damit die Handlungsfähigkeit des Parlaments beendet wäre.

MUFtI: In der Novelle des Hochschulrahmengesetzes wird eine Öffnung der Universitäten gegenüber Studiengängen mit dem Bachelor- bzw. Master-Abschluß ermöglicht. Aus Sicht der Studierenden sind diese Abschlüsse jedoch mit vielen Fragezeichen behaftet.

Wie sollen Studiengänge auf 2/3 gekürzt werden und noch immer berufsqualifizierend sein? Werden BAFöG-Zahlungen nach dem 6.Semester (nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluß) eingestellt und somit eine wissenschaftliche Ausbildung unerschwinglicher Luxus für viele? Es wird von Internationalisierung gesprochen, obwohl sowohl die arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Grenzen für ausländische StudienbewerberInnen erhöht als auch die Förderung von Auslandsaufenthalten von deutschen Studierenden rückläufig ist.

Halten Sie die neuen Studiengänge für eine vernünftige Lösung, ein nicht durchdachtes hinterherhetzen der fortschreitenden Amerikanisierung oder ist es für Sie eher eine Flucht aus der Verantwortung das bestehende Bildungssystem vernünftig durchzufinanzieren?

Jürgen Weber: Die internationale Durchlässigkeit des Studiums, aber auch anderer Ausbildungen ist unerläßlich. Das bedeutet für Deutschland auch, international verbreitete Abschlüsse wie den Bachelor oder den Master zu übernehmen. Das heißt für mich aber auch, von deutschen Spezialitäten wie der Habilitation als Regelvoraussetzung für Berufungen allmählich Abschied zu nehmen.

Der Bachelor soll zum einen der Tatsache Rechnung tragen, daß viele Studentinnen und Studenten ihr Studium ohne Abschluß abbrechen. In dieser Zeit haben sie viel gelernt, bekommen dafür aber außer den erworbenen Scheinen keine Testierung. In sehr vielen Fällen haben gerade diese Abbrecher bewiesen, daß sie keineswegs gescheitert sind, sondern sich mit ihren Kenntnissen auf dem Arbeitsmarkt gut haben behaupten können. Der Bachelor kann für sie ein erster Abschluß û natürlich mit einer niedrigeren Qualifikation.

Gleichzeitig macht es Sinn, eigenständige B.A.-Studiengänge zu entwickeln, wobei noch viele Fragen ungeklärt sind, z.B. Berufsbilder, Beschäftigungsmöglichkeiten im Öffentlichen Dienst und der Vergleich mit FH-Abschlüssen. Die Diskussion darüber ist auch bei uns in vollem Gange.

Wir treten für eine umfassende BAföG-Reform ein, bei der unter anderem sichergestellt sein muß, daß eine Weiterstudieren nach dem Erwerb des Bachelor auch von der finanziellen Absicherung her möglich sein muß. B.A. und Master sind konsekutive Studiengänge; nach dem Erwerb des B.A. muß, wenn gewünscht, ein Weiterstudium möglich sein. Die Förderung muß sich an der bisherigen Förderunsgdauer orientieren, nicht an den neuen Abschlüssen.

Daß manche Hochschulen sich nach wie vor sehr schwer mit den Zulassungsformalitäten für ausländische Studierende tun, ist bekannt und bedarf der Abhilfe. Es ist nötig, die Qualifikationen der Studierenden für ein Studium in Deutschland zu überprüfen, aber es darf nicht darum gehen, bürokratische Hürden aufzubauen.

MUFtI: Ein weiteres wichtiges Thema für alle Studierenden sind die Studiengebühren. Es wurde deutlich von allen Fraktionen geäußert, daß dies für SH kein Thema sei bzw. sein wird.

Unter dem Gesichtspunkt, daß es aber bereits Bundesländer gibt, die Studiengebühren erheben, (siehe z.B. Berlin) erscheint es uns fragwürdig, wie ausgerechnet ein Land wie SH sich einer weiteren Ausbreitung von Studiengebühren in Deutschland widersetzen sollte.

Deshalb halten wir es für wichtig, daß die (scheinbar) geschlossene politische Meinung aller Fraktionen im Landtag SH dazu genutzt werden sollte, ein gesetzliches Verbot von Studiengebühren im Hochschulgesetz des Landes durchzusetzen und somit bundesweit ein Zeichen gegen finanzielle Ausgrenzung im Bildungswesen zu setzen.

Ist ein solcher Gesetzesentwurf im Gespräch bzw. gibt es in Ihrer Partei Bemühungen Studiengebühren entgegenzuwirken? Wie sehen diese Bemühungen aus? Sind Sie bereit, eine Studiengebühr als Zulassungsvoraussetzung zu akzeptieren?

Jürgen Weber: Unsere Haltung auf Bundes- und Landesebene ist klar. Wir haben am 19.2.1998 im Landtag mit einer Mehrheit aus SPD, GRÜNEN und SSW gegen CDU und FDP die Landesregierung aufgefordert, einer HRG-Novelle ohne ein Verbot von Studiengebühren nicht zuzustimmen.

MUFtI: Ein weiteres wichtiges Thema für die Studierenden war und ist die Finanzpolitik der Länder bzw. des Bundes. Denn immer wieder wird der “Schwarze Peter” für die wachsenden Kürzungen des Bildungsbudgets vom Land auf den Bund und umgekehrt hin- und hergereicht. Auf Dauer wird die Politik sich so aber nicht mehr rechtfertigen können. Natürlich paßt es in den Wahlkampf, Fraktionsstreitigkeiten auf Kosten der Hochschulen bis aufs Letzte auszuwälzen, aber es muß doch auch konstruktive Ansätze zur Lösung der momentanen Situation geben, selbst unter Beibehaltung des existierenden Hochschulmodells.

Wie sieht ein “vernünftigeres” Modell der Finanzierung der Hochschulen aus? Wäre wirklich nur ein Wechsel in Bonn eine Lösung? Speziell für die Situation in Lübeck stellt sich weiterhin auch noch die Frage der Zuständigkeiten: Weshalb werden Bauvorhaben (z.B. der Informatikbau) über den Etat des Bildungsministeriums bezahlt? Gibt es hier wirklich keine Alternativen?

Jürgen Weber: Beim Hochschulbau als Gemeinschaftsaufgabe sind Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht. Die finanzielle Lage des Landes ist schwierig; daran würde sich auch durch ein haushaltstechnisches Umbuchen von einem Einzelplan in einen anderen nichts ändern.

Ein Wechsel in Bonn ist nicht die Lösung, aber unserer Ansicht nach eine unverzichtbare Voraussetzung für sie. Wir wollen, wie schon erwähnt, eine umfassende Reform von HRG und BAföG erreichen; das ist nur mit einer kompatiblen Mehrheit in Bundestag und Bundesrat umzusetzen. Kurzfristig schlagen wir ein HSP IV vor.

Wir gehen davon aus, daß eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung durch eine aktive Beschäftigungspolitik für eine Erhöhung der öffentlichen Einnahmen sorgt und so die Finanzkraft von Bund, Ländern und Gemeinden stärkt. Wir wollen lieber Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit.

(Diese Frage in wenigen Zeilen erschöpfend zu beantworten, ist nicht möglich.)

Vielen Dank für das Interview.

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