Dem Flugblattleser ist es seit längerem bekannt: Die Studentenschaft führt zwei Prozesse gegen das Präsidium.

Der Listenprozeß

Im November verweigerte das Präsidium die Herausgabe einer Namensliste der Studenten an den AStA mit der mündlichen Begründung, es bestehe die Gefahr, daß die Liste bei der Urabstimmung zum Streik verwendet werde.

Auf Antrag des AStA ordnete das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig “einstweilig” die Herausgabe einer Liste an. Mit fadenscheinigen Argumenten legte das Präsidium Widerspruch ein: Nie habe es verweigert eine Liste herauszugeben, es habe halt nur die Liste noch nicht vorgelegen.

Das Urabstimmungsverbot

Da nun die Sabotage der UA nicht so recht klappen wallte (eine Studentenliste braucht man nämlich gar nicht – ätsch!) holte – ferngesteuert aus Kiel – das Präsidium zum nächsten Schlag aus. Wie an praktisch allen Hochschulen des Landes, wurde auch an der MHL per “einstweiliger Anordnung” der Studentenschaft untersagt, eine UA durchzufahren und “zur Teilnahme” an auch gewaltlosen Störungen von Lehrveranstaltungen” (Umfunktionieren, Diskussionen) “aufzurufen” .

Unmittelbare, praktische Konsequenzen folgten aus dieser Anordnung nicht, da sie erst nach Ende der Abstimmung eintraf, bei der die Studierendenschaft sich bekanntlich gegen Streik aussprach.

Trotz des erheblichen Aufwandes und des ungewissen Ausganges, muß der AStA hier seinerseits eine Hauptverhandlung anstreben, da die Anordnung auf falschen Behauptungen beruht, und ein rechtskräftiges Urteil gegen die Studentenschaft uns auch die Prozeßkosten aufbrummen würde.

Aussichten

Beiden Prozessen kann man mit, “gedämpftem Optimismus” entgegensehen. Tn der Listenangelegenheit hat sieh das Präsidium ziemlich in den eigenen Fallstricken verheddert: Die Namen der Studenten erst zur Abschrift anzubieten, dann zu verweigern wegen “Angst vor Mißbrauch”, schließlich genau diese gar nicht vorliegen zu haben, das ist (hoffentlich) ein Purzelbaum zuviel, als daß das Gericht dies als geradlinige und korrekte Beamtenlogik durchgehen lassen wird.

Beim UA-Prozeß gingen die Kultusjuristen in Kiel und ihr langer Arm in Lübeck wohl davon aus, daß Studenten generell nicht von Studenten befragt werden dürften, auch nicht im Sinne eines ‘Meinungsbildes’. Doch siehe da, für alle Seiten unerwartet, beschloß das VG-Schleswig (bei dem gleichen Streit an der Uni Kiel), daß gerade solch einem Meinungsbild rechtlich nichts entgegenstehe. Da bei genau der gleichen Sachlage also dasselbe Gericht bereits einmal entsprechend entschieden hat, kann man auch für diesen Prozeß, hoffen.

Vom Sinn “juristischer Klärungen”

Das Juristische Glatteis ist gefährlich: Zum einen weil man leichter einen Prozeß verlieren kann, als man glaubt, vor allem aber weil ein gewonnener Prozeß
gefährliche Illusionen wecken kann.

Zu naheliegend ist es, die Funktion der Justiz – gerade wenn sie sich ausnahmsweise gegen die staatlichen Machtapparate wendet – mißzuverstehen.

Die Justiz laviert in Ermessensspielräumen. Der vorgegebene gesetzliche Rahmen läßt bei der Einzelfallbeurteilung oft erstaunlich viel Raum, und zwar nicht nur
beim Strafmaß sondern auch bei der Bewertung grundsätzlicher politischer Probleme.Justitz Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

Trotzdem gehen die Urteile meist in ein und dieselbe Richtung. Mit Verwunderung vermerkt es regelmäßig die links liberale bis linke Öffentlichkeit, wenn ausnahmsweise mal nicht im Sinne der Staatsorgane oder bei Streitigkeiten zwischen den “staatstragenden” Parteien im Sinne konservativer Ideologie Recht gesprochen wird. Dabei kann man durchaus davon ausgehen, daß die Urteile im allgemeinen den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen.

(Die dritte Gewalt!?)

Was passiert, wenn ein Gericht, wie z.B. jetzt das VG-Schleswig in Sachen Urabstimmung, anders urteilt als von den entscheidenden “pressure groups” erwartet? Gerade im Fall der UA lieferte der Kieler Uni-Präsident eine an Deutlichkeit kaum zu überbietende Stellungname:

Kieler Hochschulen wollen Schleswiger Entscheidung nicht hinnehmen

Das Präsidium der Kieler Universität kündigte an, es werde alles tun, um „als Recht bestätigt zu bekommen, was wir immer dafür gehalten haben”. Falls das geltende Hochschulgesetz die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig
jedoch decke, sei ein Hinweis dafür gegeben, was bei der Novellierurig des Hoch Schulgesetzes berücksichtigt werden müsse.

(Aus den Lübecker Nachrichten 2.12.1977)

So ist es also zu verstehen, das Gebäude des Rechts: Gemacht wird es, so wie die Chefetagen (in Uni oder Industrie) und Regierungsbürokratien es haben wollen, Recht gesprochen wird im Sinne dieser Macher. Und wenn nicht: dann muß das Gesetz eben zur Eindeutigkeit gebracht werden, bis auch solch ein Ausreißer unter den Richtern nicht mehr anders urteilen kann!!

Unsere Aufgabe in der Verteidigung unserer Rechte besteht nicht primär darin Prozeße zu führen und womöglich zu gewinnen. Wir müssen vielmehr immer wieder deutlich machen, daß uns diese Arroganz der Macht nicht ins Duckmäusertum treiben wird, sondern im Gegenteil unsere Bemühungen um das Einbringen unserer Interessen verstärken wird. Dazu gehört wesentlich die Artikulation unserer Positionen sowie die argumentative Verankerung auch beim letzten Studenten vor allem aber in der Öffentlichkeit.

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