Um die Tendenzen der neuesten BAföG-Reform überblicken zu können, muß man zuerst einmal einen kleinen Blick zurück in das Jahr 1982 werfen:

In diesem Jahr beschloß die frisch amtierende Wenderegierung eine Umstellung der BAföG-Leistungen auf Volldarlehen und eine weitestgehende Einstellung des Schüler-BAföG. – sprach man im Jahre 1971 bei der Einführung des BAföG von der Notwendigkeit der “Ausnutzung der Bildungsreserven”, so wurde durch diese Umstellung das BAföG vielmehr zu einem Instrument der Regulierung der Studierendenzahlen. Während man in den siebziger Jahren immer wieder von “Chancengleichheit” sprach, so war nach der Reform nur noch von Leistung und dem Erlassen eines Teils der Darlehens schulden für die “guten” Studierenden die Rede.

In diesen Tagen, in denen viel von der neuesten Reform in den Medien zu hören und zu lesen ist, versucht man, einen Teil der durch die letzte Reform Benachteiligten wieder zu besänftigen, indem man das “Mittelstandloch” stopfen will. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Januar 1990 heißt es zur Reform:

“Der Entwurf sieht im wesentlichen vor,

  • die relativen Freibeträge bei der Anrechnung von Elterneinkommen erheblich anzuheben,
  • die Ausbidungsförderung während einer Zweitausbildung stärker von der wirtschaftlichen Leistungskraft der Eltern abhängig zu machen,
  • die Ausbildungsförderung der Studenten zu 50 v.H. als Zuschuß zu leisten,
  • eine Studienabschlußförderung einzuführen,
  • den Krankenversicherungszuschlag für Studenten anzuheben,
  • den leistungsabhängigen Darlehensteilerlaß um eine Zeitkomponente zu ergänzen,
  • die Bedingungen der Förderung und Darlehensrückzahlung für behinderte Auszubildende zu verbessern,
  • die monatlich Rückzahlungsmindestrate für Darlehen nach dem BAföG auf 200, -DM anzuheben,
  • die Bedarfssätze zum Herbst 1990 und die Freibeträge jeweils zum Herbst 1990 und zum Herbst 1991 um durchschnittlich 3 v.H. anzuheben.”

Dieses sind die Punkte, soweit sie uns Studierende betreffen. Was ändert sich denn nun genau, und wie sind diese Veränderungen zu bewerten?

Einzig positiver Punkt bleibt sicherlich, das sei gleich vorweg gesagt, die Anhebung der Freibeträge, die vom Elterneinkommen berücksichtigt werden.

Dann kommen aber auch schon die Punkte, die in schöne Worte gefaßt zwar teilweise wie eine Verbesserung des Bestehenden klingen, dieses aber in keiner Weise sind.

Wichtigster und uns alle betreffender Punkt ist die Anhebung der BAföG-Sätze. Wurde Auszubildenden “höherer Fachschulen, Akademien und Hochschulen”bisher 525, -DM zugestanden, so sollen es in Zukunft 540,-DM sein, der Betrag für Miete wird von 200,-DM auf 210,-DM angehoben. Diese Regelung geht völlig an den Bedürfnissen eines Studierenden vorbei. Die 12. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes geht von einem notwendigen Einkommen von über 1000,-DM aus, womit feststeht, daß auch weiterhin die Mehrheit der Betroffenen einen Teil ihres Einkommens durch “Jobben” verdienen muß. Meines Erachtens ist es schon eine besondere Form der Dreistigkeit, wenn nicht sogar Ignoranz, daß eine Regierung, die maßgeblich die Einstellung des sozialen und studentischen Wohnraumbaus verschuldet hat, für Mietausgaben beim BAföG nur 210,-DM vorsieht. Für diese Summe würde man heute – vorausgesetzt es gäbe genug – nicht einmal ein Zimmer in einem Studentenwohnheim bekommen.

Weiterhin widersprüchlich ist auch die Regelung der Darlehensrückzahlung . bzw. der Vergünstigungen bei vorzeitiger Rückzahlung des BAföG. Dieser Anreiz soll nach Auskünften der Regierung dazu dienen, die Studienzeiten an den Universitäten zu verkürzen, was ja in einige Studiengängen sicherlich wünschenswert wäre. Wie aber kann man das erreichen, wenn man durch generell zu niedrige BAföG-Sätze die Studierenden zum Arbeiten zwingt, Oder ihnen durch zu kurze Förderungshöchstdauern – die von Medizin liegt gerade mal bei 13 Semestern – kurz vor dem Abschlußexamen die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzieht?

Ein Punkt, der in der “Reform” völlig unberücksichtigt bleibt, obwohl er sich in der Praxis als völlig unzulänglich erwiesen hat, ist die elternunabhangige Förderung. Hier wird vielen Antragstellern immer wieder eine Ablehnung erteilt, was den Sachbearbeitern nicht schwerfällt, da der regelnde Paragraph doch recht schwammig ist.

Aus meiner Sicht ist die nun mittlerweile verabschiedete BAföG-Deform eine völlig unzureichende und unausgegorene Reform, die zwar politisch auch im Vorfeld der Wahlen für viel Publicity gesorgt hat, die aber inhaltlich für uns Betroffene keine wirklichen Verbesserungen zeigt. Es zeichnet sich darüberhinaus auch der Trend
zu spitzfindigen Ablehnungs-begründungen bei der Anwendung dieses Gesetzes ab, so daß ich nur jedem Studierenden, der auf diese Unterstützung des Staates. angewiesen ist, empfehlen kann, sich vor Antragstellung entweder vom Sozialreferenten des AStA beraten zu lassen, oder sogar einen guten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.

Eine Broschüre zum BAföG könnt Ihr beim Studentenwerk-SH , BAföG-Amt , Westring 385 , 2300 Kiel beziehen. Das genaue Gesetz haben wir im AStA für Euch zur Einsicht stehen.

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